nigsten, er meinte man müsse die Leute reden las- sen, es könne sich kein Mensch vor der Schmäh- sucht hüthen, und man hätte viel zu thun, wenn man sich mit seinen Handlungen nach den Urtheilen der Menschen richten wollte. Um indessen nicht ganz hartherzig zu scheinen, ging er zuweilen selbst in die Fleischbank, sah sich nach Fleisch um, welches schon etwas alt war, kaufte dann alles von der Art für geringern Preiß, als gewöhnlich zusammen, und überraschte seine Gemahlinn mit einem gan- zen Kord voll schwarz angelaufenen Fleisches von allen Sorten, welches er nach Hause tragen ließ, wenn es zu viel war, um es selbst in Schnupftü- chern zwischen den Rockschößen verborgen trans- vortiren zu können. Er übergab es ihr dann mit der Vermahnung, es gut einzutheilen, so könnte sie den Leuten lange davon zu essen geben, ohne daß sie zu klagen Ursache hätten. Die gute Frau durfte sich nicht merken lassen, daß dieser jetzt schon übelriechende Vorrath nicht noch dazu lange aufgehoben werden könnte, denn Knapp war auch ein Zänker, war grob, und konnte keinen Wi- derspruch leiden, sie durfte ihren Dienstbothen eben so wenig mehr als höchstens einmal zumuthen, von diesem Fleische zu essen, auch konnte sie nicht wagen, es wegwerfen zu lassen, denn ihr Eheherr
sah
nigſten, er meinte man muͤſſe die Leute reden las- ſen, es koͤnne ſich kein Menſch vor der Schmaͤh- ſucht huͤthen, und man haͤtte viel zu thun, wenn man ſich mit ſeinen Handlungen nach den Urtheilen der Menſchen richten wollte. Um indeſſen nicht ganz hartherzig zu ſcheinen, ging er zuweilen ſelbſt in die Fleiſchbank, ſah ſich nach Fleiſch um, welches ſchon etwas alt war, kaufte dann alles von der Art fuͤr geringern Preiß, als gewoͤhnlich zuſammen, und uͤberraſchte ſeine Gemahlinn mit einem gan- zen Kord voll ſchwarz angelaufenen Fleiſches von allen Sorten, welches er nach Hauſe tragen ließ, wenn es zu viel war, um es ſelbſt in Schnupftuͤ- chern zwiſchen den Rockſchoͤßen verborgen trans- vortiren zu koͤnnen. Er uͤbergab es ihr dann mit der Vermahnung, es gut einzutheilen, ſo koͤnnte ſie den Leuten lange davon zu eſſen geben, ohne daß ſie zu klagen Urſache haͤtten. Die gute Frau durfte ſich nicht merken laſſen, daß dieſer jetzt ſchon uͤbelriechende Vorrath nicht noch dazu lange aufgehoben werden koͤnnte, denn Knapp war auch ein Zaͤnker, war grob, und konnte keinen Wi- derſpruch leiden, ſie durfte ihren Dienſtbothen eben ſo wenig mehr als hoͤchſtens einmal zumuthen, von dieſem Fleiſche zu eſſen, auch konnte ſie nicht wagen, es wegwerfen zu laſſen, denn ihr Eheherr
ſah
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nigſten, er meinte man muͤſſe die Leute reden las-
ſen, es koͤnne ſich kein Menſch vor der Schmaͤh-
ſucht huͤthen, und man haͤtte viel zu thun, wenn man
ſich mit ſeinen Handlungen nach den Urtheilen der
Menſchen richten wollte. Um indeſſen nicht ganz
hartherzig zu ſcheinen, ging er zuweilen ſelbſt in
die Fleiſchbank, ſah ſich nach Fleiſch um, welches
ſchon etwas alt war, kaufte dann alles von der Art
fuͤr geringern Preiß, als gewoͤhnlich zuſammen,
und uͤberraſchte ſeine Gemahlinn mit einem gan-
zen Kord voll ſchwarz angelaufenen Fleiſches von
allen Sorten, welches er nach Hauſe tragen ließ,
wenn es zu viel war, um es ſelbſt in Schnupftuͤ-
chern zwiſchen den Rockſchoͤßen verborgen trans-
vortiren zu koͤnnen. Er uͤbergab es ihr dann mit
der Vermahnung, es gut einzutheilen, ſo koͤnnte
ſie den Leuten lange davon zu eſſen geben, ohne
daß ſie zu klagen Urſache haͤtten. Die gute Frau
durfte ſich nicht merken laſſen, daß dieſer jetzt
ſchon uͤbelriechende Vorrath nicht noch dazu lange
aufgehoben werden koͤnnte, denn Knapp war auch
ein Zaͤnker, war grob, und konnte keinen Wi-
derſpruch leiden, ſie durfte ihren Dienſtbothen eben
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/336>, abgerufen am 22.11.2024.
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