Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.
wer ihre Conduite nicht wüßte. Sie lebt ja blos von den Geschenken der Mannspersonen; hier strömten eine solche Menge Seandalgeschichten aus dem Munde meiner Mutter, daß Jacob und Peter nichts als zuhören und erstaunen konnten. Der erste unterbrach doch endlich den Strohm, und sagte: "Ach mein liebes Suschen, wenn du das gewußt hast, hättest du nicht so darauf beste- hen sollen, daß ich sie zu Gevattern bat; zu sol- chen Handlungen nimmt man doch ehrbare und gesetzte Leute." Pauvre Ni -- versetzte Suschen, hielt aber bei der Hälfte des letzten Worts innen, weil sie sich für Petern fürchtete, der, wenn er auch die Worte nicht verstünde, doch errathen könnte, daß sie keine Schmeichelei für seinen Bru- der enthielten. Dieser schwieg und seufzte; Peter aber meinte, er hätte recht, und ließ sich lang und breit über den Mißbrauch bei der Wahl der Pa- then aus. "Die Absicht der ersten Kirche, sagte er, war, wie ich unterrichtet bin, daß die Pathen im Namen des Kindes angeloben müssen, es wolle alle die Christenpflichten und Tugenden ausüben, die der Geistliche ihm auferlegt; hernach mußten sie dafür sorgen, daß die Kinder fein ehrbar und fromm erzogen, daß sie in der Religion gehörig unterrichtet wurden; ja, wenn die Eltern starben, mußten
wer ihre Conduite nicht wuͤßte. Sie lebt ja blos von den Geſchenken der Mannsperſonen; hier ſtroͤmten eine ſolche Menge Seandalgeſchichten aus dem Munde meiner Mutter, daß Jacob und Peter nichts als zuhoͤren und erſtaunen konnten. Der erſte unterbrach doch endlich den Strohm, und ſagte: „Ach mein liebes Suschen, wenn du das gewußt haſt, haͤtteſt du nicht ſo darauf beſte- hen ſollen, daß ich ſie zu Gevattern bat; zu ſol- chen Handlungen nimmt man doch ehrbare und geſetzte Leute.“ Pauvre Ni — verſetzte Suschen, hielt aber bei der Haͤlfte des letzten Worts innen, weil ſie ſich fuͤr Petern fuͤrchtete, der, wenn er auch die Worte nicht verſtuͤnde, doch errathen koͤnnte, daß ſie keine Schmeichelei fuͤr ſeinen Bru- der enthielten. Dieſer ſchwieg und ſeufzte; Peter aber meinte, er haͤtte recht, und ließ ſich lang und breit uͤber den Mißbrauch bei der Wahl der Pa- then aus. „Die Abſicht der erſten Kirche, ſagte er, war, wie ich unterrichtet bin, daß die Pathen im Namen des Kindes angeloben muͤſſen, es wolle alle die Chriſtenpflichten und Tugenden ausuͤben, die der Geiſtliche ihm auferlegt; hernach mußten ſie dafuͤr ſorgen, daß die Kinder fein ehrbar und fromm erzogen, daß ſie in der Religion gehoͤrig unterrichtet wurden; ja, wenn die Eltern ſtarben, mußten
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wer ihre Conduite nicht wuͤßte. Sie lebt ja blos
von den Geſchenken der Mannsperſonen; hier
ſtroͤmten eine ſolche Menge Seandalgeſchichten aus
dem Munde meiner Mutter, daß Jacob und
Peter nichts als zuhoͤren und erſtaunen konnten.
Der erſte unterbrach doch endlich den Strohm,
und ſagte: „Ach mein liebes Suschen, wenn du
das gewußt haſt, haͤtteſt du nicht ſo darauf beſte-
hen ſollen, daß ich ſie zu Gevattern bat; zu ſol-
chen Handlungen nimmt man doch ehrbare und
geſetzte Leute.“ Pauvre Ni — verſetzte Suschen,
hielt aber bei der Haͤlfte des letzten Worts innen,
weil ſie ſich fuͤr Petern fuͤrchtete, der, wenn er
auch die Worte nicht verſtuͤnde, doch errathen
koͤnnte, daß ſie keine Schmeichelei fuͤr ſeinen Bru-
der enthielten. Dieſer ſchwieg und ſeufzte; Peter
aber meinte, er haͤtte recht, und ließ ſich lang und
breit uͤber den Mißbrauch bei der Wahl der Pa-
then aus. „Die Abſicht der erſten Kirche, ſagte
er, war, wie ich unterrichtet bin, daß die Pathen
im Namen des Kindes angeloben muͤſſen, es wolle
alle die Chriſtenpflichten und Tugenden ausuͤben,
die der Geiſtliche ihm auferlegt; hernach mußten
ſie dafuͤr ſorgen, daß die Kinder fein ehrbar und
fromm erzogen, daß ſie in der Religion gehoͤrig
unterrichtet wurden; ja, wenn die Eltern ſtarben,
mußten
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