sonst fremden Gefühl überfallen war. Jch dankte ihm aufrichtig, indem ich mich zugleich zum er- stenmal in meinem Leben so beschämt fühlte, daß ich kaum die Augen zu meinem Retter aufzuhe- ben vermochte, bemerkte aber doch, daß er mit meinem Betragen zufrieden war, gutes daraus schloß, und deshalb ein doppeltes Vergnügen em- pfand, mich gerettet zu haben. Unter andern wendete er sich, indem ich noch zugegen war, zu dem General und sagte: wir dürfen nicht leugnen, daß es der Seligkeiten viel schon hienieden giebt, wenn wir sie nur zu finden wissen. Der Gast- wirth Schnitzer, welcher aus dem redlichsten Grunde mein treuer Anhänger war, wünschte im- mer, daß ich seinen Sohn erziehen möchte; dieß konnte nicht geschehn, ich mußte ihn vielmehr dem Verderben überlassen, und nun findet sich ei- ne Gelegenheit, wo ich vielleicht zur Verbesserung dieser Erziehung beitrug, indem ich zugleich sein Leben rette. So ist denn der Wunsch jenes guten Manues, so wie der Meinige erfullt und zugleich meine Dankbarkeit gegen den Verstorbenen bewie- sen. Freuden dieser Art hat mir die Vorsehung während einiger Zeit mehrere zugetheilt."
Nachdem ich mich nun auch bei dem Herrn General bedankt hatte, ging ich mit dem festen Vorsatz weg, mich auf mein Gütchen zu bege- ben, so bald ich Reisegeld haben würde und da- zu hatte ich außer den eingedrungenen Vorstellun- gen des Grafen Pardenhein noch eine sehr trif- tige Ursach.
Da ich schon als Knabe die Wollust kennen lernte, da ich, noch kaum in die Jünglings-Jah- re gerückt, mir durch sie eine entnervende Krank- heit zuzog, deren Spuren immer im Körper blie- ben, da ich demohnerachtet, wenn auch mit meh- rerer Behutsamkeit, fortfuhr, die Freuden der Göttinn Venus zu genießen, mit jener Rike, deren sich meine Leser erinnern werden, schwelgte und in den beiden Garnisonen ohne Behutsamkeit und
Rück-
ſonſt fremden Gefuͤhl uͤberfallen war. Jch dankte ihm aufrichtig, indem ich mich zugleich zum er- ſtenmal in meinem Leben ſo beſchaͤmt fuͤhlte, daß ich kaum die Augen zu meinem Retter aufzuhe- ben vermochte, bemerkte aber doch, daß er mit meinem Betragen zufrieden war, gutes daraus ſchloß, und deshalb ein doppeltes Vergnuͤgen em- pfand, mich gerettet zu haben. Unter andern wendete er ſich, indem ich noch zugegen war, zu dem General und ſagte: wir duͤrfen nicht leugnen, daß es der Seligkeiten viel ſchon hienieden giebt, wenn wir ſie nur zu finden wiſſen. Der Gaſt- wirth Schnitzer, welcher aus dem redlichſten Grunde mein treuer Anhaͤnger war, wuͤnſchte im- mer, daß ich ſeinen Sohn erziehen moͤchte; dieß konnte nicht geſchehn, ich mußte ihn vielmehr dem Verderben uͤberlaſſen, und nun findet ſich ei- ne Gelegenheit, wo ich vielleicht zur Verbeſſerung dieſer Erziehung beitrug, indem ich zugleich ſein Leben rette. So iſt denn der Wunſch jenes guten Manues, ſo wie der Meinige erfullt und zugleich meine Dankbarkeit gegen den Verſtorbenen bewie- ſen. Freuden dieſer Art hat mir die Vorſehung waͤhrend einiger Zeit mehrere zugetheilt.“
Nachdem ich mich nun auch bei dem Herrn General bedankt hatte, ging ich mit dem feſten Vorſatz weg, mich auf mein Guͤtchen zu bege- ben, ſo bald ich Reiſegeld haben wuͤrde und da- zu hatte ich außer den eingedrungenen Vorſtellun- gen des Grafen Pardenhein noch eine ſehr trif- tige Urſach.
Da ich ſchon als Knabe die Wolluſt kennen lernte, da ich, noch kaum in die Juͤnglings-Jah- re geruͤckt, mir durch ſie eine entnervende Krank- heit zuzog, deren Spuren immer im Koͤrper blie- ben, da ich demohnerachtet, wenn auch mit meh- rerer Behutſamkeit, fortfuhr, die Freuden der Goͤttinn Venus zu genießen, mit jener Rike, deren ſich meine Leſer erinnern werden, ſchwelgte und in den beiden Garniſonen ohne Behutſamkeit und
Ruͤck-
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ſonſt fremden Gefuͤhl uͤberfallen war. Jch dankte
ihm aufrichtig, indem ich mich zugleich zum er-
ſtenmal in meinem Leben ſo beſchaͤmt fuͤhlte, daß
ich kaum die Augen zu meinem Retter aufzuhe-
ben vermochte, bemerkte aber doch, daß er mit
meinem Betragen zufrieden war, gutes daraus
ſchloß, und deshalb ein doppeltes Vergnuͤgen em-
pfand, mich gerettet zu haben. Unter andern
wendete er ſich, indem ich noch zugegen war, zu
dem General und ſagte: wir duͤrfen nicht leugnen,
daß es der Seligkeiten viel ſchon hienieden giebt,
wenn wir ſie nur zu finden wiſſen. Der Gaſt-
wirth Schnitzer, welcher aus dem redlichſten
Grunde mein treuer Anhaͤnger war, wuͤnſchte im-
mer, daß ich ſeinen Sohn erziehen moͤchte; dieß
konnte nicht geſchehn, ich mußte ihn vielmehr
dem Verderben uͤberlaſſen, und nun findet ſich ei-
ne Gelegenheit, wo ich vielleicht zur Verbeſſerung
dieſer Erziehung beitrug, indem ich zugleich ſein
Leben rette. So iſt denn der Wunſch jenes guten
Manues, ſo wie der Meinige erfullt und zugleich
meine Dankbarkeit gegen den Verſtorbenen bewie-
ſen. Freuden dieſer Art hat mir die Vorſehung
waͤhrend einiger Zeit mehrere zugetheilt.“
Nachdem ich mich nun auch bei dem Herrn
General bedankt hatte, ging ich mit dem feſten
Vorſatz weg, mich auf mein Guͤtchen zu bege-
ben, ſo bald ich Reiſegeld haben wuͤrde und da-
zu hatte ich außer den eingedrungenen Vorſtellun-
gen des Grafen Pardenhein noch eine ſehr trif-
tige Urſach.
Da ich ſchon als Knabe die Wolluſt kennen
lernte, da ich, noch kaum in die Juͤnglings-Jah-
re geruͤckt, mir durch ſie eine entnervende Krank-
heit zuzog, deren Spuren immer im Koͤrper blie-
ben, da ich demohnerachtet, wenn auch mit meh-
rerer Behutſamkeit, fortfuhr, die Freuden der
Goͤttinn Venus zu genießen, mit jener Rike, deren
ſich meine Leſer erinnern werden, ſchwelgte und
in den beiden Garniſonen ohne Behutſamkeit und
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/490>, abgerufen am 22.11.2024.
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