Als ich die tollen Streiche mit dem Pharao vertauschte, (welchen Wechsel des Zeitvertreibs sie aber nicht wissen durfte,) hielt sie mich für ganz bekehrt, und schrieb meine Besserung ihren Ver- mahnungen zu. Fast glaubte sie, ich würde es zu weit treiben, zu viel inne sitzen und studieren, welche Sorge ich dadurch erweckte, daß ich nicht mehr so oft kam und so lange blieb. Dorotheen schien dies viel Kummer zu machen, sie glaubte mich erkaltet, ich fand ihre Augen oft von Weinen trübe, sie machte mir zärtliche Vorwürfe, die ich aber durch die Versicherung der treusten Liebe beantwortete; alsdann beruhigte ich sie durch eine Menge sehr wahrscheinlicher Entschuldigungen gänzlich wieder. Zum Ueberfluß verweilte ich einigemal länger, als ich eigentlich abkommen konnte, um Gedichte von einem der besten Dichter, oder sonst ein Buch nach Dorchens Geschmack, welches ich für sie mit- gebracht hatte, mit ihr durchzublättern; derglei- chen Geschenke waren ihr immer willkommen, sie vermochten sogar sie zu überzeugen, ich sei noch ihr lieber edler Fritz, der sein Mädchen durch Culti- vierung ihres Geistes seiner würdiger machen wollte.
Ein andermal that ich der Tante den Gefal- len, mir Stellen aus einem Religionsbuch oder gar
eine
Als ich die tollen Streiche mit dem Pharao vertauſchte, (welchen Wechſel des Zeitvertreibs ſie aber nicht wiſſen durfte,) hielt ſie mich fuͤr ganz bekehrt, und ſchrieb meine Beſſerung ihren Ver- mahnungen zu. Faſt glaubte ſie, ich wuͤrde es zu weit treiben, zu viel inne ſitzen und ſtudieren, welche Sorge ich dadurch erweckte, daß ich nicht mehr ſo oft kam und ſo lange blieb. Dorotheen ſchien dies viel Kummer zu machen, ſie glaubte mich erkaltet, ich fand ihre Augen oft von Weinen truͤbe, ſie machte mir zaͤrtliche Vorwuͤrfe, die ich aber durch die Verſicherung der treuſten Liebe beantwortete; alsdann beruhigte ich ſie durch eine Menge ſehr wahrſcheinlicher Entſchuldigungen gaͤnzlich wieder. Zum Ueberfluß verweilte ich einigemal laͤnger, als ich eigentlich abkommen konnte, um Gedichte von einem der beſten Dichter, oder ſonſt ein Buch nach Dorchens Geſchmack, welches ich fuͤr ſie mit- gebracht hatte, mit ihr durchzublaͤttern; derglei- chen Geſchenke waren ihr immer willkommen, ſie vermochten ſogar ſie zu uͤberzeugen, ich ſei noch ihr lieber edler Fritz, der ſein Maͤdchen durch Culti- vierung ihres Geiſtes ſeiner wuͤrdiger machen wollte.
Ein andermal that ich der Tante den Gefal- len, mir Stellen aus einem Religionsbuch oder gar
eine
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Als ich die tollen Streiche mit dem Pharao
vertauſchte, (welchen Wechſel des Zeitvertreibs ſie
aber nicht wiſſen durfte,) hielt ſie mich fuͤr ganz
bekehrt, und ſchrieb meine Beſſerung ihren Ver-
mahnungen zu. Faſt glaubte ſie, ich wuͤrde es zu
weit treiben, zu viel inne ſitzen und ſtudieren, welche
Sorge ich dadurch erweckte, daß ich nicht mehr ſo
oft kam und ſo lange blieb. Dorotheen ſchien dies
viel Kummer zu machen, ſie glaubte mich erkaltet,
ich fand ihre Augen oft von Weinen truͤbe, ſie
machte mir zaͤrtliche Vorwuͤrfe, die ich aber durch
die Verſicherung der treuſten Liebe beantwortete;
alsdann beruhigte ich ſie durch eine Menge ſehr
wahrſcheinlicher Entſchuldigungen gaͤnzlich wieder.
Zum Ueberfluß verweilte ich einigemal laͤnger, als
ich eigentlich abkommen konnte, um Gedichte von
einem der beſten Dichter, oder ſonſt ein Buch
nach Dorchens Geſchmack, welches ich fuͤr ſie mit-
gebracht hatte, mit ihr durchzublaͤttern; derglei-
chen Geſchenke waren ihr immer willkommen, ſie
vermochten ſogar ſie zu uͤberzeugen, ich ſei noch
ihr lieber edler Fritz, der ſein Maͤdchen durch Culti-
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/320>, abgerufen am 22.11.2024.
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