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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

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als Mensch zuzuerkennen ist, wie hoch oder nie-
drig der Stand auch sei, in dem es gebohren
wird. Denn ein Mensch -- wer es recht weiß,
was in dem Wesen, welchem man diesen Nahmen
beilegt, für Fähigkeiten liegen, zu welcher Macht
und Hoheit es geschaffen ist, -- -- Der Leser ver-
zeihe mir, daß ich die philosophisch-moralische
Vorlesung, welche jetzt aus Celestins Munde floß,
nicht weiter anführe, ich habe sie wirklich verges-
sen, nun wollte nicht gern die Werke dieses sen-
timentalischen Mannes durch Darstellung meiner
thiermenschischen Begriffe von dergleichen Din-
gen, verfälschen, welches man als einen Beweiß
meiner Bescheidenheit wird loben müssen.

Jch hatte eben meine gutmüthige Stunde,
wollte also meinen Freund Celestin in der Freude,
daß ich doch zuweilen vernünftige Gedanken hätte,
nicht stöhren und that, als ob ich eben das bei
meiner Anmerkung gedacht hätte, aber nicht ein
Jota von alle dem war mir dabei in den Sinn
gekommen. Jch dachte an nichts, als an den
billigen und löblichen Egoismus der Menschen,
der sich unter den niedern Ständen, besonders bei
Familiengelagen recht nachdrücklich zeigt. Man
würde es ganz armen Leuten nicht verübeln, wenn
sie ihre Kinder still wegtaufen ließen, aber das

geschieht

als Menſch zuzuerkennen iſt, wie hoch oder nie-
drig der Stand auch ſei, in dem es gebohren
wird. Denn ein Menſch — wer es recht weiß,
was in dem Weſen, welchem man dieſen Nahmen
beilegt, fuͤr Faͤhigkeiten liegen, zu welcher Macht
und Hoheit es geſchaffen iſt, — — Der Leſer ver-
zeihe mir, daß ich die philoſophiſch-moraliſche
Vorleſung, welche jetzt aus Celeſtins Munde floß,
nicht weiter anfuͤhre, ich habe ſie wirklich vergeſ-
ſen, nun wollte nicht gern die Werke dieſes ſen-
timentaliſchen Mannes durch Darſtellung meiner
thiermenſchiſchen Begriffe von dergleichen Din-
gen, verfaͤlſchen, welches man als einen Beweiß
meiner Beſcheidenheit wird loben muͤſſen.

Jch hatte eben meine gutmuͤthige Stunde,
wollte alſo meinen Freund Celeſtin in der Freude,
daß ich doch zuweilen vernuͤnftige Gedanken haͤtte,
nicht ſtoͤhren und that, als ob ich eben das bei
meiner Anmerkung gedacht haͤtte, aber nicht ein
Jota von alle dem war mir dabei in den Sinn
gekommen. Jch dachte an nichts, als an den
billigen und loͤblichen Egoismus der Menſchen,
der ſich unter den niedern Staͤnden, beſonders bei
Familiengelagen recht nachdruͤcklich zeigt. Man
wuͤrde es ganz armen Leuten nicht veruͤbeln, wenn
ſie ihre Kinder ſtill wegtaufen ließen, aber das

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[4/0008] als Menſch zuzuerkennen iſt, wie hoch oder nie- drig der Stand auch ſei, in dem es gebohren wird. Denn ein Menſch — wer es recht weiß, was in dem Weſen, welchem man dieſen Nahmen beilegt, fuͤr Faͤhigkeiten liegen, zu welcher Macht und Hoheit es geſchaffen iſt, — — Der Leſer ver- zeihe mir, daß ich die philoſophiſch-moraliſche Vorleſung, welche jetzt aus Celeſtins Munde floß, nicht weiter anfuͤhre, ich habe ſie wirklich vergeſ- ſen, nun wollte nicht gern die Werke dieſes ſen- timentaliſchen Mannes durch Darſtellung meiner thiermenſchiſchen Begriffe von dergleichen Din- gen, verfaͤlſchen, welches man als einen Beweiß meiner Beſcheidenheit wird loben muͤſſen. Jch hatte eben meine gutmuͤthige Stunde, wollte alſo meinen Freund Celeſtin in der Freude, daß ich doch zuweilen vernuͤnftige Gedanken haͤtte, nicht ſtoͤhren und that, als ob ich eben das bei meiner Anmerkung gedacht haͤtte, aber nicht ein Jota von alle dem war mir dabei in den Sinn gekommen. Jch dachte an nichts, als an den billigen und loͤblichen Egoismus der Menſchen, der ſich unter den niedern Staͤnden, beſonders bei Familiengelagen recht nachdruͤcklich zeigt. Man wuͤrde es ganz armen Leuten nicht veruͤbeln, wenn ſie ihre Kinder ſtill wegtaufen ließen, aber das geſchieht

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Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/8>, abgerufen am 28.04.2024.