Es konnte nicht fehlen, daß Madam Star- kinn, da sie mich nun kannte, und mit andern ihrer Bekannten von mir sprach, erfahren mußte, welche lüderliche, wilde und bösartige Streiche ich machte, auch hatte ich zuweilen etwas auszu- baden, welches mich mehrere Tage verhinderte sie zu besuchen. Jch fand Madam Starkinn und Dorchen dann immer etwas verlegen, ja traurig, um aber geschwind wieder mit ihnen auf guten Fuß zu kommen, erzählte ich die vorgefallene Geschichte nach meiner Art, stellte mich ganz unschuldig, von ohngefähr verwickelt dabei, und horchte den Ermahnungen der Tante mich doch ja vor sol- chen Gesellschaften zu hüten, mit der Miene der Reue und des besten Vorsatzes zu. Alles war dann wieder vergessen, die Tante hoffte mich zu allem Guten zu ziehen, und die Nichte zeigte durch einen Herzerleichternden Seufzer, durch Erheiterung ih- res schönen Gesichts, und durch einen zärtlichen Händedruck, daß sie sich glücklich fühlte, mich oh- ne Erröthen lieben zu dürfen.
Diese Liebe nahm in der That täglich zu, Dorotheens Herz war ganz mein, wäre es gewe- sen, wenn ich ohne alle Hoffnungen des Glücks vor ihr gestanden hätte. Madam Starkinn hingegen schätzte in mir den reichen Erben, der einst ihre
Nichte
Es konnte nicht fehlen, daß Madam Star- kinn, da ſie mich nun kannte, und mit andern ihrer Bekannten von mir ſprach, erfahren mußte, welche luͤderliche, wilde und boͤsartige Streiche ich machte, auch hatte ich zuweilen etwas auszu- baden, welches mich mehrere Tage verhinderte ſie zu beſuchen. Jch fand Madam Starkinn und Dorchen dann immer etwas verlegen, ja traurig, um aber geſchwind wieder mit ihnen auf guten Fuß zu kommen, erzaͤhlte ich die vorgefallene Geſchichte nach meiner Art, ſtellte mich ganz unſchuldig, von ohngefaͤhr verwickelt dabei, und horchte den Ermahnungen der Tante mich doch ja vor ſol- chen Geſellſchaften zu huͤten, mit der Miene der Reue und des beſten Vorſatzes zu. Alles war dann wieder vergeſſen, die Tante hoffte mich zu allem Guten zu ziehen, und die Nichte zeigte durch einen Herzerleichternden Seufzer, durch Erheiterung ih- res ſchoͤnen Geſichts, und durch einen zaͤrtlichen Haͤndedruck, daß ſie ſich gluͤcklich fuͤhlte, mich oh- ne Erroͤthen lieben zu duͤrfen.
Dieſe Liebe nahm in der That taͤglich zu, Dorotheens Herz war ganz mein, waͤre es gewe- ſen, wenn ich ohne alle Hoffnungen des Gluͤcks vor ihr geſtanden haͤtte. Madam Starkinn hingegen ſchaͤtzte in mir den reichen Erben, der einſt ihre
Nichte
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Es konnte nicht fehlen, daß Madam Star-
kinn, da ſie mich nun kannte, und mit andern
ihrer Bekannten von mir ſprach, erfahren mußte,
welche luͤderliche, wilde und boͤsartige Streiche
ich machte, auch hatte ich zuweilen etwas auszu-
baden, welches mich mehrere Tage verhinderte
ſie zu beſuchen. Jch fand Madam Starkinn und
Dorchen dann immer etwas verlegen, ja traurig,
um aber geſchwind wieder mit ihnen auf guten Fuß
zu kommen, erzaͤhlte ich die vorgefallene Geſchichte
nach meiner Art, ſtellte mich ganz unſchuldig,
von ohngefaͤhr verwickelt dabei, und horchte den
Ermahnungen der Tante mich doch ja vor ſol-
chen Geſellſchaften zu huͤten, mit der Miene der
Reue und des beſten Vorſatzes zu. Alles war dann
wieder vergeſſen, die Tante hoffte mich zu allem
Guten zu ziehen, und die Nichte zeigte durch einen
Herzerleichternden Seufzer, durch Erheiterung ih-
res ſchoͤnen Geſichts, und durch einen zaͤrtlichen
Haͤndedruck, daß ſie ſich gluͤcklich fuͤhlte, mich oh-
ne Erroͤthen lieben zu duͤrfen.
Dieſe Liebe nahm in der That taͤglich zu,
Dorotheens Herz war ganz mein, waͤre es gewe-
ſen, wenn ich ohne alle Hoffnungen des Gluͤcks vor
ihr geſtanden haͤtte. Madam Starkinn hingegen
ſchaͤtzte in mir den reichen Erben, der einſt ihre
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/318>, abgerufen am 22.11.2024.
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