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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

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gen etwas von mir, welches mir zur Ehre gereichte
und ein Beweis des angelobten Gehorsams sein
sollte; und damit der Vater nicht ahnden möchte,
daß die Geschichten der mütterlichen Strenge, des
kindlichen Gehorsams und der guten Früchte des-
selben, sämmtlich ersonnen wären, durfte ich ihm
nicht oft unter die Augen kommen. Jch ahndete
nichts von dieser Absicht, sonst hätte ich vielleicht
der Mutter zum Possen Gelegenheit ergriffen, um
den guten Johann Jacob eines andern zu über-
führen; denn nichts machte mir mehr Vergnügen,
als etwas zu thun, was meine Mutter nicht woll-
te, jemehr ihr an der Unterlassung einer solchen
Sache gelegen war, je mehr Freude gewährte mir
die Ausübung.

Es ward, weil meine Schwester sechs Jahre
vorbei hatte, und ich deren fünfe zählte, ein Jn-
formator für uns angenommen, der täglich zwei
Stunden, nicht bei Madelon, denn diese war folg-
sam und lehrbegierig, bei mir aber gänzlich ver-
schwendete. Zwar so lange der Unterricht, den ich
jetzt zu genießen anfieng, den Reiz der Neuheit für
mich hatte, war ich aufmerksam, und das A, B, C,
so wie das A-b, Ab, nebst einigen Sprüchen und
Gebetlein ward viel eher von mir begriffen, als
von meiner Schwester, worüber sich meine Mutter
nicht
gen etwas von mir, welches mir zur Ehre gereichte
und ein Beweis des angelobten Gehorſams ſein
ſollte; und damit der Vater nicht ahnden moͤchte,
daß die Geſchichten der muͤtterlichen Strenge, des
kindlichen Gehorſams und der guten Fruͤchte des-
ſelben, ſaͤmmtlich erſonnen waͤren, durfte ich ihm
nicht oft unter die Augen kommen. Jch ahndete
nichts von dieſer Abſicht, ſonſt haͤtte ich vielleicht
der Mutter zum Poſſen Gelegenheit ergriffen, um
den guten Johann Jacob eines andern zu uͤber-
fuͤhren; denn nichts machte mir mehr Vergnuͤgen,
als etwas zu thun, was meine Mutter nicht woll-
te, jemehr ihr an der Unterlaſſung einer ſolchen
Sache gelegen war, je mehr Freude gewaͤhrte mir
die Ausuͤbung.

Es ward, weil meine Schweſter ſechs Jahre
vorbei hatte, und ich deren fuͤnfe zaͤhlte, ein Jn-
formator fuͤr uns angenommen, der taͤglich zwei
Stunden, nicht bei Madelon, denn dieſe war folg-
ſam und lehrbegierig, bei mir aber gaͤnzlich ver-
ſchwendete. Zwar ſo lange der Unterricht, den ich
jetzt zu genießen anfieng, den Reiz der Neuheit fuͤr
mich hatte, war ich aufmerkſam, und das A, B, C,
ſo wie das A-b, Ab, nebſt einigen Spruͤchen und
Gebetlein ward viel eher von mir begriffen, als
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nicht
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[74/0078] gen etwas von mir, welches mir zur Ehre gereichte und ein Beweis des angelobten Gehorſams ſein ſollte; und damit der Vater nicht ahnden moͤchte, daß die Geſchichten der muͤtterlichen Strenge, des kindlichen Gehorſams und der guten Fruͤchte des- ſelben, ſaͤmmtlich erſonnen waͤren, durfte ich ihm nicht oft unter die Augen kommen. Jch ahndete nichts von dieſer Abſicht, ſonſt haͤtte ich vielleicht der Mutter zum Poſſen Gelegenheit ergriffen, um den guten Johann Jacob eines andern zu uͤber- fuͤhren; denn nichts machte mir mehr Vergnuͤgen, als etwas zu thun, was meine Mutter nicht woll- te, jemehr ihr an der Unterlaſſung einer ſolchen Sache gelegen war, je mehr Freude gewaͤhrte mir die Ausuͤbung. Es ward, weil meine Schweſter ſechs Jahre vorbei hatte, und ich deren fuͤnfe zaͤhlte, ein Jn- formator fuͤr uns angenommen, der taͤglich zwei Stunden, nicht bei Madelon, denn dieſe war folg- ſam und lehrbegierig, bei mir aber gaͤnzlich ver- ſchwendete. Zwar ſo lange der Unterricht, den ich jetzt zu genießen anfieng, den Reiz der Neuheit fuͤr mich hatte, war ich aufmerkſam, und das A, B, C, ſo wie das A-b, Ab, nebſt einigen Spruͤchen und Gebetlein ward viel eher von mir begriffen, als von meiner Schweſter, woruͤber ſich meine Mutter nicht

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Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/78>, abgerufen am 14.05.2024.