er sie wieder in die Stube seiner Frau Schwägerinn, und sagte: die Kinder gehören zur Mutter, weil sie noch Kinder sind. Ja, Herr Bruder, erwie- derte denn diese, das Mädchen ist nun einmal so, ehe ichs mich versehe, läuft sie fort. Es steckt nicht viel Gutes in ihr; lernen mag sie nichts, ist schreck- lich ungeschickt und dazu ungehorsam -- ach Gott! es grämt mich recht, was aus ihr werden wird; Peter meinte aber, so schlimm käme sie ihm doch nicht vor, ihm folgte sie z. B. aufs Wort, und wüßte ihm nicht genug Liebe und Aufmerksamkeit zu beweisen; so hätte er ja bemerkt, das sie ihr, der Mutter, gern alles an den Augen absähe, wenn sie ihr nur gütig begegnete. Aber ich merke schon, das arme Mädel steht im schwarzen Register bei der Frau Mutter, und Fritz ist das Favoritel, der dann auch thun darf was er will, und es auch thut. Nehm Sie mirs nicht übel, Frau Schwe- ster, daß ichs gerade heraus sage, ihr Goldfritzel ist das nicht, was sich mein seliger Bruder von ihm eingebildet hat, es ist vielmehr ein böser Junge. J nu, versetzte meine Mutter, er ist freilich während meines Mannes Krankheit ein wenig verwildert, aber das wird sich schon wieder geben, wenn ich uun besser auf ihn Acht haben kann.
Der-
er ſie wieder in die Stube ſeiner Frau Schwaͤgerinn, und ſagte: die Kinder gehoͤren zur Mutter, weil ſie noch Kinder ſind. Ja, Herr Bruder, erwie- derte denn dieſe, das Maͤdchen iſt nun einmal ſo, ehe ichs mich verſehe, laͤuft ſie fort. Es ſteckt nicht viel Gutes in ihr; lernen mag ſie nichts, iſt ſchreck- lich ungeſchickt und dazu ungehorſam — ach Gott! es graͤmt mich recht, was aus ihr werden wird; Peter meinte aber, ſo ſchlimm kaͤme ſie ihm doch nicht vor, ihm folgte ſie z. B. aufs Wort, und wuͤßte ihm nicht genug Liebe und Aufmerkſamkeit zu beweiſen; ſo haͤtte er ja bemerkt, das ſie ihr, der Mutter, gern alles an den Augen abſaͤhe, wenn ſie ihr nur guͤtig begegnete. Aber ich merke ſchon, das arme Maͤdel ſteht im ſchwarzen Regiſter bei der Frau Mutter, und Fritz iſt das Favoritel, der dann auch thun darf was er will, und es auch thut. Nehm Sie mirs nicht uͤbel, Frau Schwe- ſter, daß ichs gerade heraus ſage, ihr Goldfritzel iſt das nicht, was ſich mein ſeliger Bruder von ihm eingebildet hat, es iſt vielmehr ein boͤſer Junge. J nu, verſetzte meine Mutter, er iſt freilich waͤhrend meines Mannes Krankheit ein wenig verwildert, aber das wird ſich ſchon wieder geben, wenn ich uun beſſer auf ihn Acht haben kann.
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er ſie wieder in die Stube ſeiner Frau Schwaͤgerinn,
und ſagte: die Kinder gehoͤren zur Mutter, weil
ſie noch Kinder ſind. Ja, Herr Bruder, erwie-
derte denn dieſe, das Maͤdchen iſt nun einmal ſo,
ehe ichs mich verſehe, laͤuft ſie fort. Es ſteckt nicht
viel Gutes in ihr; lernen mag ſie nichts, iſt ſchreck-
lich ungeſchickt und dazu ungehorſam — ach Gott!
es graͤmt mich recht, was aus ihr werden wird;
Peter meinte aber, ſo ſchlimm kaͤme ſie ihm doch
nicht vor, ihm folgte ſie z. B. aufs Wort, und
wuͤßte ihm nicht genug Liebe und Aufmerkſamkeit
zu beweiſen; ſo haͤtte er ja bemerkt, das ſie ihr,
der Mutter, gern alles an den Augen abſaͤhe, wenn
ſie ihr nur guͤtig begegnete. Aber ich merke ſchon,
das arme Maͤdel ſteht im ſchwarzen Regiſter bei
der Frau Mutter, und Fritz iſt das Favoritel, der
dann auch thun darf was er will, und es auch
thut. Nehm Sie mirs nicht uͤbel, Frau Schwe-
ſter, daß ichs gerade heraus ſage, ihr Goldfritzel
iſt das nicht, was ſich mein ſeliger Bruder von ihm
eingebildet hat, es iſt vielmehr ein boͤſer Junge. J
nu, verſetzte meine Mutter, er iſt freilich waͤhrend
meines Mannes Krankheit ein wenig verwildert,
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/88>, abgerufen am 14.05.2024.
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