Walther, Johann: Tempe Historica [...] Lust- und Schauplatz [...] anmuthiger und wolrichender Blumen. Jena, 1669.ihm gerahten/ daß er solte ein pferd kauffen/ wolte er doch so grosse Vnkosten nicht auffwenden/ sondern er wolte sich zu Fusse auffmachen. Er thäte diese Reise ungern: Wolte nichts so sehr begehren/ als daß er könte bey seinem Herren bleiben. Als er nun die meisten stück Goldes ihm auffzuheben geben/ mit versprechen/ daß er wolte wieder kommen/ machte er sich auff den Weg. Ob nun schon damals dem Hauß-Vater ungelegen war/ ihm Erlaub nüß zu geben: Jedoch/ weil er vermeinete / es verhielte sich mit den Brieffen also in der Warheit/ ließ er ihn hinziehen. Vber etliche Wochen kömbt er wieder: Giebet seinem H. eine andere grosse Summa Geldes auffzuheben: Berichtet ihm/ wie das väterliche Erbe hoch käme: Vnd machet es so gut/ daß ihm der Wirth seine Tochter zum Weibe giebt. Letzlich wird er ein Erbe seines Schwieger Vaters. Weil er sich nun ehrlich und ohne Tadel hielt/ ist er zu einem Rathsherrn erwehlet worden: Da er denn seine Pflicht/ so wohl beobachtete/ daß nichts an ihm kunte getadelt werden. Aber weil sein Gewissen ihn hefftig ängstete und quälete/ wolte er sich lieber offenbahren und sterben/ als länger gequälet werden. Als er eines Tages durch die andere Rathsherren beruffen war/ daß er solte über einem Mörder helffen ein Vrtheil fällen: Stunde er des Worgens frühe auff / gieng in die Messe/ bat sein ihm gerahten/ daß er solte ein pferd kauffen/ wolte er doch so grosse Vnkosten nicht auffwenden/ sondern er wolte sich zu Fusse auffmachen. Er thäte diese Reise ungern: Wolte nichts so sehr begehren/ als daß er könte bey seinem Herren bleiben. Als er nun die meisten stück Goldes ihm auffzuheben geben/ mit versprechen/ daß er wolte wieder kommen/ machte er sich auff den Weg. Ob nun schon damals dem Hauß-Vater ungelegen war/ ihm Erlaub nüß zu geben: Jedoch/ weil er vermeinete / es verhielte sich mit den Brieffen also in der Warheit/ ließ er ihn hinziehen. Vber etliche Wochen kömbt er wieder: Giebet seinem H. eine andere grosse Sum̃a Geldes auffzuheben: Berichtet ihm/ wie das väterliche Erbe hoch käme: Vnd machet es so gut/ daß ihm der Wirth seine Tochter zum Weibe giebt. Letzlich wird er ein Erbe seines Schwieger Vaters. Weil er sich nun ehrlich und ohne Tadel hielt/ ist er zu einem Rathsherrn erwehlet worden: Da er denn seine Pflicht/ so wohl beobachtete/ daß nichts an ihm kunte getadelt werden. Aber weil sein Gewissen ihn hefftig ängstete und quälete/ wolte er sich lieber offenbahren und sterben/ als länger gequälet werden. Als er eines Tages durch die andere Rathsherren beruffen war/ daß er solte über einem Mörder helffen ein Vrtheil fällen: Stunde er des Worgens frühe auff / gieng in die Messe/ bat sein <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0869" n="849"/> ihm gerahten/ daß er solte ein pferd kauffen/ wolte er doch so grosse Vnkosten nicht auffwenden/ sondern er wolte sich zu Fusse auffmachen.</p> <p>Er thäte diese Reise ungern: Wolte nichts so sehr begehren/ als daß er könte bey seinem Herren bleiben.</p> <p>Als er nun die meisten stück Goldes ihm auffzuheben geben/ mit versprechen/ daß er wolte wieder kommen/ machte er sich auff den Weg. Ob nun schon damals dem Hauß-Vater ungelegen war/ ihm Erlaub nüß zu geben: Jedoch/ weil er vermeinete / es verhielte sich mit den Brieffen also in der Warheit/ ließ er ihn hinziehen.</p> <p>Vber etliche Wochen kömbt er wieder: Giebet seinem H. eine andere grosse Sum̃a Geldes auffzuheben: Berichtet ihm/ wie das väterliche Erbe hoch käme: Vnd machet es so gut/ daß ihm der Wirth seine Tochter zum Weibe giebt. Letzlich wird er ein Erbe seines Schwieger Vaters.</p> <p>Weil er sich nun ehrlich und ohne Tadel hielt/ ist er zu einem Rathsherrn erwehlet worden: Da er denn seine Pflicht/ so wohl beobachtete/ daß nichts an ihm kunte getadelt werden. Aber weil sein Gewissen ihn hefftig ängstete und quälete/ wolte er sich lieber offenbahren und sterben/ als länger gequälet werden.</p> <p>Als er eines Tages durch die andere Rathsherren beruffen war/ daß er solte über einem Mörder helffen ein Vrtheil fällen: Stunde er des Worgens frühe auff / gieng in die Messe/ bat sein </p> </div> </body> </text> </TEI> [849/0869]
ihm gerahten/ daß er solte ein pferd kauffen/ wolte er doch so grosse Vnkosten nicht auffwenden/ sondern er wolte sich zu Fusse auffmachen.
Er thäte diese Reise ungern: Wolte nichts so sehr begehren/ als daß er könte bey seinem Herren bleiben.
Als er nun die meisten stück Goldes ihm auffzuheben geben/ mit versprechen/ daß er wolte wieder kommen/ machte er sich auff den Weg. Ob nun schon damals dem Hauß-Vater ungelegen war/ ihm Erlaub nüß zu geben: Jedoch/ weil er vermeinete / es verhielte sich mit den Brieffen also in der Warheit/ ließ er ihn hinziehen.
Vber etliche Wochen kömbt er wieder: Giebet seinem H. eine andere grosse Sum̃a Geldes auffzuheben: Berichtet ihm/ wie das väterliche Erbe hoch käme: Vnd machet es so gut/ daß ihm der Wirth seine Tochter zum Weibe giebt. Letzlich wird er ein Erbe seines Schwieger Vaters.
Weil er sich nun ehrlich und ohne Tadel hielt/ ist er zu einem Rathsherrn erwehlet worden: Da er denn seine Pflicht/ so wohl beobachtete/ daß nichts an ihm kunte getadelt werden. Aber weil sein Gewissen ihn hefftig ängstete und quälete/ wolte er sich lieber offenbahren und sterben/ als länger gequälet werden.
Als er eines Tages durch die andere Rathsherren beruffen war/ daß er solte über einem Mörder helffen ein Vrtheil fällen: Stunde er des Worgens frühe auff / gieng in die Messe/ bat sein
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Zitationshilfe: | Walther, Johann: Tempe Historica [...] Lust- und Schauplatz [...] anmuthiger und wolrichender Blumen. Jena, 1669, S. 849. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/walther_tempe_1669/869>, abgerufen am 16.07.2024. |