Diese Nothwendigkeit machte sie aber meist übellaunig, sie hatte überdem an Stolz und Ei- gensinn nicht wenig zugenommen, sogar ihrem Mann begegnete sie viel geringschätzender als sonst. Die Domestiquen stießen zehnmal mehr als sonst bei ihr an, wenn sie sich irgend in Respect vergiengen, und vor den Gästen ließ sie sich wenig mehr sehn, um nicht genöthigt zu sein, die Wirthinn zu ma- chen. Alles war ihr im Hause zuwider, bis auf die kleine Madelon, welche sie als eine wirkliche Gastwirthstochter, die dem Johann Jacob auch vollkommen ähnlich war, kaum vor Augen sehn konnte. Diese sehr billige Abneigung wuchs auch so sehr, daß, als ich, der, wie meine Mutter gewiß zu wissen meinte, eines bessern Herkommens war, neben ihr erwuchs, sie alles billigte, was ich dem Mädchen anthat, die wie ihr Vater stillen Ge- müths war und gar nicht meine und der Mutter Neigungen hatte, ja daß ich sie, wie der Leser in der Folge erfahren wird, ganz zu meinem Opfer machte.
Die widerwärtige und kleine Lage, in welche sich Suschen aufs neue fügen mußte, war es nicht allein, welche sie übel aufgeräumt macht, es hat- ten sich noch während ihrer Abwesenheit Dinge zu- getragen, welche ihr bewiesen, daß man nicht et-
liche
Dieſe Nothwendigkeit machte ſie aber meiſt uͤbellaunig, ſie hatte uͤberdem an Stolz und Ei- genſinn nicht wenig zugenommen, ſogar ihrem Mann begegnete ſie viel geringſchaͤtzender als ſonſt. Die Domeſtiquen ſtießen zehnmal mehr als ſonſt bei ihr an, wenn ſie ſich irgend in Reſpect vergiengen, und vor den Gaͤſten ließ ſie ſich wenig mehr ſehn, um nicht genoͤthigt zu ſein, die Wirthinn zu ma- chen. Alles war ihr im Hauſe zuwider, bis auf die kleine Madelon, welche ſie als eine wirkliche Gaſtwirthstochter, die dem Johann Jacob auch vollkommen aͤhnlich war, kaum vor Augen ſehn konnte. Dieſe ſehr billige Abneigung wuchs auch ſo ſehr, daß, als ich, der, wie meine Mutter gewiß zu wiſſen meinte, eines beſſern Herkommens war, neben ihr erwuchs, ſie alles billigte, was ich dem Maͤdchen anthat, die wie ihr Vater ſtillen Ge- muͤths war und gar nicht meine und der Mutter Neigungen hatte, ja daß ich ſie, wie der Leſer in der Folge erfahren wird, ganz zu meinem Opfer machte.
Die widerwaͤrtige und kleine Lage, in welche ſich Suschen aufs neue fuͤgen mußte, war es nicht allein, welche ſie uͤbel aufgeraͤumt macht, es hat- ten ſich noch waͤhrend ihrer Abweſenheit Dinge zu- getragen, welche ihr bewieſen, daß man nicht et-
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Dieſe Nothwendigkeit machte ſie aber meiſt
uͤbellaunig, ſie hatte uͤberdem an Stolz und Ei-
genſinn nicht wenig zugenommen, ſogar ihrem
Mann begegnete ſie viel geringſchaͤtzender als ſonſt.
Die Domeſtiquen ſtießen zehnmal mehr als ſonſt
bei ihr an, wenn ſie ſich irgend in Reſpect vergiengen,
und vor den Gaͤſten ließ ſie ſich wenig mehr ſehn,
um nicht genoͤthigt zu ſein, die Wirthinn zu ma-
chen. Alles war ihr im Hauſe zuwider, bis auf
die kleine Madelon, welche ſie als eine wirkliche
Gaſtwirthstochter, die dem Johann Jacob auch
vollkommen aͤhnlich war, kaum vor Augen ſehn
konnte. Dieſe ſehr billige Abneigung wuchs auch
ſo ſehr, daß, als ich, der, wie meine Mutter gewiß
zu wiſſen meinte, eines beſſern Herkommens war,
neben ihr erwuchs, ſie alles billigte, was ich dem
Maͤdchen anthat, die wie ihr Vater ſtillen Ge-
muͤths war und gar nicht meine und der Mutter
Neigungen hatte, ja daß ich ſie, wie der Leſer in
der Folge erfahren wird, ganz zu meinem Opfer
machte.
Die widerwaͤrtige und kleine Lage, in welche
ſich Suschen aufs neue fuͤgen mußte, war es nicht
allein, welche ſie uͤbel aufgeraͤumt macht, es hat-
ten ſich noch waͤhrend ihrer Abweſenheit Dinge zu-
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800/380>, abgerufen am 29.11.2024.
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