digt hat; was ich allein gewiß versichern kann, ist, daß ich von dieser Zeit an in dem Vorsatz befestigt ward, ohne Rücksicht, ohne Schonung, sogar ohne Mäßigung, alles, was mir einfiel, auf der Stelle auszuführen, es um so lieber that, wenn es an- dern mißfiel, oder ihnen Schaden that, und für keinen Menschen, am wenigsten für meine Mutter Achtung hatte. Pflichtenerfüllung gegen andere schien mir, als ich auch hernach von allem, was dieses Wort in sich faßt, unterrichtet ward, immer ein Nonsens; mich gieng niemand etwas an, als ich selbst, alle übrige Menschen glaubte ich be- nutzen, und handhaben zu müssen, wie es mein Vortheil oder Vergnügen verlangte, und meine Leidenschaften wollten. Als ich erwachsen war, lernte ich diese Maximen, die eigentlich die Maxi- men aller Thiermenschen sind, mehr unter die Bothmäßigkeit der Klugheit gewöhnen, ich that nicht mehr alles, was die Leute schlimm oder arg nennen, als wäre ich dazu befugt, sondern ich lern- te mich verstellen, wo es nöthig war, und schmeichel- te, wenns meinen Wunsch irgend befördern konn- te; dafür aber entschädigte ich mich, wo ich der- gleichen Zwang nicht bedurfte, durch die größten Ausschweifungen; doch da, wo ich mich, wie eben gesagt, verstellen mußte, lag immer noch mehr von
dem,
digt hat; was ich allein gewiß verſichern kann, iſt, daß ich von dieſer Zeit an in dem Vorſatz befeſtigt ward, ohne Ruͤckſicht, ohne Schonung, ſogar ohne Maͤßigung, alles, was mir einfiel, auf der Stelle auszufuͤhren, es um ſo lieber that, wenn es an- dern mißfiel, oder ihnen Schaden that, und fuͤr keinen Menſchen, am wenigſten fuͤr meine Mutter Achtung hatte. Pflichtenerfuͤllung gegen andere ſchien mir, als ich auch hernach von allem, was dieſes Wort in ſich faßt, unterrichtet ward, immer ein Nonſens; mich gieng niemand etwas an, als ich ſelbſt, alle uͤbrige Menſchen glaubte ich be- nutzen, und handhaben zu muͤſſen, wie es mein Vortheil oder Vergnuͤgen verlangte, und meine Leidenſchaften wollten. Als ich erwachſen war, lernte ich dieſe Maximen, die eigentlich die Maxi- men aller Thiermenſchen ſind, mehr unter die Bothmaͤßigkeit der Klugheit gewoͤhnen, ich that nicht mehr alles, was die Leute ſchlimm oder arg nennen, als waͤre ich dazu befugt, ſondern ich lern- te mich verſtellen, wo es noͤthig war, und ſchmeichel- te, wenns meinen Wunſch irgend befoͤrdern konn- te; dafuͤr aber entſchaͤdigte ich mich, wo ich der- gleichen Zwang nicht bedurfte, durch die groͤßten Ausſchweifungen; doch da, wo ich mich, wie eben geſagt, verſtellen mußte, lag immer noch mehr von
dem,
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digt hat; was ich allein gewiß verſichern kann, iſt,
daß ich von dieſer Zeit an in dem Vorſatz befeſtigt
ward, ohne Ruͤckſicht, ohne Schonung, ſogar ohne
Maͤßigung, alles, was mir einfiel, auf der Stelle
auszufuͤhren, es um ſo lieber that, wenn es an-
dern mißfiel, oder ihnen Schaden that, und fuͤr
keinen Menſchen, am wenigſten fuͤr meine Mutter
Achtung hatte. Pflichtenerfuͤllung gegen andere
ſchien mir, als ich auch hernach von allem, was
dieſes Wort in ſich faßt, unterrichtet ward, immer
ein Nonſens; mich gieng niemand etwas an, als
ich ſelbſt, alle uͤbrige Menſchen glaubte ich be-
nutzen, und handhaben zu muͤſſen, wie es mein
Vortheil oder Vergnuͤgen verlangte, und meine
Leidenſchaften wollten. Als ich erwachſen war,
lernte ich dieſe Maximen, die eigentlich die Maxi-
men aller Thiermenſchen ſind, mehr unter die
Bothmaͤßigkeit der Klugheit gewoͤhnen, ich that
nicht mehr alles, was die Leute ſchlimm oder arg
nennen, als waͤre ich dazu befugt, ſondern ich lern-
te mich verſtellen, wo es noͤthig war, und ſchmeichel-
te, wenns meinen Wunſch irgend befoͤrdern konn-
te; dafuͤr aber entſchaͤdigte ich mich, wo ich der-
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Ausſchweifungen; doch da, wo ich mich, wie eben
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/51>, abgerufen am 20.02.2025.
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