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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

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Kinder und sie auf gleiche Theile gesetzt, oder gar
seine geliebte Tochter vorzüglich bedacht, und sie
etwa in die Hände eines Vormunds bestimmt hätte!
Dies Unglück mußte verhüthet, ich gebessert, und
Suschen als unpartheiische Mutter vorgestellt wer-
den; hiervon gab sie sich das Ansehen immer mehr,
auch stellte sie sich, als wollte sie den Gasthof be-
halten, uns noch was darauf zu erwerben suchen,
und in ihrem Leben nicht wieder heirathen, wenn
sich auch ein Mann mit noch so viel Vermögen an-
biethen sollte; denn ein Stiefvater meinte es doch
nimmermehr gut mit den Kindern, und suchte ih-
nen nur was zu entziehen.

Dies alles hörte mein Vater Schnitzer sehr
gern, er hatte überhaupt ganz keine Klage mehr
über sein liebes Suschen, welches sich für den
Zwang, still und friedlich zu scheinen, höchstens
nur insgeheim entschädigte, ja sogar außer dem
Hause mit vieler Behutsamkeit auf Sophien Busch
lästerte und log, damit nur bei ihres Mannes Leb-
zeiten kein Verdruß entstehen, und dieser nicht an-
derer Meinung von ihr werden sollte. Sie wollte
ihn glauben machen, daß sie das Lob über die Aen-
derung ihrer Gemüthsart verdiente, womit er alle-
zeit begann, wenn er ihr gute Vermahnungen, so
fortzufahren, fein tugendhaft, christlich und recht-
schaffen
Kinder und ſie auf gleiche Theile geſetzt, oder gar
ſeine geliebte Tochter vorzuͤglich bedacht, und ſie
etwa in die Haͤnde eines Vormunds beſtimmt haͤtte!
Dies Ungluͤck mußte verhuͤthet, ich gebeſſert, und
Suschen als unpartheiiſche Mutter vorgeſtellt wer-
den; hiervon gab ſie ſich das Anſehen immer mehr,
auch ſtellte ſie ſich, als wollte ſie den Gaſthof be-
halten, uns noch was darauf zu erwerben ſuchen,
und in ihrem Leben nicht wieder heirathen, wenn
ſich auch ein Mann mit noch ſo viel Vermoͤgen an-
biethen ſollte; denn ein Stiefvater meinte es doch
nimmermehr gut mit den Kindern, und ſuchte ih-
nen nur was zu entziehen.

Dies alles hoͤrte mein Vater Schnitzer ſehr
gern, er hatte uͤberhaupt ganz keine Klage mehr
uͤber ſein liebes Suschen, welches ſich fuͤr den
Zwang, ſtill und friedlich zu ſcheinen, hoͤchſtens
nur insgeheim entſchaͤdigte, ja ſogar außer dem
Hauſe mit vieler Behutſamkeit auf Sophien Buſch
laͤſterte und log, damit nur bei ihres Mannes Leb-
zeiten kein Verdruß entſtehen, und dieſer nicht an-
derer Meinung von ihr werden ſollte. Sie wollte
ihn glauben machen, daß ſie das Lob uͤber die Aen-
derung ihrer Gemuͤthsart verdiente, womit er alle-
zeit begann, wenn er ihr gute Vermahnungen, ſo
fortzufahren, fein tugendhaft, chriſtlich und recht-
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[79/0083] Kinder und ſie auf gleiche Theile geſetzt, oder gar ſeine geliebte Tochter vorzuͤglich bedacht, und ſie etwa in die Haͤnde eines Vormunds beſtimmt haͤtte! Dies Ungluͤck mußte verhuͤthet, ich gebeſſert, und Suschen als unpartheiiſche Mutter vorgeſtellt wer- den; hiervon gab ſie ſich das Anſehen immer mehr, auch ſtellte ſie ſich, als wollte ſie den Gaſthof be- halten, uns noch was darauf zu erwerben ſuchen, und in ihrem Leben nicht wieder heirathen, wenn ſich auch ein Mann mit noch ſo viel Vermoͤgen an- biethen ſollte; denn ein Stiefvater meinte es doch nimmermehr gut mit den Kindern, und ſuchte ih- nen nur was zu entziehen. Dies alles hoͤrte mein Vater Schnitzer ſehr gern, er hatte uͤberhaupt ganz keine Klage mehr uͤber ſein liebes Suschen, welches ſich fuͤr den Zwang, ſtill und friedlich zu ſcheinen, hoͤchſtens nur insgeheim entſchaͤdigte, ja ſogar außer dem Hauſe mit vieler Behutſamkeit auf Sophien Buſch laͤſterte und log, damit nur bei ihres Mannes Leb- zeiten kein Verdruß entſtehen, und dieſer nicht an- derer Meinung von ihr werden ſollte. Sie wollte ihn glauben machen, daß ſie das Lob uͤber die Aen- derung ihrer Gemuͤthsart verdiente, womit er alle- zeit begann, wenn er ihr gute Vermahnungen, ſo fortzufahren, fein tugendhaft, chriſtlich und recht- ſchaffen

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Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/83>, abgerufen am 14.05.2024.