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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

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Wie sie nach ihrem Tode den Gastwirth Schnitzer
bekam, fuhr ihr der Hochmuthsteufel in den Kopf,
da schrieb sie mir, ich sollte ja nicht zu ihr kommen,
und schickte mir zuweilen etwas. Jch bin ein armes
Weib, welches, wie alle Soldaten-Wittwen, ihr
Brod mit Arbeiten unter den Leuten und mit Wa-
schen verdienen muß, also konnte ich die Beihülfe
wohl brauchen; um sie nun nicht zu verscherzen,
that ich ihr gern den Gefallen, wie sie es verlang-
te, wegzubleiben.

Neulich schreibt sie mir aber da diesen Brief,
(sie brachte ihn zum Vorschein und reichte ihn ei-
nem zunächst sitzenden Kaufmann hin, der ihn der
Gesellschaft vorlas). Er ist nicht von mir, schrie
die Schnitzerinn, das ist eine Narrensposse, die mir
jemand -- Er ist von ihres Sohns Jnformator in
ihrem Namen geschrieben, wie ich eben vorgelesen
habe -- Es ist nicht wahr, durchaus nicht! Aber
ich will gleich nach Hause und den Kerl vorkrie-
gen, ich muß wissen, was dahinter steckt. Durch
das Weinen der alten Frau zum Mitleiden bewogen,
erhoben sich nun mehrere Stimmen, um meiner
Mutter vorzustellen, daß es sein möchte, wie es
wollte, so zeigte sichs doch nun sehr deutlich, diese
Frau sei ihre Mutter, also möchte sie doch der na-
türlichen Kindespflicht Gehör geben, und sie nicht

so
H 4

Wie ſie nach ihrem Tode den Gaſtwirth Schnitzer
bekam, fuhr ihr der Hochmuthsteufel in den Kopf,
da ſchrieb ſie mir, ich ſollte ja nicht zu ihr kommen,
und ſchickte mir zuweilen etwas. Jch bin ein armes
Weib, welches, wie alle Soldaten-Wittwen, ihr
Brod mit Arbeiten unter den Leuten und mit Wa-
ſchen verdienen muß, alſo konnte ich die Beihuͤlfe
wohl brauchen; um ſie nun nicht zu verſcherzen,
that ich ihr gern den Gefallen, wie ſie es verlang-
te, wegzubleiben.

Neulich ſchreibt ſie mir aber da dieſen Brief,
(ſie brachte ihn zum Vorſchein und reichte ihn ei-
nem zunaͤchſt ſitzenden Kaufmann hin, der ihn der
Geſellſchaft vorlas). Er iſt nicht von mir, ſchrie
die Schnitzerinn, das iſt eine Narrenspoſſe, die mir
jemand — Er iſt von ihres Sohns Jnformator in
ihrem Namen geſchrieben, wie ich eben vorgeleſen
habe — Es iſt nicht wahr, durchaus nicht! Aber
ich will gleich nach Hauſe und den Kerl vorkrie-
gen, ich muß wiſſen, was dahinter ſteckt. Durch
das Weinen der alten Frau zum Mitleiden bewogen,
erhoben ſich nun mehrere Stimmen, um meiner
Mutter vorzuſtellen, daß es ſein moͤchte, wie es
wollte, ſo zeigte ſichs doch nun ſehr deutlich, dieſe
Frau ſei ihre Mutter, alſo moͤchte ſie doch der na-
tuͤrlichen Kindespflicht Gehoͤr geben, und ſie nicht

ſo
H 4
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[119/0123] Wie ſie nach ihrem Tode den Gaſtwirth Schnitzer bekam, fuhr ihr der Hochmuthsteufel in den Kopf, da ſchrieb ſie mir, ich ſollte ja nicht zu ihr kommen, und ſchickte mir zuweilen etwas. Jch bin ein armes Weib, welches, wie alle Soldaten-Wittwen, ihr Brod mit Arbeiten unter den Leuten und mit Wa- ſchen verdienen muß, alſo konnte ich die Beihuͤlfe wohl brauchen; um ſie nun nicht zu verſcherzen, that ich ihr gern den Gefallen, wie ſie es verlang- te, wegzubleiben. Neulich ſchreibt ſie mir aber da dieſen Brief, (ſie brachte ihn zum Vorſchein und reichte ihn ei- nem zunaͤchſt ſitzenden Kaufmann hin, der ihn der Geſellſchaft vorlas). Er iſt nicht von mir, ſchrie die Schnitzerinn, das iſt eine Narrenspoſſe, die mir jemand — Er iſt von ihres Sohns Jnformator in ihrem Namen geſchrieben, wie ich eben vorgeleſen habe — Es iſt nicht wahr, durchaus nicht! Aber ich will gleich nach Hauſe und den Kerl vorkrie- gen, ich muß wiſſen, was dahinter ſteckt. Durch das Weinen der alten Frau zum Mitleiden bewogen, erhoben ſich nun mehrere Stimmen, um meiner Mutter vorzuſtellen, daß es ſein moͤchte, wie es wollte, ſo zeigte ſichs doch nun ſehr deutlich, dieſe Frau ſei ihre Mutter, alſo moͤchte ſie doch der na- tuͤrlichen Kindespflicht Gehoͤr geben, und ſie nicht ſo H 4

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Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/123>, abgerufen am 14.05.2024.