hauptete, daß man einen Sohn, für dessen Bestes man sorgte, wohl zwingen, und wenn er sich gar zu halsstarrig bewies, mit Entsagung und Enterbung bedrohen könnte.
Das Schicksal vermittelte diese Sache auf eine unerwartete Art; Heinrich fand seinen Vater den der Schlag gerührt hatte schon mit dem Tode ringen, blieb also mit der ernstlichen Zumuthung, mein Stiefvater zu werden, verschont, und von Stund an hörte nicht nur jede Bewerbung um meine Mutter, sondern auch der Umgang mit ihr völlig auf. Um ihr bald den Jrrthum zu beneh- men, daß er sich als Bewerber einstellen würde, erklärte Heinrich Reitmann, wenig Wochen nach seines Vaters Tode, daß er eine Predigers-Toch- ter, die er liebte, heirathen, und in den Pacht sei- nes Vaters treten würde; boshafter Weise meldete er dies meiner Mutter selbst bei dem ersten und letzten Besuche, den er ihr nach seines Vaters Tode gab. Sie hatte einen ganz andern Zweck dieses Besuchs vermuthet, und barg, als sie das Wahre erfuhr, die Bosheit, sich abermals verschmäht zu sehen, nur schlecht; Entschädigung dafür fand sie, wie gewöhnlich, durch Spott und Lästerung auf die Reitmannsche Familie, sie konnte nun nicht erwar- ten, daß sie Heinrichs Braut kennen lernte, und
setzte
2 r Theil. O
hauptete, daß man einen Sohn, fuͤr deſſen Beſtes man ſorgte, wohl zwingen, und wenn er ſich gar zu halsſtarrig bewies, mit Entſagung und Enterbung bedrohen koͤnnte.
Das Schickſal vermittelte dieſe Sache auf eine unerwartete Art; Heinrich fand ſeinen Vater den der Schlag geruͤhrt hatte ſchon mit dem Tode ringen, blieb alſo mit der ernſtlichen Zumuthung, mein Stiefvater zu werden, verſchont, und von Stund an hoͤrte nicht nur jede Bewerbung um meine Mutter, ſondern auch der Umgang mit ihr voͤllig auf. Um ihr bald den Jrrthum zu beneh- men, daß er ſich als Bewerber einſtellen wuͤrde, erklaͤrte Heinrich Reitmann, wenig Wochen nach ſeines Vaters Tode, daß er eine Predigers-Toch- ter, die er liebte, heirathen, und in den Pacht ſei- nes Vaters treten wuͤrde; boshafter Weiſe meldete er dies meiner Mutter ſelbſt bei dem erſten und letzten Beſuche, den er ihr nach ſeines Vaters Tode gab. Sie hatte einen ganz andern Zweck dieſes Beſuchs vermuthet, und barg, als ſie das Wahre erfuhr, die Bosheit, ſich abermals verſchmaͤht zu ſehen, nur ſchlecht; Entſchaͤdigung dafuͤr fand ſie, wie gewoͤhnlich, durch Spott und Laͤſterung auf die Reitmannſche Familie, ſie konnte nun nicht erwar- ten, daß ſie Heinrichs Braut kennen lernte, und
ſetzte
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hauptete, daß man einen Sohn, fuͤr deſſen Beſtes
man ſorgte, wohl zwingen, und wenn er ſich gar zu
halsſtarrig bewies, mit Entſagung und Enterbung
bedrohen koͤnnte.
Das Schickſal vermittelte dieſe Sache auf
eine unerwartete Art; Heinrich fand ſeinen Vater
den der Schlag geruͤhrt hatte ſchon mit dem Tode
ringen, blieb alſo mit der ernſtlichen Zumuthung,
mein Stiefvater zu werden, verſchont, und von
Stund an hoͤrte nicht nur jede Bewerbung um
meine Mutter, ſondern auch der Umgang mit ihr
voͤllig auf. Um ihr bald den Jrrthum zu beneh-
men, daß er ſich als Bewerber einſtellen wuͤrde,
erklaͤrte Heinrich Reitmann, wenig Wochen nach
ſeines Vaters Tode, daß er eine Predigers-Toch-
ter, die er liebte, heirathen, und in den Pacht ſei-
nes Vaters treten wuͤrde; boshafter Weiſe meldete
er dies meiner Mutter ſelbſt bei dem erſten und
letzten Beſuche, den er ihr nach ſeines Vaters Tode
gab. Sie hatte einen ganz andern Zweck dieſes
Beſuchs vermuthet, und barg, als ſie das Wahre
erfuhr, die Bosheit, ſich abermals verſchmaͤht zu
ſehen, nur ſchlecht; Entſchaͤdigung dafuͤr fand ſie,
wie gewoͤhnlich, durch Spott und Laͤſterung auf die
Reitmannſche Familie, ſie konnte nun nicht erwar-
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/213>, abgerufen am 21.11.2024.
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