an sie erinnert habe, indem sie gleiche Annehmlich- keiten hätte. Suschen nahm dies als vollen Ernst an, sie fand es im Lesen selbst, versäumte vor lau- ter Eifer, sich die Geschichte der geschilderten Schö- nen bekannt zu machen, einmahl das Soupe spi- rituel, und ließ sich durch eine Unpäßlichkeit ent- schuldigen, um nur während der Zeit lesen zu kön- nen. Jede Romanheldinn hat einen Liebhaber, dem sie wohl will, also auch diese, sie glaubte Busch habe die Absicht, bei ihr die Stelle einzunehmen, und da er das Glück hatte, ihr zu gefallen, so beschloß sie, ihn, da besonders Baron Treff näch- stens ins Bad gehen würde, zu erhören. Auch der Sanftmuth und Zurückhaltung der Heldinn des Romans beschloß sie nachzuahmen, welches ihr in diesem Augenblick eben so leicht vorkam als ein Kleid nach neuer Mode anzulegen, weil man das ja auch nicht an den Leib fest nähen läßt, und also es wieder ablegen kann. Die empfindsamen Schriften, wie sie einige Zeit nachher entstanden, waren da noch nicht erschienen, sonst würde Busch nicht ermangelt haben, Suschen auch Bücher dieser Art mitzutheilen, und sie hätte denn gewiß nie mehr, ohne ohnmächtig zu werden, ein Huhn in ihrer Küche können schlachten sehn oder wäre gar einer Raupe im zärtlichen Gefühl der natür-
lichen
an ſie erinnert habe, indem ſie gleiche Annehmlich- keiten haͤtte. Suschen nahm dies als vollen Ernſt an, ſie fand es im Leſen ſelbſt, verſaͤumte vor lau- ter Eifer, ſich die Geſchichte der geſchilderten Schoͤ- nen bekannt zu machen, einmahl das Soupé spi- rituel, und ließ ſich durch eine Unpaͤßlichkeit ent- ſchuldigen, um nur waͤhrend der Zeit leſen zu koͤn- nen. Jede Romanheldinn hat einen Liebhaber, dem ſie wohl will, alſo auch dieſe, ſie glaubte Buſch habe die Abſicht, bei ihr die Stelle einzunehmen, und da er das Gluͤck hatte, ihr zu gefallen, ſo beſchloß ſie, ihn, da beſonders Baron Treff naͤch- ſtens ins Bad gehen wuͤrde, zu erhoͤren. Auch der Sanftmuth und Zuruͤckhaltung der Heldinn des Romans beſchloß ſie nachzuahmen, welches ihr in dieſem Augenblick eben ſo leicht vorkam als ein Kleid nach neuer Mode anzulegen, weil man das ja auch nicht an den Leib feſt naͤhen laͤßt, und alſo es wieder ablegen kann. Die empfindſamen Schriften, wie ſie einige Zeit nachher entſtanden, waren da noch nicht erſchienen, ſonſt wuͤrde Buſch nicht ermangelt haben, Suschen auch Buͤcher dieſer Art mitzutheilen, und ſie haͤtte denn gewiß nie mehr, ohne ohnmaͤchtig zu werden, ein Huhn in ihrer Kuͤche koͤnnen ſchlachten ſehn oder waͤre gar einer Raupe im zaͤrtlichen Gefuͤhl der natuͤr-
lichen
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an ſie erinnert habe, indem ſie gleiche Annehmlich-
keiten haͤtte. Suschen nahm dies als vollen Ernſt
an, ſie fand es im Leſen ſelbſt, verſaͤumte vor lau-
ter Eifer, ſich die Geſchichte der geſchilderten Schoͤ-
nen bekannt zu machen, einmahl das Soupé spi-
rituel, und ließ ſich durch eine Unpaͤßlichkeit ent-
ſchuldigen, um nur waͤhrend der Zeit leſen zu koͤn-
nen. Jede Romanheldinn hat einen Liebhaber, dem
ſie wohl will, alſo auch dieſe, ſie glaubte Buſch
habe die Abſicht, bei ihr die Stelle einzunehmen,
und da er das Gluͤck hatte, ihr zu gefallen, ſo
beſchloß ſie, ihn, da beſonders Baron Treff naͤch-
ſtens ins Bad gehen wuͤrde, zu erhoͤren. Auch
der Sanftmuth und Zuruͤckhaltung der Heldinn
des Romans beſchloß ſie nachzuahmen, welches
ihr in dieſem Augenblick eben ſo leicht vorkam als
ein Kleid nach neuer Mode anzulegen, weil man
das ja auch nicht an den Leib feſt naͤhen laͤßt, und
alſo es wieder ablegen kann. Die empfindſamen
Schriften, wie ſie einige Zeit nachher entſtanden,
waren da noch nicht erſchienen, ſonſt wuͤrde Buſch
nicht ermangelt haben, Suschen auch Buͤcher
dieſer Art mitzutheilen, und ſie haͤtte denn gewiß
nie mehr, ohne ohnmaͤchtig zu werden, ein Huhn
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800/294>, abgerufen am 22.11.2024.
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