Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

Lebrechten, er ließ mehrmals seine Empfindlichkeit
darüber aus. Da Madam dies nicht verstehen woll-
te, und nach ihrer Weise fortfuhr, welches gemei-
niglich als Refrain auf die Schimpfrede, die sie
Nullen hielt, geschah, so bat sie Lebrecht deutlich,
ihn mit ihren Complimenten, die sich mehr für
einen Dienstboten, als für einen Erzieher schickten,
zu verschonen. Wird, setzte er hinzu, ihr Sohn
fortfahren, wie er sich anläßt, so habe ich Hoff-
nung, noch etwas gutes aus ihm zu erziehen, und
das soll mir Freude machen, so wie Sie es mir
danken müssen, und er selbst einst thun wird.

Diese hochmüthigen Worte verdrossen die Frau
Prinzipalinn; zwar hatte sich Lebrecht auch bei ihr
in ein solches Ansehen gesetzt, daß sie diesen Ver-
druß meist verbiß, aber sie ward ihm von dem Au-
genblick an gram.

Besagter Zufall fiel in die Zeit, wo ich ihn
und seine Aufsicht bereits überdrüßig war, und
mich nach meiner vorigen Freiheit sehnte, welche
Empfindung sich gegen das Ende des ersten Monats
einstellte. Nun begann ich nicht mehr so aufmerk-
sam wie vorhin zu sein, und nahm mir die Frei-
heit, länger wegzubleiben, wenn ich etwa nothwen-
dig weggehen mußte. Meist lief ich dann zur Mut-
ter, um etwas bei ihr zu fordern, dabei trieb ich

sie
K 3

Lebrechten, er ließ mehrmals ſeine Empfindlichkeit
daruͤber aus. Da Madam dies nicht verſtehen woll-
te, und nach ihrer Weiſe fortfuhr, welches gemei-
niglich als Refrain auf die Schimpfrede, die ſie
Nullen hielt, geſchah, ſo bat ſie Lebrecht deutlich,
ihn mit ihren Complimenten, die ſich mehr fuͤr
einen Dienſtboten, als fuͤr einen Erzieher ſchickten,
zu verſchonen. Wird, ſetzte er hinzu, ihr Sohn
fortfahren, wie er ſich anlaͤßt, ſo habe ich Hoff-
nung, noch etwas gutes aus ihm zu erziehen, und
das ſoll mir Freude machen, ſo wie Sie es mir
danken muͤſſen, und er ſelbſt einſt thun wird.

Dieſe hochmuͤthigen Worte verdroſſen die Frau
Prinzipalinn; zwar hatte ſich Lebrecht auch bei ihr
in ein ſolches Anſehen geſetzt, daß ſie dieſen Ver-
druß meiſt verbiß, aber ſie ward ihm von dem Au-
genblick an gram.

Beſagter Zufall fiel in die Zeit, wo ich ihn
und ſeine Aufſicht bereits uͤberdruͤßig war, und
mich nach meiner vorigen Freiheit ſehnte, welche
Empfindung ſich gegen das Ende des erſten Monats
einſtellte. Nun begann ich nicht mehr ſo aufmerk-
ſam wie vorhin zu ſein, und nahm mir die Frei-
heit, laͤnger wegzubleiben, wenn ich etwa nothwen-
dig weggehen mußte. Meiſt lief ich dann zur Mut-
ter, um etwas bei ihr zu fordern, dabei trieb ich

ſie
K 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0153" n="149"/>
Lebrechten, er ließ mehrmals &#x017F;eine Empfindlichkeit<lb/>
daru&#x0364;ber aus. Da Madam dies nicht ver&#x017F;tehen woll-<lb/>
te, und nach ihrer Wei&#x017F;e fortfuhr, welches gemei-<lb/>
niglich als Refrain auf die Schimpfrede, die &#x017F;ie<lb/>
Nullen hielt, ge&#x017F;chah, &#x017F;o bat &#x017F;ie Lebrecht deutlich,<lb/>
ihn mit ihren Complimenten, die &#x017F;ich mehr fu&#x0364;r<lb/>
einen Dien&#x017F;tboten, als fu&#x0364;r einen Erzieher &#x017F;chickten,<lb/>
zu ver&#x017F;chonen. Wird, &#x017F;etzte er hinzu, ihr Sohn<lb/>
fortfahren, wie er &#x017F;ich anla&#x0364;ßt, &#x017F;o habe ich Hoff-<lb/>
nung, noch etwas gutes aus ihm zu erziehen, und<lb/>
das &#x017F;oll mir Freude machen, &#x017F;o wie Sie es mir<lb/>
danken mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, und er &#x017F;elb&#x017F;t ein&#x017F;t thun wird.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;e hochmu&#x0364;thigen Worte verdro&#x017F;&#x017F;en die Frau<lb/>
Prinzipalinn; zwar hatte &#x017F;ich Lebrecht auch bei ihr<lb/>
in ein &#x017F;olches An&#x017F;ehen ge&#x017F;etzt, daß &#x017F;ie die&#x017F;en Ver-<lb/>
druß mei&#x017F;t verbiß, aber &#x017F;ie ward ihm von dem Au-<lb/>
genblick an gram.</p><lb/>
        <p>Be&#x017F;agter Zufall fiel in die Zeit, wo ich ihn<lb/>
und &#x017F;eine Auf&#x017F;icht bereits u&#x0364;berdru&#x0364;ßig war, und<lb/>
mich nach meiner vorigen Freiheit &#x017F;ehnte, welche<lb/>
Empfindung &#x017F;ich gegen das Ende des er&#x017F;ten Monats<lb/>
ein&#x017F;tellte. Nun begann ich nicht mehr &#x017F;o aufmerk-<lb/>
&#x017F;am wie vorhin zu &#x017F;ein, und nahm mir die Frei-<lb/>
heit, la&#x0364;nger wegzubleiben, wenn ich etwa nothwen-<lb/>
dig weggehen mußte. Mei&#x017F;t lief ich dann zur Mut-<lb/>
ter, um etwas bei ihr zu fordern, dabei trieb ich<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K 3</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ie</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[149/0153] Lebrechten, er ließ mehrmals ſeine Empfindlichkeit daruͤber aus. Da Madam dies nicht verſtehen woll- te, und nach ihrer Weiſe fortfuhr, welches gemei- niglich als Refrain auf die Schimpfrede, die ſie Nullen hielt, geſchah, ſo bat ſie Lebrecht deutlich, ihn mit ihren Complimenten, die ſich mehr fuͤr einen Dienſtboten, als fuͤr einen Erzieher ſchickten, zu verſchonen. Wird, ſetzte er hinzu, ihr Sohn fortfahren, wie er ſich anlaͤßt, ſo habe ich Hoff- nung, noch etwas gutes aus ihm zu erziehen, und das ſoll mir Freude machen, ſo wie Sie es mir danken muͤſſen, und er ſelbſt einſt thun wird. Dieſe hochmuͤthigen Worte verdroſſen die Frau Prinzipalinn; zwar hatte ſich Lebrecht auch bei ihr in ein ſolches Anſehen geſetzt, daß ſie dieſen Ver- druß meiſt verbiß, aber ſie ward ihm von dem Au- genblick an gram. Beſagter Zufall fiel in die Zeit, wo ich ihn und ſeine Aufſicht bereits uͤberdruͤßig war, und mich nach meiner vorigen Freiheit ſehnte, welche Empfindung ſich gegen das Ende des erſten Monats einſtellte. Nun begann ich nicht mehr ſo aufmerk- ſam wie vorhin zu ſein, und nahm mir die Frei- heit, laͤnger wegzubleiben, wenn ich etwa nothwen- dig weggehen mußte. Meiſt lief ich dann zur Mut- ter, um etwas bei ihr zu fordern, dabei trieb ich ſie K 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/153
Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/153>, abgerufen am 15.05.2024.