Uebelthaten zu begehn, wenn Du Dich nicht bes- sern wolltest. Bei dieser Ueberlegung sollte ich Dich lieber Deinem Schicksal überlassen haben. Doch da ich durch Deinen Namen aufmerksam gemacht, die Acten Deines Processes mir geben ließ, und nun fand, daß Du wirklich der Sohn des rechtschaffenen Gastwirth Schnitzers bist, der mir, als ich unter dem Namen Felß in deiner Vaterstadt war, so viel uneigennützige, edelmü- thige Anhänglichkeit zeigte, so konnte ich mich nicht entschließen seinen Sohn mit Gleich- gültigkeit einen so schmählichen Tod sterben zu sehn. Jch machte eine Reise hierher und erzählte dem Herrn, dessen Güte Du so gemißbraucht, von des ehrlichen Gastwirth Schnitzers Leben und Lei- den, von seiner Herzensgüte und Biederkeit, von meinen Verbindlichkeiten gegen ihn und endlich von Deiner Erziehung, welche Dich einigermaßen entschuldigt. Jch bat ihn, mir zu gestatten, daß ich den Monarchen um Begnadigung für Dich bitten durfte, suchte und erhielt sie dann. Du würdest, da Du aus Zwang gedient hast, viel- leicht nur zur Rückkehr in neue Verbrechen be- wogen werden, wenn Du länger Soldat bliebst; also habe ich, um nichts halb, oder gar etwas zu thun, woraus mehr böses erfolgte, auch die Erlaubniß in Dein Vaterland zurückkehren zu kön- nen, für Dich erhalten. Aus Deinen Verhören habe ich gesehn, daß Du ein Gut von Deines Vaters Bruder geerbt hast, begieb Dich auf das- selbe und lebe als ein vernünftiger Mensch ru- hig und still, und vergiß diesen Augenblick so wie die traurige und entehrende Strafe, der Du so nahe warst, ja nicht! So gewarnt und so betroffen, dächte ich, sollte Deine Besserung nicht fehlen können.
Mehr als alles, was ich von Vermahnung, Warnung und Vorstellungen aller Art jemals ge- hört hatte, wirkte das, was Graf Pardenhein sagte, auf mich, da ich einmal von einem mir
sonst
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Uebelthaten zu begehn, wenn Du Dich nicht bes- ſern wollteſt. Bei dieſer Ueberlegung ſollte ich Dich lieber Deinem Schickſal uͤberlaſſen haben. Doch da ich durch Deinen Namen aufmerkſam gemacht, die Acten Deines Proceſſes mir geben ließ, und nun fand, daß Du wirklich der Sohn des rechtſchaffenen Gaſtwirth Schnitzers biſt, der mir, als ich unter dem Namen Felß in deiner Vaterſtadt war, ſo viel uneigennuͤtzige, edelmuͤ- thige Anhaͤnglichkeit zeigte, ſo konnte ich mich nicht entſchließen ſeinen Sohn mit Gleich- guͤltigkeit einen ſo ſchmaͤhlichen Tod ſterben zu ſehn. Jch machte eine Reiſe hierher und erzaͤhlte dem Herrn, deſſen Guͤte Du ſo gemißbraucht, von des ehrlichen Gaſtwirth Schnitzers Leben und Lei- den, von ſeiner Herzensguͤte und Biederkeit, von meinen Verbindlichkeiten gegen ihn und endlich von Deiner Erziehung, welche Dich einigermaßen entſchuldigt. Jch bat ihn, mir zu geſtatten, daß ich den Monarchen um Begnadigung fuͤr Dich bitten durfte, ſuchte und erhielt ſie dann. Du wuͤrdeſt, da Du aus Zwang gedient haſt, viel- leicht nur zur Ruͤckkehr in neue Verbrechen be- wogen werden, wenn Du laͤnger Soldat bliebſt; alſo habe ich, um nichts halb, oder gar etwas zu thun, woraus mehr boͤſes erfolgte, auch die Erlaubniß in Dein Vaterland zuruͤckkehren zu koͤn- nen, fuͤr Dich erhalten. Aus Deinen Verhoͤren habe ich geſehn, daß Du ein Gut von Deines Vaters Bruder geerbt haſt, begieb Dich auf das- ſelbe und lebe als ein vernuͤnftiger Menſch ru- hig und ſtill, und vergiß dieſen Augenblick ſo wie die traurige und entehrende Strafe, der Du ſo nahe warſt, ja nicht! So gewarnt und ſo betroffen, daͤchte ich, ſollte Deine Beſſerung nicht fehlen koͤnnen.
Mehr als alles, was ich von Vermahnung, Warnung und Vorſtellungen aller Art jemals ge- hoͤrt hatte, wirkte das, was Graf Pardenhein ſagte, auf mich, da ich einmal von einem mir
ſonſt
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Uebelthaten zu begehn, wenn Du Dich nicht bes-
ſern wollteſt. Bei dieſer Ueberlegung ſollte ich
Dich lieber Deinem Schickſal uͤberlaſſen haben.
Doch da ich durch Deinen Namen aufmerkſam
gemacht, die Acten Deines Proceſſes mir geben
ließ, und nun fand, daß Du wirklich der Sohn
des rechtſchaffenen Gaſtwirth Schnitzers biſt, der
mir, als ich unter dem Namen Felß in deiner
Vaterſtadt war, ſo viel uneigennuͤtzige, edelmuͤ-
thige Anhaͤnglichkeit zeigte, ſo konnte ich mich
nicht entſchließen ſeinen Sohn mit Gleich-
guͤltigkeit einen ſo ſchmaͤhlichen Tod ſterben zu
ſehn. Jch machte eine Reiſe hierher und erzaͤhlte
dem Herrn, deſſen Guͤte Du ſo gemißbraucht, von
des ehrlichen Gaſtwirth Schnitzers Leben und Lei-
den, von ſeiner Herzensguͤte und Biederkeit, von
meinen Verbindlichkeiten gegen ihn und endlich
von Deiner Erziehung, welche Dich einigermaßen
entſchuldigt. Jch bat ihn, mir zu geſtatten, daß
ich den Monarchen um Begnadigung fuͤr Dich
bitten durfte, ſuchte und erhielt ſie dann. Du
wuͤrdeſt, da Du aus Zwang gedient haſt, viel-
leicht nur zur Ruͤckkehr in neue Verbrechen be-
wogen werden, wenn Du laͤnger Soldat bliebſt;
alſo habe ich, um nichts halb, oder gar etwas
zu thun, woraus mehr boͤſes erfolgte, auch die
Erlaubniß in Dein Vaterland zuruͤckkehren zu koͤn-
nen, fuͤr Dich erhalten. Aus Deinen Verhoͤren
habe ich geſehn, daß Du ein Gut von Deines
Vaters Bruder geerbt haſt, begieb Dich auf das-
ſelbe und lebe als ein vernuͤnftiger Menſch ru-
hig und ſtill, und vergiß dieſen Augenblick ſo
wie die traurige und entehrende Strafe, der Du
ſo nahe warſt, ja nicht! So gewarnt und ſo
betroffen, daͤchte ich, ſollte Deine Beſſerung nicht
fehlen koͤnnen.
Mehr als alles, was ich von Vermahnung,
Warnung und Vorſtellungen aller Art jemals ge-
hoͤrt hatte, wirkte das, was Graf Pardenhein
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 485. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/489>, abgerufen am 22.11.2024.
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