ihr nicht an Liebhabern, welche die Absicht auf eine Verbindung mit ihr hatten. Eben so fand sie An- beter, die blos Geschmack an ihr fanden, denn sie vernachläßigte jetzt ihre Schönheit nicht, gab ihr vielmehr durch die Kunst noch mehr Reiz, und so entzog sie würklich eine Weile so mancher unter den gesitteten Damen einen Gegenstand, den diese ihrer Gunst nicht unwürdig hielt. Der Haß solcher beleidigten Damen und die Freude meiner Mutter über die ihnen entzogenen Eroberungen war um so größer.
Um ja keinen dieser, Ernst oder Spaß meinen- den Herren von sich zu verscheuchen, gestattete sie allen den Zutritt bei sich, gab artige Souppees, jenen im Gasthof nicht unähnlich, und kam dann auch mit ihren Bewunderern an mehrgedachte öf- fentliche Orte: Welcher von ihnen sich scheute, mit ihr und ihren Gesellschaftsdamen da zusammen zu erscheinen, ward verabschiedet, und blieb auch wohl, weil er den Spaß überdrüßig war, selbst weg. Seine Stelle wurde aber bald ersetzt, denn es fehl- te nie an Männern, und wird nie an solchen feh- len, die unter der Entschuldigung, daß so was ei- ner Mannsperson nicht nachtheilig sei, so klug sind, die Zirkel der Freudendamen den sogenannten decen-
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ihr nicht an Liebhabern, welche die Abſicht auf eine Verbindung mit ihr hatten. Eben ſo fand ſie An- beter, die blos Geſchmack an ihr fanden, denn ſie vernachlaͤßigte jetzt ihre Schoͤnheit nicht, gab ihr vielmehr durch die Kunſt noch mehr Reiz, und ſo entzog ſie wuͤrklich eine Weile ſo mancher unter den geſitteten Damen einen Gegenſtand, den dieſe ihrer Gunſt nicht unwuͤrdig hielt. Der Haß ſolcher beleidigten Damen und die Freude meiner Mutter uͤber die ihnen entzogenen Eroberungen war um ſo groͤßer.
Um ja keinen dieſer, Ernſt oder Spaß meinen- den Herren von ſich zu verſcheuchen, geſtattete ſie allen den Zutritt bei ſich, gab artige Souppees, jenen im Gaſthof nicht unaͤhnlich, und kam dann auch mit ihren Bewunderern an mehrgedachte oͤf- fentliche Orte: Welcher von ihnen ſich ſcheute, mit ihr und ihren Geſellſchaftsdamen da zuſammen zu erſcheinen, ward verabſchiedet, und blieb auch wohl, weil er den Spaß uͤberdruͤßig war, ſelbſt weg. Seine Stelle wurde aber bald erſetzt, denn es fehl- te nie an Maͤnnern, und wird nie an ſolchen feh- len, die unter der Entſchuldigung, daß ſo was ei- ner Mannsperſon nicht nachtheilig ſei, ſo klug ſind, die Zirkel der Freudendamen den ſogenannten decen-
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ihr nicht an Liebhabern, welche die Abſicht auf eine
Verbindung mit ihr hatten. Eben ſo fand ſie An-
beter, die blos Geſchmack an ihr fanden, denn ſie
vernachlaͤßigte jetzt ihre Schoͤnheit nicht, gab ihr
vielmehr durch die Kunſt noch mehr Reiz, und ſo
entzog ſie wuͤrklich eine Weile ſo mancher unter
den geſitteten Damen einen Gegenſtand, den dieſe
ihrer Gunſt nicht unwuͤrdig hielt. Der Haß ſolcher
beleidigten Damen und die Freude meiner Mutter
uͤber die ihnen entzogenen Eroberungen war um ſo
groͤßer.
Um ja keinen dieſer, Ernſt oder Spaß meinen-
den Herren von ſich zu verſcheuchen, geſtattete ſie
allen den Zutritt bei ſich, gab artige Souppees,
jenen im Gaſthof nicht unaͤhnlich, und kam dann
auch mit ihren Bewunderern an mehrgedachte oͤf-
fentliche Orte: Welcher von ihnen ſich ſcheute,
mit ihr und ihren Geſellſchaftsdamen da zuſammen
zu erſcheinen, ward verabſchiedet, und blieb auch
wohl, weil er den Spaß uͤberdruͤßig war, ſelbſt weg.
Seine Stelle wurde aber bald erſetzt, denn es fehl-
te nie an Maͤnnern, und wird nie an ſolchen feh-
len, die unter der Entſchuldigung, daß ſo was ei-
ner Mannsperſon nicht nachtheilig ſei, ſo klug ſind,
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/107>, abgerufen am 21.11.2024.
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