Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

ihr nicht an Liebhabern, welche die Absicht auf eine
Verbindung mit ihr hatten. Eben so fand sie An-
beter, die blos Geschmack an ihr fanden, denn sie
vernachläßigte jetzt ihre Schönheit nicht, gab ihr
vielmehr durch die Kunst noch mehr Reiz, und so
entzog sie würklich eine Weile so mancher unter
den gesitteten Damen einen Gegenstand, den diese
ihrer Gunst nicht unwürdig hielt. Der Haß solcher
beleidigten Damen und die Freude meiner Mutter
über die ihnen entzogenen Eroberungen war um so
größer.

Um ja keinen dieser, Ernst oder Spaß meinen-
den Herren von sich zu verscheuchen, gestattete sie
allen den Zutritt bei sich, gab artige Souppees,
jenen im Gasthof nicht unähnlich, und kam dann
auch mit ihren Bewunderern an mehrgedachte öf-
fentliche Orte: Welcher von ihnen sich scheute,
mit ihr und ihren Gesellschaftsdamen da zusammen
zu erscheinen, ward verabschiedet, und blieb auch
wohl, weil er den Spaß überdrüßig war, selbst weg.
Seine Stelle wurde aber bald ersetzt, denn es fehl-
te nie an Männern, und wird nie an solchen feh-
len, die unter der Entschuldigung, daß so was ei-
ner Mannsperson nicht nachtheilig sei, so klug sind,
die Zirkel der Freudendamen den sogenannten decen-

ten
G 4

ihr nicht an Liebhabern, welche die Abſicht auf eine
Verbindung mit ihr hatten. Eben ſo fand ſie An-
beter, die blos Geſchmack an ihr fanden, denn ſie
vernachlaͤßigte jetzt ihre Schoͤnheit nicht, gab ihr
vielmehr durch die Kunſt noch mehr Reiz, und ſo
entzog ſie wuͤrklich eine Weile ſo mancher unter
den geſitteten Damen einen Gegenſtand, den dieſe
ihrer Gunſt nicht unwuͤrdig hielt. Der Haß ſolcher
beleidigten Damen und die Freude meiner Mutter
uͤber die ihnen entzogenen Eroberungen war um ſo
groͤßer.

Um ja keinen dieſer, Ernſt oder Spaß meinen-
den Herren von ſich zu verſcheuchen, geſtattete ſie
allen den Zutritt bei ſich, gab artige Souppees,
jenen im Gaſthof nicht unaͤhnlich, und kam dann
auch mit ihren Bewunderern an mehrgedachte oͤf-
fentliche Orte: Welcher von ihnen ſich ſcheute,
mit ihr und ihren Geſellſchaftsdamen da zuſammen
zu erſcheinen, ward verabſchiedet, und blieb auch
wohl, weil er den Spaß uͤberdruͤßig war, ſelbſt weg.
Seine Stelle wurde aber bald erſetzt, denn es fehl-
te nie an Maͤnnern, und wird nie an ſolchen feh-
len, die unter der Entſchuldigung, daß ſo was ei-
ner Mannsperſon nicht nachtheilig ſei, ſo klug ſind,
die Zirkel der Freudendamen den ſogenannten decen-

ten
G 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0107" n="103"/>
ihr nicht an Liebhabern, welche die Ab&#x017F;icht auf eine<lb/>
Verbindung mit ihr hatten. Eben &#x017F;o fand &#x017F;ie An-<lb/>
beter, die blos Ge&#x017F;chmack an ihr fanden, denn &#x017F;ie<lb/>
vernachla&#x0364;ßigte jetzt ihre Scho&#x0364;nheit nicht, gab ihr<lb/>
vielmehr durch die Kun&#x017F;t noch mehr Reiz, und &#x017F;o<lb/>
entzog &#x017F;ie wu&#x0364;rklich eine Weile &#x017F;o mancher unter<lb/>
den ge&#x017F;itteten Damen einen Gegen&#x017F;tand, den die&#x017F;e<lb/>
ihrer Gun&#x017F;t nicht unwu&#x0364;rdig hielt. Der Haß &#x017F;olcher<lb/>
beleidigten Damen und die Freude meiner Mutter<lb/>
u&#x0364;ber die ihnen entzogenen Eroberungen war um &#x017F;o<lb/>
gro&#x0364;ßer.</p><lb/>
        <p>Um ja keinen die&#x017F;er, Ern&#x017F;t oder Spaß meinen-<lb/>
den Herren von &#x017F;ich zu ver&#x017F;cheuchen, ge&#x017F;tattete &#x017F;ie<lb/>
allen den Zutritt bei &#x017F;ich, gab artige Souppees,<lb/>
jenen im Ga&#x017F;thof nicht una&#x0364;hnlich, und kam dann<lb/>
auch mit ihren Bewunderern an mehrgedachte o&#x0364;f-<lb/>
fentliche Orte: Welcher von ihnen &#x017F;ich &#x017F;cheute,<lb/>
mit ihr und ihren Ge&#x017F;ell&#x017F;chaftsdamen da zu&#x017F;ammen<lb/>
zu er&#x017F;cheinen, ward verab&#x017F;chiedet, und blieb auch<lb/>
wohl, weil er den Spaß u&#x0364;berdru&#x0364;ßig war, &#x017F;elb&#x017F;t weg.<lb/>
Seine Stelle wurde aber bald er&#x017F;etzt, denn es fehl-<lb/>
te nie an Ma&#x0364;nnern, und wird nie an &#x017F;olchen feh-<lb/>
len, die unter der Ent&#x017F;chuldigung, daß &#x017F;o was ei-<lb/>
ner Mannsper&#x017F;on nicht nachtheilig &#x017F;ei, &#x017F;o klug &#x017F;ind,<lb/>
die Zirkel der Freudendamen den &#x017F;ogenannten decen-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G 4</fw><fw place="bottom" type="catch">ten</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[103/0107] ihr nicht an Liebhabern, welche die Abſicht auf eine Verbindung mit ihr hatten. Eben ſo fand ſie An- beter, die blos Geſchmack an ihr fanden, denn ſie vernachlaͤßigte jetzt ihre Schoͤnheit nicht, gab ihr vielmehr durch die Kunſt noch mehr Reiz, und ſo entzog ſie wuͤrklich eine Weile ſo mancher unter den geſitteten Damen einen Gegenſtand, den dieſe ihrer Gunſt nicht unwuͤrdig hielt. Der Haß ſolcher beleidigten Damen und die Freude meiner Mutter uͤber die ihnen entzogenen Eroberungen war um ſo groͤßer. Um ja keinen dieſer, Ernſt oder Spaß meinen- den Herren von ſich zu verſcheuchen, geſtattete ſie allen den Zutritt bei ſich, gab artige Souppees, jenen im Gaſthof nicht unaͤhnlich, und kam dann auch mit ihren Bewunderern an mehrgedachte oͤf- fentliche Orte: Welcher von ihnen ſich ſcheute, mit ihr und ihren Geſellſchaftsdamen da zuſammen zu erſcheinen, ward verabſchiedet, und blieb auch wohl, weil er den Spaß uͤberdruͤßig war, ſelbſt weg. Seine Stelle wurde aber bald erſetzt, denn es fehl- te nie an Maͤnnern, und wird nie an ſolchen feh- len, die unter der Entſchuldigung, daß ſo was ei- ner Mannsperſon nicht nachtheilig ſei, ſo klug ſind, die Zirkel der Freudendamen den ſogenannten decen- ten G 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/107
Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/107>, abgerufen am 14.05.2024.