Wallner, Franz: Der arme Josy. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 147–167. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Der Henker war um seine Beute betrogen, der Freund starb ehrlichen Soldatentod durch Freundes Hand. Vor Schreck und Staunen erstarrt steht die Menschenmasse, man bemächtigt sich des Mörders, dessen Motive Allen ein grauenvolles Räthsel waren, man drängt sich um die Leiche des Delinquenten; da zieht plötzlich ein neues, ebenso unerwartetes Ereigniß die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich. Von weiter Ferne her schallt ein dumpf anschwellendes Gemurmel, es dringt näher, es verwandelt sich in ein fröhliches Jubelgeschrei. Die Menge theilt sich, ein Reiter auf schaumbedecktem Rosse, ein weißes Tuch schwenkend, naht mit Windeseile. Pardon! ruft das Volk, Pardon für Istvan! Haltet ein! Zu spät! -- Istvan liegt todt am Boden -- Josy ohnmächtig neben seinem Opfer. Armer Josy! -- Abermals ein peinlicher Prozeß! Abermals ein Prozeß, der den Richtern wenig Mühe machte; denn Josy gestand im ersten Verhör, er habe dem Freunde beim Abschied einen heiligen Eid geleistet, ihn nicht den Tod der Schande am Galgen sterben zu lassen, sondern ihm durch seine Kugel Erlösung zu senden. Der Schwur habe ihn zum Mörder gemacht, er wisse, daß er den Tod verdient habe, und bitte nur um ein rasches Urtheil. Dies fiel für Josy sehr mild aus: der Arzt hatte den Burschen für wahnsinnig erklärt, und wirklich trug die dumpfe, stiere Gleichgültigkeit, Der Henker war um seine Beute betrogen, der Freund starb ehrlichen Soldatentod durch Freundes Hand. Vor Schreck und Staunen erstarrt steht die Menschenmasse, man bemächtigt sich des Mörders, dessen Motive Allen ein grauenvolles Räthsel waren, man drängt sich um die Leiche des Delinquenten; da zieht plötzlich ein neues, ebenso unerwartetes Ereigniß die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich. Von weiter Ferne her schallt ein dumpf anschwellendes Gemurmel, es dringt näher, es verwandelt sich in ein fröhliches Jubelgeschrei. Die Menge theilt sich, ein Reiter auf schaumbedecktem Rosse, ein weißes Tuch schwenkend, naht mit Windeseile. Pardon! ruft das Volk, Pardon für Istvan! Haltet ein! Zu spät! — Istvan liegt todt am Boden — Josy ohnmächtig neben seinem Opfer. Armer Josy! — Abermals ein peinlicher Prozeß! Abermals ein Prozeß, der den Richtern wenig Mühe machte; denn Josy gestand im ersten Verhör, er habe dem Freunde beim Abschied einen heiligen Eid geleistet, ihn nicht den Tod der Schande am Galgen sterben zu lassen, sondern ihm durch seine Kugel Erlösung zu senden. Der Schwur habe ihn zum Mörder gemacht, er wisse, daß er den Tod verdient habe, und bitte nur um ein rasches Urtheil. Dies fiel für Josy sehr mild aus: der Arzt hatte den Burschen für wahnsinnig erklärt, und wirklich trug die dumpfe, stiere Gleichgültigkeit, <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0021"/> <p>Der Henker war um seine Beute betrogen, der Freund starb ehrlichen Soldatentod durch Freundes Hand. Vor Schreck und Staunen erstarrt steht die Menschenmasse, man bemächtigt sich des Mörders, dessen Motive Allen ein grauenvolles Räthsel waren, man drängt sich um die Leiche des Delinquenten; da zieht plötzlich ein neues, ebenso unerwartetes Ereigniß die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich. Von weiter Ferne her schallt ein dumpf anschwellendes Gemurmel, es dringt näher, es verwandelt sich in ein fröhliches Jubelgeschrei. Die Menge theilt sich, ein Reiter auf schaumbedecktem Rosse, ein weißes Tuch schwenkend, naht mit Windeseile. Pardon! ruft das Volk, Pardon für Istvan! Haltet ein! Zu spät! — Istvan liegt todt am Boden — Josy ohnmächtig neben seinem Opfer. Armer Josy! —</p><lb/> <p>Abermals ein peinlicher Prozeß! Abermals ein Prozeß, der den Richtern wenig Mühe machte; denn Josy gestand im ersten Verhör, er habe dem Freunde beim Abschied einen heiligen Eid geleistet, ihn nicht den Tod der Schande am Galgen sterben zu lassen, sondern ihm durch seine Kugel Erlösung zu senden. Der Schwur habe ihn zum Mörder gemacht, er wisse, daß er den Tod verdient habe, und bitte nur um ein rasches Urtheil. Dies fiel für Josy sehr mild aus: der Arzt hatte den Burschen für wahnsinnig erklärt, und wirklich trug die dumpfe, stiere Gleichgültigkeit,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0021]
Der Henker war um seine Beute betrogen, der Freund starb ehrlichen Soldatentod durch Freundes Hand. Vor Schreck und Staunen erstarrt steht die Menschenmasse, man bemächtigt sich des Mörders, dessen Motive Allen ein grauenvolles Räthsel waren, man drängt sich um die Leiche des Delinquenten; da zieht plötzlich ein neues, ebenso unerwartetes Ereigniß die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich. Von weiter Ferne her schallt ein dumpf anschwellendes Gemurmel, es dringt näher, es verwandelt sich in ein fröhliches Jubelgeschrei. Die Menge theilt sich, ein Reiter auf schaumbedecktem Rosse, ein weißes Tuch schwenkend, naht mit Windeseile. Pardon! ruft das Volk, Pardon für Istvan! Haltet ein! Zu spät! — Istvan liegt todt am Boden — Josy ohnmächtig neben seinem Opfer. Armer Josy! —
Abermals ein peinlicher Prozeß! Abermals ein Prozeß, der den Richtern wenig Mühe machte; denn Josy gestand im ersten Verhör, er habe dem Freunde beim Abschied einen heiligen Eid geleistet, ihn nicht den Tod der Schande am Galgen sterben zu lassen, sondern ihm durch seine Kugel Erlösung zu senden. Der Schwur habe ihn zum Mörder gemacht, er wisse, daß er den Tod verdient habe, und bitte nur um ein rasches Urtheil. Dies fiel für Josy sehr mild aus: der Arzt hatte den Burschen für wahnsinnig erklärt, und wirklich trug die dumpfe, stiere Gleichgültigkeit,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-16T13:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-16T13:02:20Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |