Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.
nicht schlecht freute, indem sie dem Lehrer so im Vertrauen versicherte, ich hätte ihren guten Kopf, Madelon hingegen wäre nach dem Vater gerathen, und dumm wie er. Der Lehrer aber hielt viel auf Madelon, er lobte ihre Anstrengung, meinte, daß sie schon noch fassen, und das Gefaßte dann desto besser anwenden würde, welches vielleicht bei mir der Fall nicht sein möchte; da er aber merkte, daß sich die mütterliche Stirn über dieses Urtheil von ihren Kindern umwölkte, beschloß er, für die Zu- kunft andere Saiten aufzuziehen, denn es setzte außer dem ausgemachten Schulgeld, wöchentlich einigemal den Tisch, und allemal, wenn er Nach- richten von meinen Fortschritten gab, ein Gratial, gemeiniglich in einer Bouteille Wein bestehend. Dies alles wollte er nicht aufs Spiel setzen, also lobte er mich beständig, nahm auch in der Folge meine Halsstarrigkeit nebst allem, was ich an ihm und Madelon verübte, nicht übel, wenn ers ja meiner Mutter klagte, so geschah es, damit sie seine Geduld mit mir durch ein Geschenk erkaufen möchte. Er mußte die Portion dieser Geduld sehr oft verdoppeln, benutzte sie aber auch desto besser, und bald war nicht mehr allein vom Wein die Rede, der Herr Jnformator bekam Geschenke aller Art, wogegen er so gefällig war, mir, wie unge- zogen
nicht ſchlecht freute, indem ſie dem Lehrer ſo im Vertrauen verſicherte, ich haͤtte ihren guten Kopf, Madelon hingegen waͤre nach dem Vater gerathen, und dumm wie er. Der Lehrer aber hielt viel auf Madelon, er lobte ihre Anſtrengung, meinte, daß ſie ſchon noch faſſen, und das Gefaßte dann deſto beſſer anwenden wuͤrde, welches vielleicht bei mir der Fall nicht ſein moͤchte; da er aber merkte, daß ſich die muͤtterliche Stirn uͤber dieſes Urtheil von ihren Kindern umwoͤlkte, beſchloß er, fuͤr die Zu- kunft andere Saiten aufzuziehen, denn es ſetzte außer dem ausgemachten Schulgeld, woͤchentlich einigemal den Tiſch, und allemal, wenn er Nach- richten von meinen Fortſchritten gab, ein Gratial, gemeiniglich in einer Bouteille Wein beſtehend. Dies alles wollte er nicht aufs Spiel ſetzen, alſo lobte er mich beſtaͤndig, nahm auch in der Folge meine Halsſtarrigkeit nebſt allem, was ich an ihm und Madelon veruͤbte, nicht uͤbel, wenn ers ja meiner Mutter klagte, ſo geſchah es, damit ſie ſeine Geduld mit mir durch ein Geſchenk erkaufen moͤchte. Er mußte die Portion dieſer Geduld ſehr oft verdoppeln, benutzte ſie aber auch deſto beſſer, und bald war nicht mehr allein vom Wein die Rede, der Herr Jnformator bekam Geſchenke aller Art, wogegen er ſo gefaͤllig war, mir, wie unge- zogen
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nicht ſchlecht freute, indem ſie dem Lehrer ſo im
Vertrauen verſicherte, ich haͤtte ihren guten Kopf,
Madelon hingegen waͤre nach dem Vater gerathen,
und dumm wie er. Der Lehrer aber hielt viel auf
Madelon, er lobte ihre Anſtrengung, meinte, daß
ſie ſchon noch faſſen, und das Gefaßte dann deſto
beſſer anwenden wuͤrde, welches vielleicht bei mir
der Fall nicht ſein moͤchte; da er aber merkte, daß
ſich die muͤtterliche Stirn uͤber dieſes Urtheil von
ihren Kindern umwoͤlkte, beſchloß er, fuͤr die Zu-
kunft andere Saiten aufzuziehen, denn es ſetzte
außer dem ausgemachten Schulgeld, woͤchentlich
einigemal den Tiſch, und allemal, wenn er Nach-
richten von meinen Fortſchritten gab, ein Gratial,
gemeiniglich in einer Bouteille Wein beſtehend.
Dies alles wollte er nicht aufs Spiel ſetzen, alſo
lobte er mich beſtaͤndig, nahm auch in der Folge
meine Halsſtarrigkeit nebſt allem, was ich an ihm
und Madelon veruͤbte, nicht uͤbel, wenn ers ja
meiner Mutter klagte, ſo geſchah es, damit ſie
ſeine Geduld mit mir durch ein Geſchenk erkaufen
moͤchte. Er mußte die Portion dieſer Geduld ſehr
oft verdoppeln, benutzte ſie aber auch deſto beſſer,
und bald war nicht mehr allein vom Wein die
Rede, der Herr Jnformator bekam Geſchenke aller
Art, wogegen er ſo gefaͤllig war, mir, wie unge-
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