Marqueur sagen, sie möchte in Gottes Namen ge- hen, und morgen früh zu ihr hinkommen.
Nein, sagte meine Großmutter, du gottloses Kind, ich werde nicht geben; hast du mich darum den weiten Weg herkommen lassen, und nun hieher bestellt, um mich vor allen Leuten zu beschämen und mich zu verläugnen?
Hier mußte Suschen würklich denken, daß es mit ihrer Mutter rappelte, denn sie wußte von kei- nem kommen lassen, von keinem hieher bestellen. Es war ihr aber lieb, jene so sprechen zu hören, denn indem sie gewiß meinte, sie sei toll worden, schien es ihr desto leichter, die Zuschauer zu ver- blenden. Sie lachte aus vollem Halse, schlug sich dann vor die Brust, als sollte ihr Gott vergeben, daß sie eine verrückte Person auslachte, und sag- te: nein, es ist nicht zum Lachen, aber das beste ist, sie wegzuschaffen.
Rabentochter, schrie meine Großmutter, denkst du nicht, daß Gott dich strafen wird? Meine Her- ren und Damen, ich bin nicht vom Verstande, das Weib da habe ich unter meinem Herzen getragen, ich brachte sie mit in diese Stadt, wo die selige Frau Schnitzerinn sich ihrer annahm und sie in ihren Diensten behielt.
Wie
Marqueur ſagen, ſie moͤchte in Gottes Namen ge- hen, und morgen fruͤh zu ihr hinkommen.
Nein, ſagte meine Großmutter, du gottloſes Kind, ich werde nicht geben; haſt du mich darum den weiten Weg herkommen laſſen, und nun hieher beſtellt, um mich vor allen Leuten zu beſchaͤmen und mich zu verlaͤugnen?
Hier mußte Suschen wuͤrklich denken, daß es mit ihrer Mutter rappelte, denn ſie wußte von kei- nem kommen laſſen, von keinem hieher beſtellen. Es war ihr aber lieb, jene ſo ſprechen zu hoͤren, denn indem ſie gewiß meinte, ſie ſei toll worden, ſchien es ihr deſto leichter, die Zuſchauer zu ver- blenden. Sie lachte aus vollem Halſe, ſchlug ſich dann vor die Bruſt, als ſollte ihr Gott vergeben, daß ſie eine verruͤckte Perſon auslachte, und ſag- te: nein, es iſt nicht zum Lachen, aber das beſte iſt, ſie wegzuſchaffen.
Rabentochter, ſchrie meine Großmutter, denkſt du nicht, daß Gott dich ſtrafen wird? Meine Her- ren und Damen, ich bin nicht vom Verſtande, das Weib da habe ich unter meinem Herzen getragen, ich brachte ſie mit in dieſe Stadt, wo die ſelige Frau Schnitzerinn ſich ihrer annahm und ſie in ihren Dienſten behielt.
Wie
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Marqueur ſagen, ſie moͤchte in Gottes Namen ge-
hen, und morgen fruͤh zu ihr hinkommen.
Nein, ſagte meine Großmutter, du gottloſes
Kind, ich werde nicht geben; haſt du mich darum
den weiten Weg herkommen laſſen, und nun hieher
beſtellt, um mich vor allen Leuten zu beſchaͤmen
und mich zu verlaͤugnen?
Hier mußte Suschen wuͤrklich denken, daß es
mit ihrer Mutter rappelte, denn ſie wußte von kei-
nem kommen laſſen, von keinem hieher beſtellen.
Es war ihr aber lieb, jene ſo ſprechen zu hoͤren,
denn indem ſie gewiß meinte, ſie ſei toll worden,
ſchien es ihr deſto leichter, die Zuſchauer zu ver-
blenden. Sie lachte aus vollem Halſe, ſchlug ſich
dann vor die Bruſt, als ſollte ihr Gott vergeben,
daß ſie eine verruͤckte Perſon auslachte, und ſag-
te: nein, es iſt nicht zum Lachen, aber das beſte
iſt, ſie wegzuſchaffen.
Rabentochter, ſchrie meine Großmutter, denkſt
du nicht, daß Gott dich ſtrafen wird? Meine Her-
ren und Damen, ich bin nicht vom Verſtande, das
Weib da habe ich unter meinem Herzen getragen,
ich brachte ſie mit in dieſe Stadt, wo die ſelige
Frau Schnitzerinn ſich ihrer annahm und ſie in
ihren Dienſten behielt.
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/122>, abgerufen am 21.11.2024.
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