nicht durch ungestüme Aufführung um das Gute zu bringen, was ihr im Testament der Frau Schnitzerinn etwa noch zugedacht wäre.
Unterdessen konnte sie doch vor Unruhe über Herrn Schnitzers Aeusserungen in der folgenden Nacht kein Auge zuthun. -- Es war aber kein Un- glück, daß der Schlaf sie dießmal floh: denn hätte er seine sanften Flügel über sie gebreitet; so würde er diese kostbaren stillen Stunden ihrem Nachden- ken geraubt haben, welches doch den Grund zu dem ganzen Glück ihres folgenden Lebens legte.
Es taugt nichts, lieber Leser, daß man sich über das Fehlschlagen einer Lieblingshoffnung är- gert: denn am Ende sieht man doch immer, daß man sich mit einer so unangenehmen Empfindung ohne Nutzen geplagt hat, und mithin besser gethan hätte, so gleich gelassen zu überlegen, was zu ma- chen sei, um entweder seinen Zweck dennoch, oder vielleicht etwas noch besseres zu erlangen. Am Ende glückt's doch, zumal bei solchen klugen und entschlossenen Leuten, wie Suschen war.
Nachdem sie ein paar Stunden lang bei sich selbst wiederholet, was sie hinter dem Bettschirme gehöret, sich nochmals darüber geärgert, und ein wenig reiflicher über sich selbst und den ehrlichen Johann Jacob nachgedacht hatte, fieng sie in Ge-
danken
nicht durch ungeſtuͤme Auffuͤhrung um das Gute zu bringen, was ihr im Teſtament der Frau Schnitzerinn etwa noch zugedacht waͤre.
Unterdeſſen konnte ſie doch vor Unruhe uͤber Herrn Schnitzers Aeuſſerungen in der folgenden Nacht kein Auge zuthun. — Es war aber kein Un- gluͤck, daß der Schlaf ſie dießmal floh: denn haͤtte er ſeine ſanften Fluͤgel uͤber ſie gebreitet; ſo wuͤrde er dieſe koſtbaren ſtillen Stunden ihrem Nachden- ken geraubt haben, welches doch den Grund zu dem ganzen Gluͤck ihres folgenden Lebens legte.
Es taugt nichts, lieber Leſer, daß man ſich uͤber das Fehlſchlagen einer Lieblingshoffnung aͤr- gert: denn am Ende ſieht man doch immer, daß man ſich mit einer ſo unangenehmen Empfindung ohne Nutzen geplagt hat, und mithin beſſer gethan haͤtte, ſo gleich gelaſſen zu uͤberlegen, was zu ma- chen ſei, um entweder ſeinen Zweck dennoch, oder vielleicht etwas noch beſſeres zu erlangen. Am Ende gluͤckt’s doch, zumal bei ſolchen klugen und entſchloſſenen Leuten, wie Suschen war.
Nachdem ſie ein paar Stunden lang bei ſich ſelbſt wiederholet, was ſie hinter dem Bettſchirme gehoͤret, ſich nochmals daruͤber geaͤrgert, und ein wenig reiflicher uͤber ſich ſelbſt und den ehrlichen Johann Jacob nachgedacht hatte, fieng ſie in Ge-
danken
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[47/0053]
nicht durch ungeſtuͤme Auffuͤhrung um das Gute
zu bringen, was ihr im Teſtament der Frau
Schnitzerinn etwa noch zugedacht waͤre.
Unterdeſſen konnte ſie doch vor Unruhe uͤber
Herrn Schnitzers Aeuſſerungen in der folgenden
Nacht kein Auge zuthun. — Es war aber kein Un-
gluͤck, daß der Schlaf ſie dießmal floh: denn haͤtte
er ſeine ſanften Fluͤgel uͤber ſie gebreitet; ſo wuͤrde
er dieſe koſtbaren ſtillen Stunden ihrem Nachden-
ken geraubt haben, welches doch den Grund zu dem
ganzen Gluͤck ihres folgenden Lebens legte.
Es taugt nichts, lieber Leſer, daß man ſich
uͤber das Fehlſchlagen einer Lieblingshoffnung aͤr-
gert: denn am Ende ſieht man doch immer, daß
man ſich mit einer ſo unangenehmen Empfindung
ohne Nutzen geplagt hat, und mithin beſſer gethan
haͤtte, ſo gleich gelaſſen zu uͤberlegen, was zu ma-
chen ſei, um entweder ſeinen Zweck dennoch, oder
vielleicht etwas noch beſſeres zu erlangen. Am
Ende gluͤckt’s doch, zumal bei ſolchen klugen und
entſchloſſenen Leuten, wie Suschen war.
Nachdem ſie ein paar Stunden lang bei ſich
ſelbſt wiederholet, was ſie hinter dem Bettſchirme
gehoͤret, ſich nochmals daruͤber geaͤrgert, und ein
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800/53>, abgerufen am 18.12.2024.
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