Eben so beflissen war sie, sich in ihrer Nach- barschaft Hochachtung zu erwerben. Es traf sich, daß die Besitzer der Güther, außer Reitmanns, rings umher zu dem vornehmen, begütherten und stolzen Adel gehörten, aber meine Mutter dünkte sich ihnen jetzt schon meist gleich, und ihrem Ent- schluß nach, keinen andern als einen Edelmann zum zweiten Gatten zu wählen, war sie nahe dar- an, es ganz zu werden. Sie gab, da sie auf ihrem Guthe eingerichtet war, Besuche, ward angenom- men, und hielt sich an jedem Orte über die Gebühr einer ersten Visite auf, erhielt Gegenvisiten, die dagegen sehr abgekürzt waren, und nahm schon das, noch mehr aber das entfernende Betragen der adeli- chen Herrschaften übel. Dennoch überwand sie ihre Empfindlichkeit darüber sowohl als ihre Neigung zur Sparsamkeit, und stellte ein mächtig großes Gastgeboth an, bei dem sie alle ihre Herrlichkeiten zeigen wollte. Aber fast alle ließen sich entschuldi- gen, nur ein Haus, welches wegen bisher obgewal- teter Grenzstreitigkeiten Jnteresse hatte, mit Madam Schnitzer in gutem Vernehmen zu stehen, erschien, und aus einigen wollten junge Herren, die eben zu Hause waren, die Gelegenheit nicht vorbei lassen, bei der Frau, die schon von allen Seiten in der Ge- gend bekannt war, Stoff zum Lachen zu sammeln.
Meine
Eben ſo befliſſen war ſie, ſich in ihrer Nach- barſchaft Hochachtung zu erwerben. Es traf ſich, daß die Beſitzer der Guͤther, außer Reitmanns, rings umher zu dem vornehmen, beguͤtherten und ſtolzen Adel gehoͤrten, aber meine Mutter duͤnkte ſich ihnen jetzt ſchon meiſt gleich, und ihrem Ent- ſchluß nach, keinen andern als einen Edelmann zum zweiten Gatten zu waͤhlen, war ſie nahe dar- an, es ganz zu werden. Sie gab, da ſie auf ihrem Guthe eingerichtet war, Beſuche, ward angenom- men, und hielt ſich an jedem Orte uͤber die Gebuͤhr einer erſten Viſite auf, erhielt Gegenviſiten, die dagegen ſehr abgekuͤrzt waren, und nahm ſchon das, noch mehr aber das entfernende Betragen der adeli- chen Herrſchaften uͤbel. Dennoch uͤberwand ſie ihre Empfindlichkeit daruͤber ſowohl als ihre Neigung zur Sparſamkeit, und ſtellte ein maͤchtig großes Gaſtgeboth an, bei dem ſie alle ihre Herrlichkeiten zeigen wollte. Aber faſt alle ließen ſich entſchuldi- gen, nur ein Haus, welches wegen bisher obgewal- teter Grenzſtreitigkeiten Jntereſſe hatte, mit Madam Schnitzer in gutem Vernehmen zu ſtehen, erſchien, und aus einigen wollten junge Herren, die eben zu Hauſe waren, die Gelegenheit nicht vorbei laſſen, bei der Frau, die ſchon von allen Seiten in der Ge- gend bekannt war, Stoff zum Lachen zu ſammeln.
Meine
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Eben ſo befliſſen war ſie, ſich in ihrer Nach-
barſchaft Hochachtung zu erwerben. Es traf ſich,
daß die Beſitzer der Guͤther, außer Reitmanns,
rings umher zu dem vornehmen, beguͤtherten und
ſtolzen Adel gehoͤrten, aber meine Mutter duͤnkte
ſich ihnen jetzt ſchon meiſt gleich, und ihrem Ent-
ſchluß nach, keinen andern als einen Edelmann
zum zweiten Gatten zu waͤhlen, war ſie nahe dar-
an, es ganz zu werden. Sie gab, da ſie auf ihrem
Guthe eingerichtet war, Beſuche, ward angenom-
men, und hielt ſich an jedem Orte uͤber die Gebuͤhr
einer erſten Viſite auf, erhielt Gegenviſiten, die
dagegen ſehr abgekuͤrzt waren, und nahm ſchon das,
noch mehr aber das entfernende Betragen der adeli-
chen Herrſchaften uͤbel. Dennoch uͤberwand ſie ihre
Empfindlichkeit daruͤber ſowohl als ihre Neigung
zur Sparſamkeit, und ſtellte ein maͤchtig großes
Gaſtgeboth an, bei dem ſie alle ihre Herrlichkeiten
zeigen wollte. Aber faſt alle ließen ſich entſchuldi-
gen, nur ein Haus, welches wegen bisher obgewal-
teter Grenzſtreitigkeiten Jntereſſe hatte, mit Madam
Schnitzer in gutem Vernehmen zu ſtehen, erſchien,
und aus einigen wollten junge Herren, die eben zu
Hauſe waren, die Gelegenheit nicht vorbei laſſen,
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/190>, abgerufen am 23.11.2024.
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