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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

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finderisch in abwechselndem Zeitvertreib für mich.
Jch machte ihr also wenig Verdruß; aber an dem
schon obbemeldeten Nachmittag spielte ich ihr doch
einen empfindlichen Streich, der aber mehr meiner
Matter, als der Wärterinn gelten sollte. Diese
ließ mich gegen Abend einige Augenblicke allein,
und ich benutzte ihre Abwesenheit, mich hinauszu-
schleichen, um mich zu verstecken. Dazu fand ich
die beste Gelegenheit in einem dunkeln Winkel un-
ter der Treppe, wo man eine kleine Thür ange-
bracht hatte, um zuweilen junge Hühner oder Gänse
einzusetzen. Eben war der Winkel leer, ich kroch
hinein und so weit hinter, als ich konnte; nun
hielt ich mich ruhig, und hörte mit Vergnügen, wie
meine alte Margarethe jammerte, als sie mich nir-
gends fand. Sie fragte alle Leute im Hause, ob
sie mich nicht gesehen hätten, lief Trepp auf, Trepp
ab, in den Hof, auf die Gasse, rufte mich, weinte,
und raufte sich vermuthlich die Haare aus, da
eins der andern Domestiquen sagte, ich würde ver-
muthlich zum Brunnen gelaufen, hineingefallen
und ertrunken sein, welches eben ein so großes Un-
glück nicht ist, setzte die Stimme hinzu, denn es
wäre doch nur ein Lotterbube aus ihm geworden. --
Es war sehr wahrscheinlich, daß ich im Brunnen
liegen konnte, denn oft war ich schon, allen Leu-
ten
finderiſch in abwechſelndem Zeitvertreib fuͤr mich.
Jch machte ihr alſo wenig Verdruß; aber an dem
ſchon obbemeldeten Nachmittag ſpielte ich ihr doch
einen empfindlichen Streich, der aber mehr meiner
Matter, als der Waͤrterinn gelten ſollte. Dieſe
ließ mich gegen Abend einige Augenblicke allein,
und ich benutzte ihre Abweſenheit, mich hinauszu-
ſchleichen, um mich zu verſtecken. Dazu fand ich
die beſte Gelegenheit in einem dunkeln Winkel un-
ter der Treppe, wo man eine kleine Thuͤr ange-
bracht hatte, um zuweilen junge Huͤhner oder Gaͤnſe
einzuſetzen. Eben war der Winkel leer, ich kroch
hinein und ſo weit hinter, als ich konnte; nun
hielt ich mich ruhig, und hoͤrte mit Vergnuͤgen, wie
meine alte Margarethe jammerte, als ſie mich nir-
gends fand. Sie fragte alle Leute im Hauſe, ob
ſie mich nicht geſehen haͤtten, lief Trepp auf, Trepp
ab, in den Hof, auf die Gaſſe, rufte mich, weinte,
und raufte ſich vermuthlich die Haare aus, da
eins der andern Domeſtiquen ſagte, ich wuͤrde ver-
muthlich zum Brunnen gelaufen, hineingefallen
und ertrunken ſein, welches eben ein ſo großes Un-
gluͤck nicht iſt, ſetzte die Stimme hinzu, denn es
waͤre doch nur ein Lotterbube aus ihm geworden. —
Es war ſehr wahrſcheinlich, daß ich im Brunnen
liegen konnte, denn oft war ich ſchon, allen Leu-
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[26/0030] finderiſch in abwechſelndem Zeitvertreib fuͤr mich. Jch machte ihr alſo wenig Verdruß; aber an dem ſchon obbemeldeten Nachmittag ſpielte ich ihr doch einen empfindlichen Streich, der aber mehr meiner Matter, als der Waͤrterinn gelten ſollte. Dieſe ließ mich gegen Abend einige Augenblicke allein, und ich benutzte ihre Abweſenheit, mich hinauszu- ſchleichen, um mich zu verſtecken. Dazu fand ich die beſte Gelegenheit in einem dunkeln Winkel un- ter der Treppe, wo man eine kleine Thuͤr ange- bracht hatte, um zuweilen junge Huͤhner oder Gaͤnſe einzuſetzen. Eben war der Winkel leer, ich kroch hinein und ſo weit hinter, als ich konnte; nun hielt ich mich ruhig, und hoͤrte mit Vergnuͤgen, wie meine alte Margarethe jammerte, als ſie mich nir- gends fand. Sie fragte alle Leute im Hauſe, ob ſie mich nicht geſehen haͤtten, lief Trepp auf, Trepp ab, in den Hof, auf die Gaſſe, rufte mich, weinte, und raufte ſich vermuthlich die Haare aus, da eins der andern Domeſtiquen ſagte, ich wuͤrde ver- muthlich zum Brunnen gelaufen, hineingefallen und ertrunken ſein, welches eben ein ſo großes Un- gluͤck nicht iſt, ſetzte die Stimme hinzu, denn es waͤre doch nur ein Lotterbube aus ihm geworden. — Es war ſehr wahrſcheinlich, daß ich im Brunnen liegen konnte, denn oft war ich ſchon, allen Leu- ten

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Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/30>, abgerufen am 28.04.2024.