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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

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fahrt während den Lehrstunden so geflissentlich als
möglich geschehen war, erfüllte er sein Versprechen
wegen des Kniens, und gieng allein zu Tische. Jch
kniete recht gern hin; neugierig auf das Verhalten
meiner Mutter bei meinem Aufenbleiben, stand ich
auch nicht auf, als Lebrecht weg war und mich ein-
geschlossen hatte. Er mochte dies nicht vermuthen,
ohne Zweifel aber war es ihm gleich viel, ob ich in
der mir angewiesenen Stellung blieb, oder sie ver-
ließ, da er eigentlich weniger Strafe für mich, als
Veruneinigung mit seiner Frau Prinzipalinn im
Sinn hatte. Was mich betraf, so hatte ich hin-
längliche Kenntniß von ihrer Art zu handeln, um
nicht zu zweifeln, daß sie die Sache sehr übel auf-
nehmen, und sogleich gerannt kommen würde, mich
zu befreien; es maßte die beste Würkung für mich
haben, wenn sie mich wie ein geduldiges Lamm da
kniend finden würde.

Meine Gabe vorauszusehen, wie dies und jenes
kommen würde, betrog mich auch diesmal nicht;
ich hörte die Stimme der rettenden Mutter, sie
ward lauter und kam näher, bis sie endlich selbst
herein trat, mich aufhob und weinend sagte: der
arme Wurm, wie er sich alles gesallen läßt! --
komm, Goldfritzel, und sei ruhig, deine Mamma
wird dich nicht so tractiren lassen. Wir wollen

doch

fahrt waͤhrend den Lehrſtunden ſo gefliſſentlich als
moͤglich geſchehen war, erfuͤllte er ſein Verſprechen
wegen des Kniens, und gieng allein zu Tiſche. Jch
kniete recht gern hin; neugierig auf das Verhalten
meiner Mutter bei meinem Aufenbleiben, ſtand ich
auch nicht auf, als Lebrecht weg war und mich ein-
geſchloſſen hatte. Er mochte dies nicht vermuthen,
ohne Zweifel aber war es ihm gleich viel, ob ich in
der mir angewieſenen Stellung blieb, oder ſie ver-
ließ, da er eigentlich weniger Strafe fuͤr mich, als
Veruneinigung mit ſeiner Frau Prinzipalinn im
Sinn hatte. Was mich betraf, ſo hatte ich hin-
laͤngliche Kenntniß von ihrer Art zu handeln, um
nicht zu zweifeln, daß ſie die Sache ſehr uͤbel auf-
nehmen, und ſogleich gerannt kommen wuͤrde, mich
zu befreien; es maßte die beſte Wuͤrkung fuͤr mich
haben, wenn ſie mich wie ein geduldiges Lamm da
kniend finden wuͤrde.

Meine Gabe vorauszuſehen, wie dies und jenes
kommen wuͤrde, betrog mich auch diesmal nicht;
ich hoͤrte die Stimme der rettenden Mutter, ſie
ward lauter und kam naͤher, bis ſie endlich ſelbſt
herein trat, mich aufhob und weinend ſagte: der
arme Wurm, wie er ſich alles geſallen laͤßt! —
komm, Goldfritzel, und ſei ruhig, deine Mamma
wird dich nicht ſo tractiren laſſen. Wir wollen

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[152/0156] fahrt waͤhrend den Lehrſtunden ſo gefliſſentlich als moͤglich geſchehen war, erfuͤllte er ſein Verſprechen wegen des Kniens, und gieng allein zu Tiſche. Jch kniete recht gern hin; neugierig auf das Verhalten meiner Mutter bei meinem Aufenbleiben, ſtand ich auch nicht auf, als Lebrecht weg war und mich ein- geſchloſſen hatte. Er mochte dies nicht vermuthen, ohne Zweifel aber war es ihm gleich viel, ob ich in der mir angewieſenen Stellung blieb, oder ſie ver- ließ, da er eigentlich weniger Strafe fuͤr mich, als Veruneinigung mit ſeiner Frau Prinzipalinn im Sinn hatte. Was mich betraf, ſo hatte ich hin- laͤngliche Kenntniß von ihrer Art zu handeln, um nicht zu zweifeln, daß ſie die Sache ſehr uͤbel auf- nehmen, und ſogleich gerannt kommen wuͤrde, mich zu befreien; es maßte die beſte Wuͤrkung fuͤr mich haben, wenn ſie mich wie ein geduldiges Lamm da kniend finden wuͤrde. Meine Gabe vorauszuſehen, wie dies und jenes kommen wuͤrde, betrog mich auch diesmal nicht; ich hoͤrte die Stimme der rettenden Mutter, ſie ward lauter und kam naͤher, bis ſie endlich ſelbſt herein trat, mich aufhob und weinend ſagte: der arme Wurm, wie er ſich alles geſallen laͤßt! — komm, Goldfritzel, und ſei ruhig, deine Mamma wird dich nicht ſo tractiren laſſen. Wir wollen doch

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Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/156>, abgerufen am 23.11.2024.