Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

Weiter, sagte Celestin, in dem Bericht sei-
ner Großthaten, daß er immer an denen die meh-
reste Freude erlebt, welche aufrichtig in ihren Er-
zählungen gewesen, ja sich so gar nicht leicht hätten
überzeugen lassen, daß sie auf dem Wege des La-
sters wären. Von denen aber, welche Besserung
geheuchelt hätten, wäre er immer betrogen worden,
so daß sie nachdem sie aus seiner Aufsicht gewesen,
es toller, als vorher gemacht hätten. Daher hätte
er auch keine Hoffnung bei solchen, die sich nach ei-
nem wüsten Leben auf einmal gut und willig zur Tu-
gend stellten.

Da ich also sowohl Celestin auf eine neue Art
betrügen, als meinen Onele je eher je lieber um
einen Theil seines Vermögens, wenn es nicht um
das ganze sein könnte, bringen wollte; so nahm ich
mir vor zu thun, was mir ohnehin soviel Vergnü-
gen gewährte d. h. ich begann zu behaupten, daß es
eine Grille sei, den mannichfaltigen Freuden eines
zügellosen Lebens zu entsagen, ja ich spottete den
Schilderungen von dem Reitz der Tugend, die mir
Celestin machte, und erzählte ihm, wie es meine
Leser im vorigen besonders im ersten Theil meines
Buchs ersehn haben, alle bunte und krause Bege-
benheiten vor und nach meiner Erscheinung in der
Welt mit Lachen und Beweisen meines Beifalls.
Nur zuweilen hielt ich es für nöthig, ein wenig
nachzugeben und hauptsächlich war ich dahin bedacht,
ihm eine Gutmüthigkeit bemerken zu lassen, die er
für völlig natürlich hielt. Um ihrentwillen setzte er
die größte Hoffnung auf mich; indem er fest be-
hauptete, daß bei einem lockern Menschen, dessen

Herz

Weiter, ſagte Celeſtin, in dem Bericht ſei-
ner Großthaten, daß er immer an denen die meh-
reſte Freude erlebt, welche aufrichtig in ihren Er-
zaͤhlungen geweſen, ja ſich ſo gar nicht leicht haͤtten
uͤberzeugen laſſen, daß ſie auf dem Wege des La-
ſters waͤren. Von denen aber, welche Beſſerung
geheuchelt haͤtten, waͤre er immer betrogen worden,
ſo daß ſie nachdem ſie aus ſeiner Aufſicht geweſen,
es toller, als vorher gemacht haͤtten. Daher haͤtte
er auch keine Hoffnung bei ſolchen, die ſich nach ei-
nem wuͤſten Leben auf einmal gut und willig zur Tu-
gend ſtellten.

Da ich alſo ſowohl Celeſtin auf eine neue Art
betruͤgen, als meinen Onele je eher je lieber um
einen Theil ſeines Vermoͤgens, wenn es nicht um
das ganze ſein koͤnnte, bringen wollte; ſo nahm ich
mir vor zu thun, was mir ohnehin ſoviel Vergnuͤ-
gen gewaͤhrte d. h. ich begann zu behaupten, daß es
eine Grille ſei, den mannichfaltigen Freuden eines
zuͤgelloſen Lebens zu entſagen, ja ich ſpottete den
Schilderungen von dem Reitz der Tugend, die mir
Celeſtin machte, und erzaͤhlte ihm, wie es meine
Leſer im vorigen beſonders im erſten Theil meines
Buchs erſehn haben, alle bunte und krauſe Bege-
benheiten vor und nach meiner Erſcheinung in der
Welt mit Lachen und Beweiſen meines Beifalls.
Nur zuweilen hielt ich es fuͤr noͤthig, ein wenig
nachzugeben und hauptſaͤchlich war ich dahin bedacht,
ihm eine Gutmuͤthigkeit bemerken zu laſſen, die er
fuͤr voͤllig natuͤrlich hielt. Um ihrentwillen ſetzte er
die groͤßte Hoffnung auf mich; indem er feſt be-
hauptete, daß bei einem lockern Menſchen, deſſen

Herz
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0467" n="463"/>
        <p>Weiter, &#x017F;agte Cele&#x017F;tin, in dem Bericht &#x017F;ei-<lb/>
ner Großthaten, daß er immer an denen die meh-<lb/>
re&#x017F;te Freude erlebt, welche aufrichtig in ihren Er-<lb/>
za&#x0364;hlungen gewe&#x017F;en, ja &#x017F;ich &#x017F;o gar nicht leicht ha&#x0364;tten<lb/>
u&#x0364;berzeugen la&#x017F;&#x017F;en, daß &#x017F;ie auf dem Wege des La-<lb/>
&#x017F;ters wa&#x0364;ren. Von denen aber, welche Be&#x017F;&#x017F;erung<lb/>
geheuchelt ha&#x0364;tten, wa&#x0364;re er immer betrogen worden,<lb/>
&#x017F;o daß &#x017F;ie nachdem &#x017F;ie aus &#x017F;einer Auf&#x017F;icht gewe&#x017F;en,<lb/>
es toller, als vorher gemacht ha&#x0364;tten. Daher ha&#x0364;tte<lb/>
er auch keine Hoffnung bei &#x017F;olchen, die &#x017F;ich nach ei-<lb/>
nem wu&#x0364;&#x017F;ten Leben auf einmal gut und willig zur Tu-<lb/>
gend &#x017F;tellten.</p><lb/>
        <p>Da ich al&#x017F;o &#x017F;owohl Cele&#x017F;tin auf eine neue Art<lb/>
betru&#x0364;gen, als meinen Onele je eher je lieber um<lb/>
einen Theil &#x017F;eines Vermo&#x0364;gens, wenn es nicht um<lb/>
das ganze &#x017F;ein ko&#x0364;nnte, bringen wollte; &#x017F;o nahm ich<lb/>
mir vor zu thun, was mir ohnehin &#x017F;oviel Vergnu&#x0364;-<lb/>
gen gewa&#x0364;hrte d. h. ich begann zu behaupten, daß es<lb/>
eine Grille &#x017F;ei, den mannichfaltigen Freuden eines<lb/>
zu&#x0364;gello&#x017F;en Lebens zu ent&#x017F;agen, ja ich &#x017F;pottete den<lb/>
Schilderungen von dem Reitz der Tugend, die mir<lb/>
Cele&#x017F;tin machte, und erza&#x0364;hlte ihm, wie es meine<lb/>
Le&#x017F;er im vorigen be&#x017F;onders im er&#x017F;ten Theil meines<lb/>
Buchs er&#x017F;ehn haben, alle bunte und krau&#x017F;e Bege-<lb/>
benheiten vor und nach meiner Er&#x017F;cheinung in der<lb/>
Welt mit Lachen und Bewei&#x017F;en meines Beifalls.<lb/>
Nur zuweilen hielt ich es fu&#x0364;r no&#x0364;thig, ein wenig<lb/>
nachzugeben und haupt&#x017F;a&#x0364;chlich war ich dahin bedacht,<lb/>
ihm eine Gutmu&#x0364;thigkeit bemerken zu la&#x017F;&#x017F;en, die er<lb/>
fu&#x0364;r vo&#x0364;llig natu&#x0364;rlich hielt. Um ihrentwillen &#x017F;etzte er<lb/>
die gro&#x0364;ßte Hoffnung auf mich; indem er fe&#x017F;t be-<lb/>
hauptete, daß bei einem lockern Men&#x017F;chen, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Herz</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[463/0467] Weiter, ſagte Celeſtin, in dem Bericht ſei- ner Großthaten, daß er immer an denen die meh- reſte Freude erlebt, welche aufrichtig in ihren Er- zaͤhlungen geweſen, ja ſich ſo gar nicht leicht haͤtten uͤberzeugen laſſen, daß ſie auf dem Wege des La- ſters waͤren. Von denen aber, welche Beſſerung geheuchelt haͤtten, waͤre er immer betrogen worden, ſo daß ſie nachdem ſie aus ſeiner Aufſicht geweſen, es toller, als vorher gemacht haͤtten. Daher haͤtte er auch keine Hoffnung bei ſolchen, die ſich nach ei- nem wuͤſten Leben auf einmal gut und willig zur Tu- gend ſtellten. Da ich alſo ſowohl Celeſtin auf eine neue Art betruͤgen, als meinen Onele je eher je lieber um einen Theil ſeines Vermoͤgens, wenn es nicht um das ganze ſein koͤnnte, bringen wollte; ſo nahm ich mir vor zu thun, was mir ohnehin ſoviel Vergnuͤ- gen gewaͤhrte d. h. ich begann zu behaupten, daß es eine Grille ſei, den mannichfaltigen Freuden eines zuͤgelloſen Lebens zu entſagen, ja ich ſpottete den Schilderungen von dem Reitz der Tugend, die mir Celeſtin machte, und erzaͤhlte ihm, wie es meine Leſer im vorigen beſonders im erſten Theil meines Buchs erſehn haben, alle bunte und krauſe Bege- benheiten vor und nach meiner Erſcheinung in der Welt mit Lachen und Beweiſen meines Beifalls. Nur zuweilen hielt ich es fuͤr noͤthig, ein wenig nachzugeben und hauptſaͤchlich war ich dahin bedacht, ihm eine Gutmuͤthigkeit bemerken zu laſſen, die er fuͤr voͤllig natuͤrlich hielt. Um ihrentwillen ſetzte er die groͤßte Hoffnung auf mich; indem er feſt be- hauptete, daß bei einem lockern Menſchen, deſſen Herz

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/467
Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/467>, abgerufen am 02.06.2024.