Rücksicht lebte, so war ich schwach und kränklich. Dieser Zustand, welcher sich während ich im Arrest war, verschlimmerte und noch nicht gehoben ist, be- nahm mir den Muth, wieder in die Welt hinein zu jubeln, ich brauchte und wünschte Ruhe.
Der Minister wollte mich noch einmal spre- chen, und hatte mich zu sich bestellt. Jch erzählte ihm bey dieser zweiten Unterredung die Begeben- heiten meiner Mutter, von da an, wo er keine Nachrichten weiter von uns erhalten hatte, und dann aufrichtig genug die Meinigen. Er schwieg zu den Gemählden, die ich ihm aufstellte, nur ein mißbilligendes Kopfschütteln oder ein Seufzer ließ mich mit unter seine Bemerkungen darüber muth- maßen. Noch einmal wiederholte er seine Ver- mahnungen, gab mir manchen guten Rath und äußerte, da er einige Kenntnisse bei mir fand, den Wunsch, daß ich nach wiedererlangter Gesundheit darauf denken möchte, irgend nützlich zu werden, in welchem Fall ich mich auch bei ihm melden könnte. Zuletzt reichte er mir eine gefüllte Bör- se, um meine Rückreise mit einiger Bequemlich- keit machen zu können, und nun hielt ich ihn erst mit Ueberzeugung für einen braven Mann, da ich vorher nicht ungeneigt wär zu glauben, er sei ein Zauberer, welcher in seine Blicke und Worte eine geheime Kraft zu legen wisse, wodurch man sich hinreißen ließ, ihn hochzuachten, ihm recht zu geben und bis zur wirklichen Rührung des Herzens gefesselt würde, ohne durch Untersuchung seines Systems wirklich überzeugt zu sein.
Als er mich entlassen hatte, suchte ich mein Verlangen nach seiner Geschichte zu befriedigen, denn noch hatte ich nicht erfahren können, wie sich der Graf Pardenhein zu Herrn Felß und dieser wieder zu dem Grasen Pardenhein umgeformt hatte. Ein Secretair, den er bei sich hatte, that mir den Gefallen, mir, so viel es die Zeit verstattete, davon mitzutheilen, ich aber muß diesen Bericht
aus
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Ruͤckſicht lebte, ſo war ich ſchwach und kraͤnklich. Dieſer Zuſtand, welcher ſich waͤhrend ich im Arreſt war, verſchlimmerte und noch nicht gehoben iſt, be- nahm mir den Muth, wieder in die Welt hinein zu jubeln, ich brauchte und wuͤnſchte Ruhe.
Der Miniſter wollte mich noch einmal ſpre- chen, und hatte mich zu ſich beſtellt. Jch erzaͤhlte ihm bey dieſer zweiten Unterredung die Begeben- heiten meiner Mutter, von da an, wo er keine Nachrichten weiter von uns erhalten hatte, und dann aufrichtig genug die Meinigen. Er ſchwieg zu den Gemaͤhlden, die ich ihm aufſtellte, nur ein mißbilligendes Kopfſchuͤtteln oder ein Seufzer ließ mich mit unter ſeine Bemerkungen daruͤber muth- maßen. Noch einmal wiederholte er ſeine Ver- mahnungen, gab mir manchen guten Rath und aͤußerte, da er einige Kenntniſſe bei mir fand, den Wunſch, daß ich nach wiedererlangter Geſundheit darauf denken moͤchte, irgend nuͤtzlich zu werden, in welchem Fall ich mich auch bei ihm melden koͤnnte. Zuletzt reichte er mir eine gefuͤllte Boͤr- ſe, um meine Ruͤckreiſe mit einiger Bequemlich- keit machen zu koͤnnen, und nun hielt ich ihn erſt mit Ueberzeugung fuͤr einen braven Mann, da ich vorher nicht ungeneigt waͤr zu glauben, er ſei ein Zauberer, welcher in ſeine Blicke und Worte eine geheime Kraft zu legen wiſſe, wodurch man ſich hinreißen ließ, ihn hochzuachten, ihm recht zu geben und bis zur wirklichen Ruͤhrung des Herzens gefeſſelt wuͤrde, ohne durch Unterſuchung ſeines Syſtems wirklich uͤberzeugt zu ſein.
Als er mich entlaſſen hatte, ſuchte ich mein Verlangen nach ſeiner Geſchichte zu befriedigen, denn noch hatte ich nicht erfahren koͤnnen, wie ſich der Graf Pardenhein zu Herrn Felß und dieſer wieder zu dem Graſen Pardenhein umgeformt hatte. Ein Secretair, den er bei ſich hatte, that mir den Gefallen, mir, ſo viel es die Zeit verſtattete, davon mitzutheilen, ich aber muß dieſen Bericht
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Ruͤckſicht lebte, ſo war ich ſchwach und kraͤnklich.
Dieſer Zuſtand, welcher ſich waͤhrend ich im Arreſt
war, verſchlimmerte und noch nicht gehoben iſt, be-
nahm mir den Muth, wieder in die Welt hinein
zu jubeln, ich brauchte und wuͤnſchte Ruhe.
Der Miniſter wollte mich noch einmal ſpre-
chen, und hatte mich zu ſich beſtellt. Jch erzaͤhlte
ihm bey dieſer zweiten Unterredung die Begeben-
heiten meiner Mutter, von da an, wo er keine
Nachrichten weiter von uns erhalten hatte, und
dann aufrichtig genug die Meinigen. Er ſchwieg
zu den Gemaͤhlden, die ich ihm aufſtellte, nur ein
mißbilligendes Kopfſchuͤtteln oder ein Seufzer ließ
mich mit unter ſeine Bemerkungen daruͤber muth-
maßen. Noch einmal wiederholte er ſeine Ver-
mahnungen, gab mir manchen guten Rath und
aͤußerte, da er einige Kenntniſſe bei mir fand, den
Wunſch, daß ich nach wiedererlangter Geſundheit
darauf denken moͤchte, irgend nuͤtzlich zu werden,
in welchem Fall ich mich auch bei ihm melden
koͤnnte. Zuletzt reichte er mir eine gefuͤllte Boͤr-
ſe, um meine Ruͤckreiſe mit einiger Bequemlich-
keit machen zu koͤnnen, und nun hielt ich ihn
erſt mit Ueberzeugung fuͤr einen braven Mann,
da ich vorher nicht ungeneigt waͤr zu glauben, er
ſei ein Zauberer, welcher in ſeine Blicke und
Worte eine geheime Kraft zu legen wiſſe, wodurch
man ſich hinreißen ließ, ihn hochzuachten, ihm recht
zu geben und bis zur wirklichen Ruͤhrung des
Herzens gefeſſelt wuͤrde, ohne durch Unterſuchung
ſeines Syſtems wirklich uͤberzeugt zu ſein.
Als er mich entlaſſen hatte, ſuchte ich mein
Verlangen nach ſeiner Geſchichte zu befriedigen,
denn noch hatte ich nicht erfahren koͤnnen, wie
ſich der Graf Pardenhein zu Herrn Felß und dieſer
wieder zu dem Graſen Pardenhein umgeformt hatte.
Ein Secretair, den er bei ſich hatte, that mir
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/491>, abgerufen am 22.11.2024.
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