Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite
Schwächere war; so lernte ich bald nachgeben, weil
ich unbarmherziger geprügelt wurde, wenn ich mich
zur Wehre setzte.

Man denke sich, was bei solchen Executionen
das zärtliche Herz meiner Mutter litt. Nie konn-
sie mich unter den Händen meines barbarischen
Stiefvaters sehen, ohne sich ins Mittel zu schla-
gen, dies aber half nichts, als daß sie denn das
Uebrige mit mir theilte.

Bei so bewandten Umständen bereute sie ihre
Standeserhöhung nicht wenig, ward ihrem Gemahl
von Herzen gram, und verdoppelte ihre Liebe zu
mir. Sie beweinte nichts so sehr als die Hälfte
ihres Vermögens, welches sie mir entzogen hatte;
(denn meiner Schwester hatte sie ohnehin sehr we-
nig zugedacht,) um den Verlust zu ersetzen, ward
sie in allen Stücken sparsamer als jemals, und be-
harrte darauf, daß ihr Gemahl das Geld zu Füh-
rung der Haushaltung hergeben sollte. Er hinge-
gen wollte das Seinige gleichfalls sparen, und so
setzte es auch von dieser Seite Verdruß. Der Sean-
dalgeschichten aus unserm Hause waren so viel, daß
kein Mensch mehr bei uns einsprach, welches aber
den Herrn und die Frau von Treff nicht eben ver-
droß; der erste unterhielt sich am liebsten mit der
Bouteille, oder zählte, wenn er nüchtern war, sein
Geld;
Q 2
Schwaͤchere war; ſo lernte ich bald nachgeben, weil
ich unbarmherziger gepruͤgelt wurde, wenn ich mich
zur Wehre ſetzte.

Man denke ſich, was bei ſolchen Executionen
das zaͤrtliche Herz meiner Mutter litt. Nie konn-
ſie mich unter den Haͤnden meines barbariſchen
Stiefvaters ſehen, ohne ſich ins Mittel zu ſchla-
gen, dies aber half nichts, als daß ſie denn das
Uebrige mit mir theilte.

Bei ſo bewandten Umſtaͤnden bereute ſie ihre
Standeserhoͤhung nicht wenig, ward ihrem Gemahl
von Herzen gram, und verdoppelte ihre Liebe zu
mir. Sie beweinte nichts ſo ſehr als die Haͤlfte
ihres Vermoͤgens, welches ſie mir entzogen hatte;
(denn meiner Schweſter hatte ſie ohnehin ſehr we-
nig zugedacht,) um den Verluſt zu erſetzen, ward
ſie in allen Stuͤcken ſparſamer als jemals, und be-
harrte darauf, daß ihr Gemahl das Geld zu Fuͤh-
rung der Haushaltung hergeben ſollte. Er hinge-
gen wollte das Seinige gleichfalls ſparen, und ſo
ſetzte es auch von dieſer Seite Verdruß. Der Sean-
dalgeſchichten aus unſerm Hauſe waren ſo viel, daß
kein Menſch mehr bei uns einſprach, welches aber
den Herrn und die Frau von Treff nicht eben ver-
droß; der erſte unterhielt ſich am liebſten mit der
Bouteille, oder zaͤhlte, wenn er nuͤchtern war, ſein
Geld;
Q 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp who="#TUR">
          <p><pb facs="#f0247" n="243"/>
Schwa&#x0364;chere war; &#x017F;o lernte ich bald nachgeben, weil<lb/>
ich unbarmherziger gepru&#x0364;gelt wurde, wenn ich mich<lb/>
zur Wehre &#x017F;etzte.</p><lb/>
          <p>Man denke &#x017F;ich, was bei &#x017F;olchen Executionen<lb/>
das za&#x0364;rtliche Herz meiner Mutter litt. Nie konn-<lb/>
&#x017F;ie mich unter den Ha&#x0364;nden meines barbari&#x017F;chen<lb/>
Stiefvaters &#x017F;ehen, ohne &#x017F;ich ins Mittel zu &#x017F;chla-<lb/>
gen, dies aber half nichts, als daß &#x017F;ie denn das<lb/>
Uebrige mit mir theilte.</p><lb/>
          <p>Bei &#x017F;o bewandten Um&#x017F;ta&#x0364;nden bereute &#x017F;ie ihre<lb/>
Standeserho&#x0364;hung nicht wenig, ward ihrem Gemahl<lb/>
von Herzen gram, und verdoppelte ihre Liebe zu<lb/>
mir. Sie beweinte nichts &#x017F;o &#x017F;ehr als die Ha&#x0364;lfte<lb/>
ihres Vermo&#x0364;gens, welches &#x017F;ie mir entzogen hatte;<lb/>
(denn meiner Schwe&#x017F;ter hatte &#x017F;ie ohnehin &#x017F;ehr we-<lb/>
nig zugedacht,) um den Verlu&#x017F;t zu er&#x017F;etzen, ward<lb/>
&#x017F;ie in allen Stu&#x0364;cken &#x017F;par&#x017F;amer als jemals, und be-<lb/>
harrte darauf, daß ihr Gemahl das Geld zu Fu&#x0364;h-<lb/>
rung der Haushaltung hergeben &#x017F;ollte. Er hinge-<lb/>
gen wollte das Seinige gleichfalls &#x017F;paren, und &#x017F;o<lb/>
&#x017F;etzte es auch von die&#x017F;er Seite Verdruß. Der Sean-<lb/>
dalge&#x017F;chichten aus un&#x017F;erm Hau&#x017F;e waren &#x017F;o viel, daß<lb/>
kein Men&#x017F;ch mehr bei uns ein&#x017F;prach, welches aber<lb/>
den Herrn und die Frau von Treff nicht eben ver-<lb/>
droß; der er&#x017F;te unterhielt &#x017F;ich am lieb&#x017F;ten mit der<lb/>
Bouteille, oder za&#x0364;hlte, wenn er nu&#x0364;chtern war, &#x017F;ein<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Geld;</fw><lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[243/0247] Schwaͤchere war; ſo lernte ich bald nachgeben, weil ich unbarmherziger gepruͤgelt wurde, wenn ich mich zur Wehre ſetzte. Man denke ſich, was bei ſolchen Executionen das zaͤrtliche Herz meiner Mutter litt. Nie konn- ſie mich unter den Haͤnden meines barbariſchen Stiefvaters ſehen, ohne ſich ins Mittel zu ſchla- gen, dies aber half nichts, als daß ſie denn das Uebrige mit mir theilte. Bei ſo bewandten Umſtaͤnden bereute ſie ihre Standeserhoͤhung nicht wenig, ward ihrem Gemahl von Herzen gram, und verdoppelte ihre Liebe zu mir. Sie beweinte nichts ſo ſehr als die Haͤlfte ihres Vermoͤgens, welches ſie mir entzogen hatte; (denn meiner Schweſter hatte ſie ohnehin ſehr we- nig zugedacht,) um den Verluſt zu erſetzen, ward ſie in allen Stuͤcken ſparſamer als jemals, und be- harrte darauf, daß ihr Gemahl das Geld zu Fuͤh- rung der Haushaltung hergeben ſollte. Er hinge- gen wollte das Seinige gleichfalls ſparen, und ſo ſetzte es auch von dieſer Seite Verdruß. Der Sean- dalgeſchichten aus unſerm Hauſe waren ſo viel, daß kein Menſch mehr bei uns einſprach, welches aber den Herrn und die Frau von Treff nicht eben ver- droß; der erſte unterhielt ſich am liebſten mit der Bouteille, oder zaͤhlte, wenn er nuͤchtern war, ſein Geld; Q 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/247
Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/247>, abgerufen am 15.05.2024.