Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

sich in Erwartung des Barons und des Grafen so
elegant kleidete, welches sie doch nicht Wort ha-
ben wollte.

Es erklärte sich aber leider, daß der Lieutenant
vollkommen recht hatte, denn siehe da, die Herren,
auf deren Zurückkunft Suschen so lange vergebens
geharret hatte, reisten ab, ohne nur noch einmal
nach ihr zu fragen. Nicht wenig schmerzte dies
ihr zärtliches und hochstrebendes Herz, und der
Schmerz ward größer, da sie erkundet hatte, daß
dieser an dem Hof, jener bei einem Gesandschafts-
posten u. s. w. angestellt sei. Doch der Jammer
über zu Wasser gewordene Einbildung verwandelte
sich bald in Wuth und bittere Galle, die sie an den
Eltern und Verwandten der Verbrecher ausließ.
Diese hatten sie nicht wieder bitten lassen, und
wichen ihr, wenn sich ohngefähre Zusammenkunft
traf, geflissentlich aus; es war billig, daß meine
Mutter für eine solche Geringschätzung nach allen
ihren Fähigkeiten auf sie lästerte, und alle Bruch-
stücke von dem, was sie hin und her, die Umstän-
de, so wie die Moralgeschichte dieser Häuser be-
treffend, erfahren hatte, sammelte, um sie nun
vermehrt und verbessert aufs neue auszugeben. Jn
dieses vortreffliche Werk wurden auch andere Häu-
ser, welche zwar keine Söhne hatten, von denen

Madam

ſich in Erwartung des Barons und des Grafen ſo
elegant kleidete, welches ſie doch nicht Wort ha-
ben wollte.

Es erklaͤrte ſich aber leider, daß der Lieutenant
vollkommen recht hatte, denn ſiehe da, die Herren,
auf deren Zuruͤckkunft Suschen ſo lange vergebens
geharret hatte, reiſten ab, ohne nur noch einmal
nach ihr zu fragen. Nicht wenig ſchmerzte dies
ihr zaͤrtliches und hochſtrebendes Herz, und der
Schmerz ward groͤßer, da ſie erkundet hatte, daß
dieſer an dem Hof, jener bei einem Geſandſchafts-
poſten u. ſ. w. angeſtellt ſei. Doch der Jammer
uͤber zu Waſſer gewordene Einbildung verwandelte
ſich bald in Wuth und bittere Galle, die ſie an den
Eltern und Verwandten der Verbrecher ausließ.
Dieſe hatten ſie nicht wieder bitten laſſen, und
wichen ihr, wenn ſich ohngefaͤhre Zuſammenkunft
traf, gefliſſentlich aus; es war billig, daß meine
Mutter fuͤr eine ſolche Geringſchaͤtzung nach allen
ihren Faͤhigkeiten auf ſie laͤſterte, und alle Bruch-
ſtuͤcke von dem, was ſie hin und her, die Umſtaͤn-
de, ſo wie die Moralgeſchichte dieſer Haͤuſer be-
treffend, erfahren hatte, ſammelte, um ſie nun
vermehrt und verbeſſert aufs neue auszugeben. Jn
dieſes vortreffliche Werk wurden auch andere Haͤu-
ſer, welche zwar keine Soͤhne hatten, von denen

Madam
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0198" n="194"/>
&#x017F;ich in Erwartung des Barons und des Grafen &#x017F;o<lb/>
elegant kleidete, welches &#x017F;ie doch nicht Wort ha-<lb/>
ben wollte.</p><lb/>
        <p>Es erkla&#x0364;rte &#x017F;ich aber leider, daß der Lieutenant<lb/>
vollkommen recht hatte, denn &#x017F;iehe da, die Herren,<lb/>
auf deren Zuru&#x0364;ckkunft Suschen &#x017F;o lange vergebens<lb/>
geharret hatte, rei&#x017F;ten ab, ohne nur noch einmal<lb/>
nach ihr zu fragen. Nicht wenig &#x017F;chmerzte dies<lb/>
ihr za&#x0364;rtliches und hoch&#x017F;trebendes Herz, und der<lb/>
Schmerz ward gro&#x0364;ßer, da &#x017F;ie erkundet hatte, daß<lb/>
die&#x017F;er an dem Hof, jener bei einem Ge&#x017F;and&#x017F;chafts-<lb/>
po&#x017F;ten u. &#x017F;. w. ange&#x017F;tellt &#x017F;ei. Doch der Jammer<lb/>
u&#x0364;ber zu Wa&#x017F;&#x017F;er gewordene Einbildung verwandelte<lb/>
&#x017F;ich bald in Wuth und bittere Galle, die &#x017F;ie an den<lb/>
Eltern und Verwandten der Verbrecher ausließ.<lb/>
Die&#x017F;e hatten &#x017F;ie nicht wieder bitten la&#x017F;&#x017F;en, und<lb/>
wichen ihr, wenn &#x017F;ich ohngefa&#x0364;hre Zu&#x017F;ammenkunft<lb/>
traf, gefli&#x017F;&#x017F;entlich aus; es war billig, daß meine<lb/>
Mutter fu&#x0364;r eine &#x017F;olche Gering&#x017F;cha&#x0364;tzung nach allen<lb/>
ihren Fa&#x0364;higkeiten auf &#x017F;ie la&#x0364;&#x017F;terte, und alle Bruch-<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;cke von dem, was &#x017F;ie hin und her, die Um&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
de, &#x017F;o wie die Moralge&#x017F;chichte die&#x017F;er Ha&#x0364;u&#x017F;er be-<lb/>
treffend, erfahren hatte, &#x017F;ammelte, um &#x017F;ie nun<lb/>
vermehrt und verbe&#x017F;&#x017F;ert aufs neue auszugeben. Jn<lb/>
die&#x017F;es vortreffliche Werk wurden auch andere Ha&#x0364;u-<lb/>
&#x017F;er, welche zwar keine So&#x0364;hne hatten, von denen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Madam</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[194/0198] ſich in Erwartung des Barons und des Grafen ſo elegant kleidete, welches ſie doch nicht Wort ha- ben wollte. Es erklaͤrte ſich aber leider, daß der Lieutenant vollkommen recht hatte, denn ſiehe da, die Herren, auf deren Zuruͤckkunft Suschen ſo lange vergebens geharret hatte, reiſten ab, ohne nur noch einmal nach ihr zu fragen. Nicht wenig ſchmerzte dies ihr zaͤrtliches und hochſtrebendes Herz, und der Schmerz ward groͤßer, da ſie erkundet hatte, daß dieſer an dem Hof, jener bei einem Geſandſchafts- poſten u. ſ. w. angeſtellt ſei. Doch der Jammer uͤber zu Waſſer gewordene Einbildung verwandelte ſich bald in Wuth und bittere Galle, die ſie an den Eltern und Verwandten der Verbrecher ausließ. Dieſe hatten ſie nicht wieder bitten laſſen, und wichen ihr, wenn ſich ohngefaͤhre Zuſammenkunft traf, gefliſſentlich aus; es war billig, daß meine Mutter fuͤr eine ſolche Geringſchaͤtzung nach allen ihren Faͤhigkeiten auf ſie laͤſterte, und alle Bruch- ſtuͤcke von dem, was ſie hin und her, die Umſtaͤn- de, ſo wie die Moralgeſchichte dieſer Haͤuſer be- treffend, erfahren hatte, ſammelte, um ſie nun vermehrt und verbeſſert aufs neue auszugeben. Jn dieſes vortreffliche Werk wurden auch andere Haͤu- ſer, welche zwar keine Soͤhne hatten, von denen Madam

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/198
Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/198>, abgerufen am 15.05.2024.