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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

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Das Böse giebt gemeiniglich süßen Genuß, ist
folglich verführend, demnach machen wir Thiermen-
schen leicht Proselyten unter den Geistmenschen,
wenn diese irgend in Verbindung mit uns kommen,
und der Fälle, wo dies geschieht, sind mehr als
man glaubte. Selten kehrt einer, so wie es Bonitz
that, zurück, weil es noch Zeit ist; die meisten
von denen, die sich zu uns wenden, oder blindlings
unter uns gerathen, sind wie die Bezauberten der
Circe in ihrem Wahn lange glücklich -- von dem,
was sie, wenn sie ihre Verwandlung einst zu spät be-
merken, empfinden, ist hier nicht die Rede.

Sonach sind wirs im Grunde, die den Ton in
der Welt angeben, geben sie Achtung, Herr Cele-
stin, es wird in wenig Zeit kein ächter Geistmensch
mehr existiren, denn die Epoque ist schon eingetre-
ten, wo man sich in der großen und kleinen Welt
der Religion und der Moral schämt. Die meisten
Eltern von gutem Ton sorgen nur, daß ihre Kinder
keine alberne Rolle in der Welt spielen; von dem,
was sie, Herr Celestin, Tugend, Würde und Pflicht
der Menschen nennen, hören diese Kinder freilich so
obenhin was, aber niemand denkt daran, sie zu be-
lehren, daß es mit der Ausübung Ernst sein müsse.
Jch kenne etliche rechtliche Häuser in etlichen gro-
ßen Städten, wo die Töchter anständig gekleidet

sind,

Das Boͤſe giebt gemeiniglich ſuͤßen Genuß, iſt
folglich verfuͤhrend, demnach machen wir Thiermen-
ſchen leicht Proſelyten unter den Geiſtmenſchen,
wenn dieſe irgend in Verbindung mit uns kommen,
und der Faͤlle, wo dies geſchieht, ſind mehr als
man glaubte. Selten kehrt einer, ſo wie es Bonitz
that, zuruͤck, weil es noch Zeit iſt; die meiſten
von denen, die ſich zu uns wenden, oder blindlings
unter uns gerathen, ſind wie die Bezauberten der
Circe in ihrem Wahn lange gluͤcklich — von dem,
was ſie, wenn ſie ihre Verwandlung einſt zu ſpaͤt be-
merken, empfinden, iſt hier nicht die Rede.

Sonach ſind wirs im Grunde, die den Ton in
der Welt angeben, geben ſie Achtung, Herr Cele-
ſtin, es wird in wenig Zeit kein aͤchter Geiſtmenſch
mehr exiſtiren, denn die Epoque iſt ſchon eingetre-
ten, wo man ſich in der großen und kleinen Welt
der Religion und der Moral ſchaͤmt. Die meiſten
Eltern von gutem Ton ſorgen nur, daß ihre Kinder
keine alberne Rolle in der Welt ſpielen; von dem,
was ſie, Herr Celeſtin, Tugend, Wuͤrde und Pflicht
der Menſchen nennen, hoͤren dieſe Kinder freilich ſo
obenhin was, aber niemand denkt daran, ſie zu be-
lehren, daß es mit der Ausuͤbung Ernſt ſein muͤſſe.
Jch kenne etliche rechtliche Haͤuſer in etlichen gro-
ßen Staͤdten, wo die Toͤchter anſtaͤndig gekleidet

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[105/0109] Das Boͤſe giebt gemeiniglich ſuͤßen Genuß, iſt folglich verfuͤhrend, demnach machen wir Thiermen- ſchen leicht Proſelyten unter den Geiſtmenſchen, wenn dieſe irgend in Verbindung mit uns kommen, und der Faͤlle, wo dies geſchieht, ſind mehr als man glaubte. Selten kehrt einer, ſo wie es Bonitz that, zuruͤck, weil es noch Zeit iſt; die meiſten von denen, die ſich zu uns wenden, oder blindlings unter uns gerathen, ſind wie die Bezauberten der Circe in ihrem Wahn lange gluͤcklich — von dem, was ſie, wenn ſie ihre Verwandlung einſt zu ſpaͤt be- merken, empfinden, iſt hier nicht die Rede. Sonach ſind wirs im Grunde, die den Ton in der Welt angeben, geben ſie Achtung, Herr Cele- ſtin, es wird in wenig Zeit kein aͤchter Geiſtmenſch mehr exiſtiren, denn die Epoque iſt ſchon eingetre- ten, wo man ſich in der großen und kleinen Welt der Religion und der Moral ſchaͤmt. Die meiſten Eltern von gutem Ton ſorgen nur, daß ihre Kinder keine alberne Rolle in der Welt ſpielen; von dem, was ſie, Herr Celeſtin, Tugend, Wuͤrde und Pflicht der Menſchen nennen, hoͤren dieſe Kinder freilich ſo obenhin was, aber niemand denkt daran, ſie zu be- lehren, daß es mit der Ausuͤbung Ernſt ſein muͤſſe. Jch kenne etliche rechtliche Haͤuſer in etlichen gro- ßen Staͤdten, wo die Toͤchter anſtaͤndig gekleidet ſind,

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Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/109>, abgerufen am 14.05.2024.