Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

Der alte Herr hatte in einer Schlacht zwei
seiner Glieder, das rechte Auge und die Hälfte des
linken Arms verlohren, er lebte sparsam von einer
Pension, mit der er bisher zufrieden gewesen war,
weil er die Ehre, die ihm diese Merkmale seiner
Tapferkeit machten, als die Hälfte der Bezahlung
zweier Glieder annahm. Ein Bekannter dieses Hel-
den hatte den Einfall, daß er um Madam Schnitzer
werben sollte; nicht sobald gab er dieser Versu-
chung Eingang, doch öftere Erinnerung und das
Ritterguth bewog ihn zum Nachdenken, welches
ihm zuletzt rieth, den Versuch auf die Besitzerinn
desselben zu machen.

Nachdem er es also hatte geschehen lassen,
daß sein Freund die Dame dem Antrag, ein christ-
liches Eheverbündniß mit ihm einzugehen, geneigt
machte, und dieser sie mit aller Rednerkunst über-
zeugt hatte, sie könne keinen weit und breit ge-
ehrtern Herrn bekommen, als der Obristlieutenant
von Turner wäre; so bezeigte sie Lust, diese Ehre
zu theilen, weil sie selbst eine Officierstochter und
dem Militair sehr gewogen wäre. Der Abgesandte
benachrichtigte den Obristlieutenant sofort von sei-
nem Glück, und dieser beschloß nun selbst einen Be-
such bei Madam Schnitzer zu machen.

So
O 2

Der alte Herr hatte in einer Schlacht zwei
ſeiner Glieder, das rechte Auge und die Haͤlfte des
linken Arms verlohren, er lebte ſparſam von einer
Penſion, mit der er bisher zufrieden geweſen war,
weil er die Ehre, die ihm dieſe Merkmale ſeiner
Tapferkeit machten, als die Haͤlfte der Bezahlung
zweier Glieder annahm. Ein Bekannter dieſes Hel-
den hatte den Einfall, daß er um Madam Schnitzer
werben ſollte; nicht ſobald gab er dieſer Verſu-
chung Eingang, doch oͤftere Erinnerung und das
Ritterguth bewog ihn zum Nachdenken, welches
ihm zuletzt rieth, den Verſuch auf die Beſitzerinn
deſſelben zu machen.

Nachdem er es alſo hatte geſchehen laſſen,
daß ſein Freund die Dame dem Antrag, ein chriſt-
liches Eheverbuͤndniß mit ihm einzugehen, geneigt
machte, und dieſer ſie mit aller Rednerkunſt uͤber-
zeugt hatte, ſie koͤnne keinen weit und breit ge-
ehrtern Herrn bekommen, als der Obriſtlieutenant
von Turner waͤre; ſo bezeigte ſie Luſt, dieſe Ehre
zu theilen, weil ſie ſelbſt eine Officierstochter und
dem Militair ſehr gewogen waͤre. Der Abgeſandte
benachrichtigte den Obriſtlieutenant ſofort von ſei-
nem Gluͤck, und dieſer beſchloß nun ſelbſt einen Be-
ſuch bei Madam Schnitzer zu machen.

So
O 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0215" n="211"/>
        <p>Der alte Herr hatte in einer Schlacht zwei<lb/>
&#x017F;einer Glieder, das rechte Auge und die Ha&#x0364;lfte des<lb/>
linken Arms verlohren, er lebte &#x017F;par&#x017F;am von einer<lb/>
Pen&#x017F;ion, mit der er bisher zufrieden gewe&#x017F;en war,<lb/>
weil er die Ehre, die ihm die&#x017F;e Merkmale &#x017F;einer<lb/>
Tapferkeit machten, als die Ha&#x0364;lfte der Bezahlung<lb/>
zweier Glieder annahm. Ein Bekannter die&#x017F;es Hel-<lb/>
den hatte den Einfall, daß er um Madam Schnitzer<lb/>
werben &#x017F;ollte; nicht &#x017F;obald gab er die&#x017F;er Ver&#x017F;u-<lb/>
chung Eingang, doch o&#x0364;ftere Erinnerung und das<lb/>
Ritterguth bewog ihn zum Nachdenken, welches<lb/>
ihm zuletzt rieth, den Ver&#x017F;uch auf die Be&#x017F;itzerinn<lb/>
de&#x017F;&#x017F;elben zu machen.</p><lb/>
        <p>Nachdem er es al&#x017F;o hatte ge&#x017F;chehen la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
daß &#x017F;ein Freund die Dame dem Antrag, ein chri&#x017F;t-<lb/>
liches Eheverbu&#x0364;ndniß mit ihm einzugehen, geneigt<lb/>
machte, und die&#x017F;er &#x017F;ie mit aller Rednerkun&#x017F;t u&#x0364;ber-<lb/>
zeugt hatte, &#x017F;ie ko&#x0364;nne keinen weit und breit ge-<lb/>
ehrtern Herrn bekommen, als der Obri&#x017F;tlieutenant<lb/>
von Turner wa&#x0364;re; &#x017F;o bezeigte &#x017F;ie Lu&#x017F;t, die&#x017F;e Ehre<lb/>
zu theilen, weil &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t eine Officierstochter und<lb/>
dem Militair &#x017F;ehr gewogen wa&#x0364;re. Der Abge&#x017F;andte<lb/>
benachrichtigte den Obri&#x017F;tlieutenant &#x017F;ofort von &#x017F;ei-<lb/>
nem Glu&#x0364;ck, und die&#x017F;er be&#x017F;chloß nun &#x017F;elb&#x017F;t einen Be-<lb/>
&#x017F;uch bei Madam Schnitzer zu machen.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">O 2</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">So</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[211/0215] Der alte Herr hatte in einer Schlacht zwei ſeiner Glieder, das rechte Auge und die Haͤlfte des linken Arms verlohren, er lebte ſparſam von einer Penſion, mit der er bisher zufrieden geweſen war, weil er die Ehre, die ihm dieſe Merkmale ſeiner Tapferkeit machten, als die Haͤlfte der Bezahlung zweier Glieder annahm. Ein Bekannter dieſes Hel- den hatte den Einfall, daß er um Madam Schnitzer werben ſollte; nicht ſobald gab er dieſer Verſu- chung Eingang, doch oͤftere Erinnerung und das Ritterguth bewog ihn zum Nachdenken, welches ihm zuletzt rieth, den Verſuch auf die Beſitzerinn deſſelben zu machen. Nachdem er es alſo hatte geſchehen laſſen, daß ſein Freund die Dame dem Antrag, ein chriſt- liches Eheverbuͤndniß mit ihm einzugehen, geneigt machte, und dieſer ſie mit aller Rednerkunſt uͤber- zeugt hatte, ſie koͤnne keinen weit und breit ge- ehrtern Herrn bekommen, als der Obriſtlieutenant von Turner waͤre; ſo bezeigte ſie Luſt, dieſe Ehre zu theilen, weil ſie ſelbſt eine Officierstochter und dem Militair ſehr gewogen waͤre. Der Abgeſandte benachrichtigte den Obriſtlieutenant ſofort von ſei- nem Gluͤck, und dieſer beſchloß nun ſelbſt einen Be- ſuch bei Madam Schnitzer zu machen. So O 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/215
Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/215>, abgerufen am 15.05.2024.