Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

So schön hatte er den grauen Ueberrest seiner
Haare, seit er den Dienst quittirt, nicht frisiren
lassen, als an diesem Tage der Vorstellung bei sei-
ner Gewählten! ein ganz neues schwarztaffetnes
Pflaster bedeckte die Augenleere Stelle, und der
noch nicht sehr abgetragene Ermel seiner weiland
Staatsuniform den halben ledernen Arm, welcher
im Busen verborgen und da innerhalb der Weste so
gut befestigt war, daß er nicht hervorschlüpfen und
sich als das, was er war, anzeigen konnte. Zwar
schämte sich der Obristlieutenant dieses falschen Arms
nicht, vielmehr wollte er, daß auch seine künftige
Gemahlinn ihn als einen ansehnlichen Theil seiner
Würde ansehen sollte, aber sie sollte sehen, daß er
auch allenfalls eine gute Figur mit dieser Ruine
machen könnte, und überhaupt nicht der Mann
wäre, der mit seinen Ehrenzeichen prahlen, son-
dern sie lieber auf eine bescheidene Art verbergen
wollte. Uebrigens hatte er seine besten Camaschen
angezogen, die falschen Waden, welche er noch als
Fahnjunker getragen, hatte sein Bedienter recht
vortheilhaft angebracht, sein Tritt war noch so
sicher und martialisch, als er im 30sten Jahre ge-
wesen war, und so trat Obristlieutenant Turner in
voller Zuversicht, daß ein Mann, wie er, nicht
mißfallen könnte, an einem Nachmittag seine Reise

zu

So ſchoͤn hatte er den grauen Ueberreſt ſeiner
Haare, ſeit er den Dienſt quittirt, nicht friſiren
laſſen, als an dieſem Tage der Vorſtellung bei ſei-
ner Gewaͤhlten! ein ganz neues ſchwarztaffetnes
Pflaſter bedeckte die Augenleere Stelle, und der
noch nicht ſehr abgetragene Ermel ſeiner weiland
Staatsuniform den halben ledernen Arm, welcher
im Buſen verborgen und da innerhalb der Weſte ſo
gut befeſtigt war, daß er nicht hervorſchluͤpfen und
ſich als das, was er war, anzeigen konnte. Zwar
ſchaͤmte ſich der Obriſtlieutenant dieſes falſchen Arms
nicht, vielmehr wollte er, daß auch ſeine kuͤnftige
Gemahlinn ihn als einen anſehnlichen Theil ſeiner
Wuͤrde anſehen ſollte, aber ſie ſollte ſehen, daß er
auch allenfalls eine gute Figur mit dieſer Ruine
machen koͤnnte, und uͤberhaupt nicht der Mann
waͤre, der mit ſeinen Ehrenzeichen prahlen, ſon-
dern ſie lieber auf eine beſcheidene Art verbergen
wollte. Uebrigens hatte er ſeine beſten Camaſchen
angezogen, die falſchen Waden, welche er noch als
Fahnjunker getragen, hatte ſein Bedienter recht
vortheilhaft angebracht, ſein Tritt war noch ſo
ſicher und martialiſch, als er im 30ſten Jahre ge-
weſen war, und ſo trat Obriſtlieutenant Turner in
voller Zuverſicht, daß ein Mann, wie er, nicht
mißfallen koͤnnte, an einem Nachmittag ſeine Reiſe

zu
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0216" n="212"/>
        <p>So &#x017F;cho&#x0364;n hatte er den grauen Ueberre&#x017F;t &#x017F;einer<lb/>
Haare, &#x017F;eit er den Dien&#x017F;t quittirt, nicht fri&#x017F;iren<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, als an die&#x017F;em Tage der Vor&#x017F;tellung bei &#x017F;ei-<lb/>
ner Gewa&#x0364;hlten! ein ganz neues &#x017F;chwarztaffetnes<lb/>
Pfla&#x017F;ter bedeckte die Augenleere Stelle, und der<lb/>
noch nicht &#x017F;ehr abgetragene Ermel &#x017F;einer weiland<lb/>
Staatsuniform den halben ledernen Arm, welcher<lb/>
im Bu&#x017F;en verborgen und da innerhalb der We&#x017F;te &#x017F;o<lb/>
gut befe&#x017F;tigt war, daß er nicht hervor&#x017F;chlu&#x0364;pfen und<lb/>
&#x017F;ich als das, was er war, anzeigen konnte. Zwar<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;mte &#x017F;ich der Obri&#x017F;tlieutenant die&#x017F;es fal&#x017F;chen Arms<lb/>
nicht, vielmehr wollte er, daß auch &#x017F;eine ku&#x0364;nftige<lb/>
Gemahlinn ihn als einen an&#x017F;ehnlichen Theil &#x017F;einer<lb/>
Wu&#x0364;rde an&#x017F;ehen &#x017F;ollte, aber &#x017F;ie &#x017F;ollte &#x017F;ehen, daß er<lb/>
auch allenfalls eine gute Figur mit die&#x017F;er Ruine<lb/>
machen ko&#x0364;nnte, und u&#x0364;berhaupt nicht der Mann<lb/>
wa&#x0364;re, der mit &#x017F;einen Ehrenzeichen prahlen, &#x017F;on-<lb/>
dern &#x017F;ie lieber auf eine be&#x017F;cheidene Art verbergen<lb/>
wollte. Uebrigens hatte er &#x017F;eine be&#x017F;ten Cama&#x017F;chen<lb/>
angezogen, die fal&#x017F;chen Waden, welche er noch als<lb/>
Fahnjunker getragen, hatte &#x017F;ein Bedienter recht<lb/>
vortheilhaft angebracht, &#x017F;ein Tritt war noch &#x017F;o<lb/>
&#x017F;icher und martiali&#x017F;ch, als er im 30&#x017F;ten Jahre ge-<lb/>
we&#x017F;en war, und &#x017F;o trat Obri&#x017F;tlieutenant Turner in<lb/>
voller Zuver&#x017F;icht, daß ein Mann, wie er, nicht<lb/>
mißfallen ko&#x0364;nnte, an einem Nachmittag &#x017F;eine Rei&#x017F;e<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zu</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[212/0216] So ſchoͤn hatte er den grauen Ueberreſt ſeiner Haare, ſeit er den Dienſt quittirt, nicht friſiren laſſen, als an dieſem Tage der Vorſtellung bei ſei- ner Gewaͤhlten! ein ganz neues ſchwarztaffetnes Pflaſter bedeckte die Augenleere Stelle, und der noch nicht ſehr abgetragene Ermel ſeiner weiland Staatsuniform den halben ledernen Arm, welcher im Buſen verborgen und da innerhalb der Weſte ſo gut befeſtigt war, daß er nicht hervorſchluͤpfen und ſich als das, was er war, anzeigen konnte. Zwar ſchaͤmte ſich der Obriſtlieutenant dieſes falſchen Arms nicht, vielmehr wollte er, daß auch ſeine kuͤnftige Gemahlinn ihn als einen anſehnlichen Theil ſeiner Wuͤrde anſehen ſollte, aber ſie ſollte ſehen, daß er auch allenfalls eine gute Figur mit dieſer Ruine machen koͤnnte, und uͤberhaupt nicht der Mann waͤre, der mit ſeinen Ehrenzeichen prahlen, ſon- dern ſie lieber auf eine beſcheidene Art verbergen wollte. Uebrigens hatte er ſeine beſten Camaſchen angezogen, die falſchen Waden, welche er noch als Fahnjunker getragen, hatte ſein Bedienter recht vortheilhaft angebracht, ſein Tritt war noch ſo ſicher und martialiſch, als er im 30ſten Jahre ge- weſen war, und ſo trat Obriſtlieutenant Turner in voller Zuverſicht, daß ein Mann, wie er, nicht mißfallen koͤnnte, an einem Nachmittag ſeine Reiſe zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/216
Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/216>, abgerufen am 15.05.2024.