Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wallner, Franz: Der arme Josy. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 147–167. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Menschenmenge, welche diesmal nicht rohe Neugierde, sondern innige Theilnahme an dem traurigen Geschicke des armen Istvan um den Morgenschlummer gebracht hatte. Tausend Thränen aus schönen Augen flossen dem hübschen Jünglinge nach, der mit heldenmüthiger Fassung der ersehnten Erlösung aus seiner Schmerzensbahn entgegenging. Desto herzzerreißender war der Anblick des armen Josy, der auf die ausdrückliche Bitte seines der Gerechtigkeit anheim gefallenen Kameraden der Mannschaft, welche diesen zum Hochgerichte zu begleiten hatte, beigegeben war. Bei dem Anblick des in einen bleichen Märtyrer verwandelten Kriegers erfüllte das tiefste Mitleid jede Brust, und man mußte dem Sterbenden grollen, der dem Vielgeprüften diese herbe Pein nicht erspart hatte. --

Jetzt ist der Zug am Hochgerichte angekommen, das Sterbeglöcklein schallt klagend durch die Lüfte, der arme Sünder kniet im inbrünstigen Gebete unter dem Galgen nieder, die letzte Absolution des ihn begleitenden Priesters empfangend, kein Auge bleibt thränenleer, selbst der Henker, mit dem verhängnißvollen Stricke nahend, scheint nur mit schwerem Herzen seine traurige Pflicht zu erfüllen -- da plötzlich knallt ein Schuß durch die Luft, ein Schreckensschrei der entsetzten Menge ertönt, und lautlos stürzt Istvan mit zerschmetterter Brust zu Boden. Die Kugel, welche ihm das Herz durchbohrt, war von Freundes Hand gesandt -- der Schütze war Josy! -- Armer Josy!

Menschenmenge, welche diesmal nicht rohe Neugierde, sondern innige Theilnahme an dem traurigen Geschicke des armen Istvan um den Morgenschlummer gebracht hatte. Tausend Thränen aus schönen Augen flossen dem hübschen Jünglinge nach, der mit heldenmüthiger Fassung der ersehnten Erlösung aus seiner Schmerzensbahn entgegenging. Desto herzzerreißender war der Anblick des armen Josy, der auf die ausdrückliche Bitte seines der Gerechtigkeit anheim gefallenen Kameraden der Mannschaft, welche diesen zum Hochgerichte zu begleiten hatte, beigegeben war. Bei dem Anblick des in einen bleichen Märtyrer verwandelten Kriegers erfüllte das tiefste Mitleid jede Brust, und man mußte dem Sterbenden grollen, der dem Vielgeprüften diese herbe Pein nicht erspart hatte. —

Jetzt ist der Zug am Hochgerichte angekommen, das Sterbeglöcklein schallt klagend durch die Lüfte, der arme Sünder kniet im inbrünstigen Gebete unter dem Galgen nieder, die letzte Absolution des ihn begleitenden Priesters empfangend, kein Auge bleibt thränenleer, selbst der Henker, mit dem verhängnißvollen Stricke nahend, scheint nur mit schwerem Herzen seine traurige Pflicht zu erfüllen — da plötzlich knallt ein Schuß durch die Luft, ein Schreckensschrei der entsetzten Menge ertönt, und lautlos stürzt Istvan mit zerschmetterter Brust zu Boden. Die Kugel, welche ihm das Herz durchbohrt, war von Freundes Hand gesandt — der Schütze war Josy! — Armer Josy!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0020"/>
Menschenmenge, welche diesmal nicht                rohe Neugierde, sondern innige Theilnahme an dem traurigen Geschicke des armen Istvan                um den Morgenschlummer gebracht hatte. Tausend Thränen aus schönen Augen flossen dem                hübschen Jünglinge nach, der mit heldenmüthiger Fassung der ersehnten Erlösung aus                seiner Schmerzensbahn entgegenging. Desto herzzerreißender war der Anblick des armen                Josy, der auf die ausdrückliche Bitte seines der Gerechtigkeit anheim gefallenen                Kameraden der Mannschaft, welche diesen zum Hochgerichte zu begleiten hatte,                beigegeben war. Bei dem Anblick des in einen bleichen Märtyrer verwandelten Kriegers                erfüllte das tiefste Mitleid jede Brust, und man mußte dem Sterbenden grollen, der                dem Vielgeprüften diese herbe Pein nicht erspart hatte. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Jetzt ist der Zug am Hochgerichte angekommen, das Sterbeglöcklein schallt klagend                durch die Lüfte, der arme Sünder kniet im inbrünstigen Gebete unter dem Galgen                nieder, die letzte Absolution des ihn begleitenden Priesters empfangend, kein Auge                bleibt thränenleer, selbst der Henker, mit dem verhängnißvollen Stricke nahend,                scheint nur mit schwerem Herzen seine traurige Pflicht zu erfüllen &#x2014; da plötzlich                knallt ein Schuß durch die Luft, ein Schreckensschrei der entsetzten Menge ertönt,                und lautlos stürzt Istvan mit zerschmetterter Brust zu Boden. Die Kugel, welche ihm                das Herz durchbohrt, war von Freundes Hand gesandt &#x2014; der Schütze war Josy! &#x2014; Armer                Josy!</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0020] Menschenmenge, welche diesmal nicht rohe Neugierde, sondern innige Theilnahme an dem traurigen Geschicke des armen Istvan um den Morgenschlummer gebracht hatte. Tausend Thränen aus schönen Augen flossen dem hübschen Jünglinge nach, der mit heldenmüthiger Fassung der ersehnten Erlösung aus seiner Schmerzensbahn entgegenging. Desto herzzerreißender war der Anblick des armen Josy, der auf die ausdrückliche Bitte seines der Gerechtigkeit anheim gefallenen Kameraden der Mannschaft, welche diesen zum Hochgerichte zu begleiten hatte, beigegeben war. Bei dem Anblick des in einen bleichen Märtyrer verwandelten Kriegers erfüllte das tiefste Mitleid jede Brust, und man mußte dem Sterbenden grollen, der dem Vielgeprüften diese herbe Pein nicht erspart hatte. — Jetzt ist der Zug am Hochgerichte angekommen, das Sterbeglöcklein schallt klagend durch die Lüfte, der arme Sünder kniet im inbrünstigen Gebete unter dem Galgen nieder, die letzte Absolution des ihn begleitenden Priesters empfangend, kein Auge bleibt thränenleer, selbst der Henker, mit dem verhängnißvollen Stricke nahend, scheint nur mit schwerem Herzen seine traurige Pflicht zu erfüllen — da plötzlich knallt ein Schuß durch die Luft, ein Schreckensschrei der entsetzten Menge ertönt, und lautlos stürzt Istvan mit zerschmetterter Brust zu Boden. Die Kugel, welche ihm das Herz durchbohrt, war von Freundes Hand gesandt — der Schütze war Josy! — Armer Josy!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:02:20Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:02:20Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wallner_josy_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wallner_josy_1910/20
Zitationshilfe: Wallner, Franz: Der arme Josy. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 147–167. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallner_josy_1910/20>, abgerufen am 03.12.2024.