Walther, Johann: Tempe Historica [...] Lust- und Schauplatz [...] anmuthiger und wolrichender Blumen. Jena, 1669.ES ist keine solche feste Burgk/ als ein gutes Gewissen/ und ist kein so grausamer Hencker/ alls ein böses Ge wissen. Ein alter erbarer Wirth in einer Stadt in Teutschland hatte eine einige Tochter / wohl erzogen/ und von guten Mitteln. Der Haußknecht/ ein ehrlicher und geschickter Mensch/ freyete umb sie: Aber es ward ihm abgeschlagen/ weil er frembde/ arm/ und ein Hauß-Knecht were. Nichts destoweniger/ weil er sich jederzeit treu erweiset/ befahl und verdrauete ihm der Hauß-Herr das Hauß/ als er nebenst seinem Weibe und Tochter ins Bad ziehen wolte. Weil sie aussen waren/ kombt ein Kauffmann in die Herberge: Daselbst ist er solgende Nacht von diesem Knecht erwürget worden: Welcher ihn in den Stall vergrub/ und deß andern Tages sein Pferd und Geräthe verkauffte. Dieser Todschlag blieb verborgen. Als der Wirth wieder aus dem Bad kam/ und meinete/ daß sein Diener wohl hätte Haußgehalten/ liebete er ihn noch mehr/ als zu vor. Vber etliche Zeit hernach erdachte dieser Mörder eine List. Er schrieb Brieffe in Namen seiner Verwandten Freunde/ als wenn sie ihm den Todt seines Vaters zu wissen thäten/ und ihm riethen/ daß er wieder solte nach Hause kommen. Als er nun vom Marckte wiederkam/ zeigette er seinem Herrn die Brieffe/ nebenst achzig Kronen: Vnd sagte darzu/ ob schon seine Freunde ES ist keine solche feste Burgk/ als ein gutes Gewissen/ und ist kein so grausamer Hencker/ alls ein böses Ge wissen. Ein alter erbarer Wirth in einer Stadt in Teutschland hatte eine einige Tochter / wohl erzogen/ und von guten Mitteln. Der Haußknecht/ ein ehrlicher und geschickter Mensch/ freyete umb sie: Aber es ward ihm abgeschlagen/ weil er frembde/ arm/ und ein Hauß-Knecht were. Nichts destoweniger/ weil er sich jederzeit treu erweiset/ befahl und verdrauete ihm der Hauß-Herr das Hauß/ als er nebenst seinem Weibe und Tochter ins Bad ziehen wolte. Weil sie aussen waren/ kombt ein Kauffmann in die Herberge: Daselbst ist er solgende Nacht von diesem Knecht erwürget worden: Welcher ihn in den Stall vergrub/ und deß andern Tages sein Pferd und Geräthe verkauffte. Dieser Todschlag blieb verborgen. Als der Wirth wieder aus dem Bad kam/ und meinete/ daß sein Diener wohl hätte Haußgehalten/ liebete er ihn noch mehr/ als zu vor. Vber etliche Zeit hernach erdachte dieser Mörder eine List. Er schrieb Brieffe in Namen seiner Verwandten Freunde/ als wenn sie ihm den Todt seines Vaters zu wissen thäten/ und ihm riethen/ daß er wieder solte nach Hause kommen. Als er nun vom Marckte wiederkam/ zeigette er seinem Herrn die Brieffe/ nebenst achzig Kronen: Vnd sagte darzu/ ob schon seine Freunde <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0868" n="848"/> <p>ES ist keine solche feste Burgk/ als ein gutes Gewissen/ und ist kein so grausamer Hencker/ alls ein böses Ge wissen.</p> <p>Ein alter erbarer Wirth in einer Stadt in Teutschland hatte eine einige Tochter / wohl erzogen/ und von guten Mitteln. Der Haußknecht/ ein ehrlicher und geschickter Mensch/ freyete umb sie: Aber es ward ihm abgeschlagen/ weil er frembde/ arm/ und ein Hauß-Knecht were.</p> <p>Nichts destoweniger/ weil er sich jederzeit treu erweiset/ befahl und verdrauete ihm der Hauß-Herr das Hauß/ als er nebenst seinem Weibe und Tochter ins Bad ziehen wolte.</p> <p>Weil sie aussen waren/ kombt ein Kauffmann in die Herberge: Daselbst ist er solgende Nacht von diesem Knecht erwürget worden: Welcher ihn in den Stall vergrub/ und deß andern Tages sein Pferd und Geräthe verkauffte. Dieser Todschlag blieb verborgen.</p> <p>Als der Wirth wieder aus dem Bad kam/ und meinete/ daß sein Diener wohl hätte Haußgehalten/ liebete er ihn noch mehr/ als zu vor.</p> <p>Vber etliche Zeit hernach erdachte dieser Mörder eine List. Er schrieb Brieffe in Namen seiner Verwandten Freunde/ als wenn sie ihm den Todt seines Vaters zu wissen thäten/ und ihm riethen/ daß er wieder solte nach Hause kommen.</p> <p>Als er nun vom Marckte wiederkam/ zeigette er seinem Herrn die Brieffe/ nebenst achzig Kronen: Vnd sagte darzu/ ob schon seine Freunde </p> </div> </body> </text> </TEI> [848/0868]
ES ist keine solche feste Burgk/ als ein gutes Gewissen/ und ist kein so grausamer Hencker/ alls ein böses Ge wissen.
Ein alter erbarer Wirth in einer Stadt in Teutschland hatte eine einige Tochter / wohl erzogen/ und von guten Mitteln. Der Haußknecht/ ein ehrlicher und geschickter Mensch/ freyete umb sie: Aber es ward ihm abgeschlagen/ weil er frembde/ arm/ und ein Hauß-Knecht were.
Nichts destoweniger/ weil er sich jederzeit treu erweiset/ befahl und verdrauete ihm der Hauß-Herr das Hauß/ als er nebenst seinem Weibe und Tochter ins Bad ziehen wolte.
Weil sie aussen waren/ kombt ein Kauffmann in die Herberge: Daselbst ist er solgende Nacht von diesem Knecht erwürget worden: Welcher ihn in den Stall vergrub/ und deß andern Tages sein Pferd und Geräthe verkauffte. Dieser Todschlag blieb verborgen.
Als der Wirth wieder aus dem Bad kam/ und meinete/ daß sein Diener wohl hätte Haußgehalten/ liebete er ihn noch mehr/ als zu vor.
Vber etliche Zeit hernach erdachte dieser Mörder eine List. Er schrieb Brieffe in Namen seiner Verwandten Freunde/ als wenn sie ihm den Todt seines Vaters zu wissen thäten/ und ihm riethen/ daß er wieder solte nach Hause kommen.
Als er nun vom Marckte wiederkam/ zeigette er seinem Herrn die Brieffe/ nebenst achzig Kronen: Vnd sagte darzu/ ob schon seine Freunde
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