wenigstens bemühte sie sich, jede traurige Ah- nung zurückzuschlagen, und die Besorgniß der Ma- dam Starkinn um mich zu theilen. Diese schickte täglich zweimal, um Nachrichten von meinem Be- finden [einzu][unleserliches Material]en, Dorothea ließ aber immer nur mit grüssen, es gab kein Billetchen, worinnen sie, wie vor dem Vorgang im Wäldchen gewiß gesche- hen wäre, ihren zärtlichen Kummer um mich aus- gedrückt hätte. Mir war dies sehr erwünscht, denn ich war nun der Mühe überhoben, ihr einige Zei- len dagegen zu schreiben, oder doch etwas verbind- liches sagen zu lassen; auch ließ ich es immer bei einem beide Frauenzimmer angehenden Gegencom- pliment bewenden, und auf die Frage nach meinem Befinden, die Krankheit sehr schlimm und hart- näckig angeben.
Dies blieb länger als eine Woche in dem nehm- lichen Schlender, ich irrte mich aber ganz in der Meinung, daß Dorchen noch keinerlei Argwohn hegen würde, ich dachte nicht daran, daß ihr mein kaltes Stillschweigen auffallen müsse, wenn auch unter uns noch alles auf dem vorigen Fuß gewe- sen wäre, um so mehr aber jetzt, da ich ihr ge- zeigt hatte, daß ich mich leicht über Bedenklich- keiten wegsetzen konnte.
Sie
wenigſtens bemuͤhte ſie ſich, jede traurige Ah- nung zuruͤckzuſchlagen, und die Beſorgniß der Ma- dam Starkinn um mich zu theilen. Dieſe ſchickte taͤglich zweimal, um Nachrichten von meinem Be- finden [einzu][unleserliches Material]en, Dorothea ließ aber immer nur mit gruͤſſen, es gab kein Billetchen, worinnen ſie, wie vor dem Vorgang im Waͤldchen gewiß geſche- hen waͤre, ihren zaͤrtlichen Kummer um mich aus- gedruͤckt haͤtte. Mir war dies ſehr erwuͤnſcht, denn ich war nun der Muͤhe uͤberhoben, ihr einige Zei- len dagegen zu ſchreiben, oder doch etwas verbind- liches ſagen zu laſſen; auch ließ ich es immer bei einem beide Frauenzimmer angehenden Gegencom- pliment bewenden, und auf die Frage nach meinem Befinden, die Krankheit ſehr ſchlimm und hart- naͤckig angeben.
Dies blieb laͤnger als eine Woche in dem nehm- lichen Schlender, ich irrte mich aber ganz in der Meinung, daß Dorchen noch keinerlei Argwohn hegen wuͤrde, ich dachte nicht daran, daß ihr mein kaltes Stillſchweigen auffallen muͤſſe, wenn auch unter uns noch alles auf dem vorigen Fuß gewe- ſen waͤre, um ſo mehr aber jetzt, da ich ihr ge- zeigt hatte, daß ich mich leicht uͤber Bedenklich- keiten wegſetzen konnte.
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wenigſtens bemuͤhte ſie ſich, jede traurige Ah-
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dam Starkinn um mich zu theilen. Dieſe ſchickte
taͤglich zweimal, um Nachrichten von meinem Be-
finden einzu_ en, Dorothea ließ aber immer nur
mit gruͤſſen, es gab kein Billetchen, worinnen ſie,
wie vor dem Vorgang im Waͤldchen gewiß geſche-
hen waͤre, ihren zaͤrtlichen Kummer um mich aus-
gedruͤckt haͤtte. Mir war dies ſehr erwuͤnſcht, denn
ich war nun der Muͤhe uͤberhoben, ihr einige Zei-
len dagegen zu ſchreiben, oder doch etwas verbind-
liches ſagen zu laſſen; auch ließ ich es immer bei
einem beide Frauenzimmer angehenden Gegencom-
pliment bewenden, und auf die Frage nach meinem
Befinden, die Krankheit ſehr ſchlimm und hart-
naͤckig angeben.
Dies blieb laͤnger als eine Woche in dem nehm-
lichen Schlender, ich irrte mich aber ganz in der
Meinung, daß Dorchen noch keinerlei Argwohn
hegen wuͤrde, ich dachte nicht daran, daß ihr mein
kaltes Stillſchweigen auffallen muͤſſe, wenn auch
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/354>, abgerufen am 22.11.2024.
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