Viel hätte zwar diese Nachricht, welche mir am nehmlichen Abend, wo ich das letztemal von ihr ge- gangen, ertheilt worden wäre, zu meiner Krankheit beigetragen, allein ich wollte mir Mühe geben, mich über ihre Falschheit und Treulosigkeit wegzusetzen. Jch hätte immer während meiner Krankheit gehofft, daß sie mich mit ihrer Tante auf einen Augenblick besuchen würde, welches mir wahre Theilnahme be- wiesen haben würde, und die Braut, eben so gut hätte thun können, als sie Bestimmung des Tages, wo ich ihr wieder aufwarten würde, forderte. Aber mein Arzt habe mir gestern, als Bestätigung ihrer Nachricht aus Freundes Mund, hinterbracht, daß ihr vielmehr seine Versicherung, es würde besser mit mir, eine Schreckenspost gewesen sei. Nun hätte ich also Ueberzeugung genug, daß nicht Liebe, son- dern vielleicht eine ganz andre Absicht, sie zur Ver- bindung mit mir bewogen, aber sie würde mir auch verzeihen, wenn ich von diesem Augenblick an un- sern Umgang abbräche, und mein Wort zurücknähme. Kampf genug hätte mich die Nachricht, wie sehr ich getäuscht sei, gekostet, ja ich gestünde, daß ich, um zu wissen, was ich glauben müßte, die Gefahr meiner Krankheit vergrößert hätte, damit ich sehen möchte, ob sie nicht zu mir kommen würde, indem ichs für gar zu natürlich gehalten, daß eine lie- be Braut ihren Verlobten bei solchen Umständen selbst sehen wollte. Ein persönlicher Besuch hätte mich also beruhigen können, doch sie hätte sich auf die gleichgültigste Art von der Welt verhalten, und aus Furcht, daß die Köchinn die Berichte meines
Uebel-
Viel haͤtte zwar dieſe Nachricht, welche mir am nehmlichen Abend, wo ich das letztemal von ihr ge- gangen, ertheilt worden waͤre, zu meiner Krankheit beigetragen, allein ich wollte mir Muͤhe geben, mich uͤber ihre Falſchheit und Treuloſigkeit wegzuſetzen. Jch haͤtte immer waͤhrend meiner Krankheit gehofft, daß ſie mich mit ihrer Tante auf einen Augenblick beſuchen wuͤrde, welches mir wahre Theilnahme be- wieſen haben wuͤrde, und die Braut, eben ſo gut haͤtte thun koͤnnen, als ſie Beſtimmung des Tages, wo ich ihr wieder aufwarten wuͤrde, forderte. Aber mein Arzt habe mir geſtern, als Beſtaͤtigung ihrer Nachricht aus Freundes Mund, hinterbracht, daß ihr vielmehr ſeine Verſicherung, es wuͤrde beſſer mit mir, eine Schreckenspoſt geweſen ſei. Nun haͤtte ich alſo Ueberzeugung genug, daß nicht Liebe, ſon- dern vielleicht eine ganz andre Abſicht, ſie zur Ver- bindung mit mir bewogen, aber ſie wuͤrde mir auch verzeihen, wenn ich von dieſem Augenblick an un- ſern Umgang abbraͤche, und mein Wort zuruͤcknaͤhme. Kampf genug haͤtte mich die Nachricht, wie ſehr ich getaͤuſcht ſei, gekoſtet, ja ich geſtuͤnde, daß ich, um zu wiſſen, was ich glauben muͤßte, die Gefahr meiner Krankheit vergroͤßert haͤtte, damit ich ſehen moͤchte, ob ſie nicht zu mir kommen wuͤrde, indem ichs fuͤr gar zu natuͤrlich gehalten, daß eine lie- be Braut ihren Verlobten bei ſolchen Umſtaͤnden ſelbſt ſehen wollte. Ein perſoͤnlicher Beſuch haͤtte mich alſo beruhigen koͤnnen, doch ſie haͤtte ſich auf die gleichguͤltigſte Art von der Welt verhalten, und aus Furcht, daß die Koͤchinn die Berichte meines
Uebel-
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Viel haͤtte zwar dieſe Nachricht, welche mir am
nehmlichen Abend, wo ich das letztemal von ihr ge-
gangen, ertheilt worden waͤre, zu meiner Krankheit
beigetragen, allein ich wollte mir Muͤhe geben, mich
uͤber ihre Falſchheit und Treuloſigkeit wegzuſetzen.
Jch haͤtte immer waͤhrend meiner Krankheit gehofft,
daß ſie mich mit ihrer Tante auf einen Augenblick
beſuchen wuͤrde, welches mir wahre Theilnahme be-
wieſen haben wuͤrde, und die Braut, eben ſo gut
haͤtte thun koͤnnen, als ſie Beſtimmung des Tages,
wo ich ihr wieder aufwarten wuͤrde, forderte. Aber
mein Arzt habe mir geſtern, als Beſtaͤtigung ihrer
Nachricht aus Freundes Mund, hinterbracht, daß
ihr vielmehr ſeine Verſicherung, es wuͤrde beſſer mit
mir, eine Schreckenspoſt geweſen ſei. Nun haͤtte
ich alſo Ueberzeugung genug, daß nicht Liebe, ſon-
dern vielleicht eine ganz andre Abſicht, ſie zur Ver-
bindung mit mir bewogen, aber ſie wuͤrde mir auch
verzeihen, wenn ich von dieſem Augenblick an un-
ſern Umgang abbraͤche, und mein Wort zuruͤcknaͤhme.
Kampf genug haͤtte mich die Nachricht, wie ſehr
ich getaͤuſcht ſei, gekoſtet, ja ich geſtuͤnde, daß ich,
um zu wiſſen, was ich glauben muͤßte, die Gefahr
meiner Krankheit vergroͤßert haͤtte, damit ich ſehen
moͤchte, ob ſie nicht zu mir kommen wuͤrde, indem
ichs fuͤr gar zu natuͤrlich gehalten, daß eine lie-
be Braut ihren Verlobten bei ſolchen Umſtaͤnden
ſelbſt ſehen wollte. Ein perſoͤnlicher Beſuch haͤtte
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/358>, abgerufen am 22.11.2024.
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