Meine Mutter gab ihnen denselben reichlich, und das weil sie hoffte, einer davon könne leicht ihr künftiger Gemahl werden. Da sie noch nicht wußte, welchen sie wählen, oder besser, welcher Einsicht und Geschmack genug haben würde, als Liebhaber und Heirather bei ihr aufzutreten, so war sie gegen alle sehr artig, that alles, was sie konnte, um ihre Herzen in Brand zu setzen, und war diesen Tag von der besten Laune; sie spielte mehr als eine Rolle, alles was sie von den weiblichen Mitgliedern des Soupee spirituel und von den Da- men, die sie in den Bädern kennen lernte, gesehen hatte, ahmte sie wechselsweise glücklich oder un- glücklich nach, mitunter spielte sie dann auch die sanfts und empfindsame Heldinn aus Buschens ihr einst geschenkten Roman.
Somit gab sie wirklich ihren Gästen ein belu- stigendes Schauspiel, die jungen Herren übernah- men, um ihm noch mehr Lebhaftigkeit zu geben, jeder eine Rolle dabei, und Madam Suschen wei- dete sich einige Zeit nachher in dem Wahn, daß sie alle verliebt in sie wären, und es wohl leicht noch zum Blutvergießen ihrentwegen kommen wür- de. Jn dieser festgefaßten Meinung räsonnirte sie nur auf diejenigen Häuser, aus denen niemand bei ihrem Diner erschienen war, welche keine Söhne
hatten;
Meine Mutter gab ihnen denſelben reichlich, und das weil ſie hoffte, einer davon koͤnne leicht ihr kuͤnftiger Gemahl werden. Da ſie noch nicht wußte, welchen ſie waͤhlen, oder beſſer, welcher Einſicht und Geſchmack genug haben wuͤrde, als Liebhaber und Heirather bei ihr aufzutreten, ſo war ſie gegen alle ſehr artig, that alles, was ſie konnte, um ihre Herzen in Brand zu ſetzen, und war dieſen Tag von der beſten Laune; ſie ſpielte mehr als eine Rolle, alles was ſie von den weiblichen Mitgliedern des Soupee ſpirituel und von den Da- men, die ſie in den Baͤdern kennen lernte, geſehen hatte, ahmte ſie wechſelsweiſe gluͤcklich oder un- gluͤcklich nach, mitunter ſpielte ſie dann auch die ſanfts und empfindſame Heldinn aus Buſchens ihr einſt geſchenkten Roman.
Somit gab ſie wirklich ihren Gaͤſten ein belu- ſtigendes Schauſpiel, die jungen Herren uͤbernah- men, um ihm noch mehr Lebhaftigkeit zu geben, jeder eine Rolle dabei, und Madam Suschen wei- dete ſich einige Zeit nachher in dem Wahn, daß ſie alle verliebt in ſie waͤren, und es wohl leicht noch zum Blutvergießen ihrentwegen kommen wuͤr- de. Jn dieſer feſtgefaßten Meinung raͤſonnirte ſie nur auf diejenigen Haͤuſer, aus denen niemand bei ihrem Diner erſchienen war, welche keine Soͤhne
hatten;
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Meine Mutter gab ihnen denſelben reichlich,
und das weil ſie hoffte, einer davon koͤnne leicht
ihr kuͤnftiger Gemahl werden. Da ſie noch nicht
wußte, welchen ſie waͤhlen, oder beſſer, welcher
Einſicht und Geſchmack genug haben wuͤrde, als
Liebhaber und Heirather bei ihr aufzutreten, ſo
war ſie gegen alle ſehr artig, that alles, was ſie
konnte, um ihre Herzen in Brand zu ſetzen, und war
dieſen Tag von der beſten Laune; ſie ſpielte mehr
als eine Rolle, alles was ſie von den weiblichen
Mitgliedern des Soupee ſpirituel und von den Da-
men, die ſie in den Baͤdern kennen lernte, geſehen
hatte, ahmte ſie wechſelsweiſe gluͤcklich oder un-
gluͤcklich nach, mitunter ſpielte ſie dann auch die
ſanfts und empfindſame Heldinn aus Buſchens ihr
einſt geſchenkten Roman.
Somit gab ſie wirklich ihren Gaͤſten ein belu-
ſtigendes Schauſpiel, die jungen Herren uͤbernah-
men, um ihm noch mehr Lebhaftigkeit zu geben,
jeder eine Rolle dabei, und Madam Suschen wei-
dete ſich einige Zeit nachher in dem Wahn, daß
ſie alle verliebt in ſie waͤren, und es wohl leicht
noch zum Blutvergießen ihrentwegen kommen wuͤr-
de. Jn dieſer feſtgefaßten Meinung raͤſonnirte ſie
nur auf diejenigen Haͤuſer, aus denen niemand bei
ihrem Diner erſchienen war, welche keine Soͤhne
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/191>, abgerufen am 23.11.2024.
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