wie man es nur auf den frechsten Beleidiger ist, war ich jetzt auf die Mutter, welche, nachdem sie von meinen Kinderjahren her jeden Befehl, den ich ihr gab, respectirt hatte, und mir in meinen Wün- schen zuvorgekommen, nun da ich erwachsen war, die sparsame und strenge Mutter machen wollte.
Jch war eben wit Klausen daran, ein Mittel auszusinnen, wodurch sie zu Kreuze kriechen müßte, als jemand bei mir erschien, der mich noch mehr dazu bestimmte. Dieser jemand war der jüngste Bruder meiner Mutter, ein Mensch, der mich durch seine freie Art sich auszudrücken und durch den ungezwungenen Witz, welchen er zeigte, so- gleich für sich einnahm.
Auf die Nachricht, die er von dem herrlichen Zustande seiner Schwester erhielt, hatte er bestän- dig darauf gedacht, diesen guten Umstand für sich zu benutzen. Lange harrte er, so wie auch sein älterer Bruder, auf die in Buschens Brief an seine Mutter verheißene Unterstützung von Schwester Suschen. Als aber diese außen blieb, und meine Großmutter ihren Söhnen von der Denkungsart der Tochter und von ihrem eignen guten Unter- kommen im Buschischen Hause das Wahre berich- tete, hofften sie nicht länger auf ihre Frau Schwe- ster, schimpften aber nach Gebühr auf sie. Jhre
Mutter
wie man es nur auf den frechſten Beleidiger iſt, war ich jetzt auf die Mutter, welche, nachdem ſie von meinen Kinderjahren her jeden Befehl, den ich ihr gab, reſpectirt hatte, und mir in meinen Wuͤn- ſchen zuvorgekommen, nun da ich erwachſen war, die ſparſame und ſtrenge Mutter machen wollte.
Jch war eben wit Klauſen daran, ein Mittel auszuſinnen, wodurch ſie zu Kreuze kriechen muͤßte, als jemand bei mir erſchien, der mich noch mehr dazu beſtimmte. Dieſer jemand war der juͤngſte Bruder meiner Mutter, ein Menſch, der mich durch ſeine freie Art ſich auszudruͤcken und durch den ungezwungenen Witz, welchen er zeigte, ſo- gleich fuͤr ſich einnahm.
Auf die Nachricht, die er von dem herrlichen Zuſtande ſeiner Schweſter erhielt, hatte er beſtaͤn- dig darauf gedacht, dieſen guten Umſtand fuͤr ſich zu benutzen. Lange harrte er, ſo wie auch ſein aͤlterer Bruder, auf die in Buſchens Brief an ſeine Mutter verheißene Unterſtuͤtzung von Schweſter Suschen. Als aber dieſe außen blieb, und meine Großmutter ihren Soͤhnen von der Denkungsart der Tochter und von ihrem eignen guten Unter- kommen im Buſchiſchen Hauſe das Wahre berich- tete, hofften ſie nicht laͤnger auf ihre Frau Schwe- ſter, ſchimpften aber nach Gebuͤhr auf ſie. Jhre
Mutter
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wie man es nur auf den frechſten Beleidiger iſt,
war ich jetzt auf die Mutter, welche, nachdem ſie
von meinen Kinderjahren her jeden Befehl, den ich
ihr gab, reſpectirt hatte, und mir in meinen Wuͤn-
ſchen zuvorgekommen, nun da ich erwachſen war,
die ſparſame und ſtrenge Mutter machen wollte.
Jch war eben wit Klauſen daran, ein Mittel
auszuſinnen, wodurch ſie zu Kreuze kriechen muͤßte,
als jemand bei mir erſchien, der mich noch mehr
dazu beſtimmte. Dieſer jemand war der juͤngſte
Bruder meiner Mutter, ein Menſch, der mich
durch ſeine freie Art ſich auszudruͤcken und durch
den ungezwungenen Witz, welchen er zeigte, ſo-
gleich fuͤr ſich einnahm.
Auf die Nachricht, die er von dem herrlichen
Zuſtande ſeiner Schweſter erhielt, hatte er beſtaͤn-
dig darauf gedacht, dieſen guten Umſtand fuͤr ſich
zu benutzen. Lange harrte er, ſo wie auch ſein
aͤlterer Bruder, auf die in Buſchens Brief an ſeine
Mutter verheißene Unterſtuͤtzung von Schweſter
Suschen. Als aber dieſe außen blieb, und meine
Großmutter ihren Soͤhnen von der Denkungsart
der Tochter und von ihrem eignen guten Unter-
kommen im Buſchiſchen Hauſe das Wahre berich-
tete, hofften ſie nicht laͤnger auf ihre Frau Schwe-
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/288>, abgerufen am 22.11.2024.
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