Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 1. Leipzig, 1867.[Spaltenumbruch] 55 Der Bauch macht viel Schelme. Der Bauch ist ein Gott, der nicht selten ganze Familien und Erbschaften verschlingt, der jedes Gefühl für wahre Grösse tödtet, der jeden Keim menschlicher Empfindungen erstickt. Dän.: Bugen laerer ondt, gjör skjelmer og tyve. 56 Der Bauch macht zu Pfaffenhuren. - Lehmann, II, 78, 60. 57 Der Bauch regiert den Kopf. 58 Der Bauch treibt die Faulen zur Arbeit. - Lehmann, II, 78, 61. 59 Der Bauch verkocht und verzehrt, was alle Welt gewinnt und verscharrt. 60 Der Bauch vnd seine Glieder hören keine Prediger. - Lehmann, 56, 9. 61 Der Bauch will allzeit sein Recht haben. - Lehmann, II, 78, 62. 62 Der bauch wirt eim ehe voll, denn die augen. - Henisch, 152; Lehmann, II, 61, 86. 63 Dicke Bäuche und rothe Köpfe kommen nicht vom Winde. Wohlbeleibtheit ist die Wirkung guter Mahlzeiten. Holl.: Hij heeft om niet zulk een' dikken buik niet. (Harrebomee, I, 102.) 64 Durch den Bauch führt keine Landstrasse. 65 Ein Bauch, der zu lange schwanger ist, erstickt die Frucht und oft die Mutter dazu. 66 Ein dicker Bauch macht keinen spitzfindigen Kopf. 67 Ein fetter bauch, ein grober schlauch. - Henisch, 208. 68 Ein fetter Bauch macht mageres Gehirn. "Was kann wol", sagte der Römer Cato, "ein Mensch nützen, an dem der Bauch den ganzen Raum zwischen den Beinen und dem Kopfe einnimmt." 69 Ein hungriger Bauch hat keine Ohren. - Luther, 428, 463; Lendroy, 15; Gaal, 157; Lehmann, II, 49, 5. Wo es sich um Befriedigung des Hungers handelt, vernimmt man keine moralischen Gründe. Der Hunger verträgt keinen Widerspruch, auch ist er ein schlechter Zuhörer. Dies Sprichwort soll seine Entstehung einer Antwort verdanken, welche der Hofnarr Adderich seinem Herrn, dem Könige von Neapel, im Jahre 1400 gab. Der König war in seinem Lustgarten und ergötzte sich an dem Gesange eines Sängers, den er in ein nahes Gebüsch geschickt hatte. Adderich war auch zugegen. Der König gab ihm einen scherzhaften Auftrag, ging aus dem Garten und liess diesen verschliessen, gab auch Befehl, dass niemand in den Palast gelassen werden solle. Her Hofnarr 'kam, wurde aber von der Wache abgewiesen und musste die Nacht unter freiem Himmel zubringen. Der König war am folgenden Tage sehr begierig, seinen Adderich zurückkommen zu sehen. Er öffnete die Thür und stellte sich so, dass er bei ihm vorbeigehen musste. "Wohlan", sagte der König, "wo ist dein Versprechen?" - "Sire", schrie der Hofnarr, der Küche mit vollen Sprüngen zueilend, "ein hungriger Bauch hat keine Ohren." Diese Antwort gefiel dem König, sie ward wiederholt und ging endlich in ein Sprichwort über, um zu sagen, dass ein Mensch, welcher hungert, keinen Sinn für etwas anderes habe, als was zur Stillung seines Hungers dient. Engl.: A hungry belly has no ears. Frz.: Ventre affame n'a point d'oreilles. (Bohn, I, 63.) Holl.: Een hongrige (ledige) buik heeft geene ooren (luistert niet). (Harrebomee, I, 102.) It.: Il ventre non ha orecchie. (Pazzaglia, 236.) - Ventre affamato non conosce parentato. (Pazzaglia, 366.) - Ventre digiuno non ode nessuno. (Bohn, I, 131.) Lat.: Aranearum plenus alvus. - Venter auribus caret. - Venter non habet aures. (Plutarch.) (Erasm., 578.) Poln.: Glodnemu chleb na mysli. Port.: O ventre em jejum nao ouve a nenhum. (Bohn, I, 290.) Span.: El vientre ayuno no oye a ninguno. (Bohn, I, 220.) Ung.: Nem jo az ehezo embernek sokat papolni. - Nincs a hasnak füle. 70 Ein hungriger Bauch lässt sich füttern mit Schwarzbrot besser als (aber nicht) mit Grillen. Frz.: Tout fait ventre. (Lendroy, 1452.) 71 Ein hungriger Bauch lässt sich mit Worten nicht abspeisen. Holl.: Er helpt geene reden voor een' hongrigen buik. (Harrebomee, I, 102.) It.: Il ventre non si pasce di parole. (Pazzaglia, 366.) 72 Ein hungriger Bauch singt einen bösen Alt. - Simrock, 5049; Lehmann, 269, 108. 73 Ein leerer Bauch wagt mehr als ein voller Kopf. - Schulzeitung, 1835, Nr. 30; Sprichwörtergarten, 267. [Spaltenumbruch] 74 Ein unzufriedener Bauch macht keine geraden Furchen. 75 Ein voller bauch, ein fauler gauch. - Henisch, 208; Simrock, 759. Holl.: Buikje goed gevuld, handjes aan het werk, zei de logge meid. (Harrebomee, I, 101.) It.: Ventre pieno vuol riposo. (Pazzaglia, 310.) 76 Ein voller Bauch ist besser als weisse Manschetten. 77 Ein voller Bauch macht bessre Witze als Flunkern an der Mütze. 78 Ein voller bauch macht, dass man betet ohn andacht. - Henisch, 208. 79 Ein voller Bauch studirt nicht gern. - Simrock, 760; Henisch, 208; Franck, I, 19; Lehmann, II, 793, 128; Gaal, 161. Engl.: A belly ful of gluttony will never study willingly. (Bohn, 281.) - Fat paunches make lean pates. Holl.: Een volle buik studeert niet gaarne. (Harrebomee, I, 102.) Lat.: A studiis venter nimium distentus abhorret. - Plenus venter non studet libenter. (Wiegand, 477; Schulblatt, 491, 36; Faselius, 202.) Ung.: A teli has nem örömest tanul. 80 Ein voller bauch vnd grober kopff richt wenig auss. - Henisch, 208. 81 Ein voller Bauch weiss nicht wie einem leeren Magen zu Muthe ist. 82 Einem hungrigen Bauche kann niemand vorlügen. - Simrock, 5100; Henisch, 208; Lehmann, II, 133, 3. 83 Einem vollen Bauch schmeckt nicht jede Suppe. Frz.: A ventre soaul, cerises ameres. (Lendroy, 284.) 84 Erst der Bauch, dann kommt das Hemde auch. It.: Ogn' uno ama piau il suo corpo che la sua camiscia. 85 Es geschieht alles vmb dess Bauchs willen, was man thut vndt redt. - Lehmann, 55, 3. Jedermann folgt Judas' Regel: Was wollt ihr mehr geben? 86 Es kommt alles in Einen Bauch. Zu jemand, der beim Essen Bedenken trägt, sehr verschiedene Speisen durcheinander zu geniessen. 87 Es wirt einem der bauch allweg ehe voll, dan die augen. - Henisch, 208; Lehmann, II, 145, 212. 88 Et is beater, de Buuk bäst1 as dat de Kost verderw. (Büren.) - Eichwald, 225. Für Göttingen vgl. Schambach, 235. 1) Berstet. Holl.: Beter buik geborsten, dan goede spijs verloren. (Harrebomee, I, 101.) 89 Fetter Bauch macht mageres Hirn. Holl.: Een vette buik maakt geen scherp verstand. (Harrebomee, I, 102.) 90 Heisser (hungriger) Bauch - eingeschlafene Füsse. (Span.) Bei hungrigem Magen hat man so wenig Lust zum Arbeiten wie zum Tanzen. (S. Essen.) 91 Hol den Bauk di warm, hol den Bauk di ope, onn lat den Doctor lope. (Königsberg.) 92 Hungriger Bauch gibt kein Gehör. - Winckler, XIX, 50. 93 Im Bauche Schmeer, im Kopfe leer. Schwelgerei stumpft die Schärfe des Geistes ab. 94 In den Bauch geht alles. 95 In einem hungrigen Bauch kann niemand liegen. 96 In einem kleinen Bauche wohnt oft ein grosses Herz. 97 Is de Buuk vull, is de Kopp dull. (Lübeck.) 98 Ist der Bauch satt, so ist das Herz froh. 99 Ist der Bauch voll, dann ist's gleich, ob voll vom Schinken oder vom Trinken. Man kann nicht mehr als den Bauch füllen. Engl.: A belly-full is a belly-full, whether it be meat or drink. (Bohn, II, 281; Cahier, 4388.) Frz.: Tout fait ventre, pourvu qu'il entre. (Bohn, I, 59.) 100 Langer Bauch und kurze Bein', grosse Bruch und nichts darein. 101 Langer Bauch und kurze Bein' stehen nicht fein. 102 Leichter Bauch und frohes Herz machen behende Füsse. Holl.: Ik wensch je een' vrijen buik en een vrolijk hart, zei Hansje, en hij maakte twee kabriooltjes. (Harrebomee, I, 102.)
[Spaltenumbruch] 55 Der Bauch macht viel Schelme. Der Bauch ist ein Gott, der nicht selten ganze Familien und Erbschaften verschlingt, der jedes Gefühl für wahre Grösse tödtet, der jeden Keim menschlicher Empfindungen erstickt. Dän.: Bugen lærer ondt, gjør skjelmer og tyve. 56 Der Bauch macht zu Pfaffenhuren. – Lehmann, II, 78, 60. 57 Der Bauch regiert den Kopf. 58 Der Bauch treibt die Faulen zur Arbeit. – Lehmann, II, 78, 61. 59 Der Bauch verkocht und verzehrt, was alle Welt gewinnt und verscharrt. 60 Der Bauch vnd seine Glieder hören keine Prediger. – Lehmann, 56, 9. 61 Der Bauch will allzeit sein Recht haben. – Lehmann, II, 78, 62. 62 Der bauch wirt eim ehe voll, denn die augen. – Henisch, 152; Lehmann, II, 61, 86. 63 Dicke Bäuche und rothe Köpfe kommen nicht vom Winde. Wohlbeleibtheit ist die Wirkung guter Mahlzeiten. Holl.: Hij heeft om niet zulk een' dikken buik niet. (Harrebomée, I, 102.) 64 Durch den Bauch führt keine Landstrasse. 65 Ein Bauch, der zu lange schwanger ist, erstickt die Frucht und oft die Mutter dazu. 66 Ein dicker Bauch macht keinen spitzfindigen Kopf. 67 Ein fetter bauch, ein grober schlauch. – Henisch, 208. 68 Ein fetter Bauch macht mageres Gehirn. „Was kann wol“, sagte der Römer Cato, „ein Mensch nützen, an dem der Bauch den ganzen Raum zwischen den Beinen und dem Kopfe einnimmt.“ 69 Ein hungriger Bauch hat keine Ohren. – Luther, 428, 463; Lendroy, 15; Gaal, 157; Lehmann, II, 49, 5. Wo es sich um Befriedigung des Hungers handelt, vernimmt man keine moralischen Gründe. Der Hunger verträgt keinen Widerspruch, auch ist er ein schlechter Zuhörer. Dies Sprichwort soll seine Entstehung einer Antwort verdanken, welche der Hofnarr Adderich seinem Herrn, dem Könige von Neapel, im Jahre 1400 gab. Der König war in seinem Lustgarten und ergötzte sich an dem Gesange eines Sängers, den er in ein nahes Gebüsch geschickt hatte. Adderich war auch zugegen. Der König gab ihm einen scherzhaften Auftrag, ging aus dem Garten und liess diesen verschliessen, gab auch Befehl, dass niemand in den Palast gelassen werden solle. Her Hofnarr 'kam, wurde aber von der Wache abgewiesen und musste die Nacht unter freiem Himmel zubringen. Der König war am folgenden Tage sehr begierig, seinen Adderich zurückkommen zu sehen. Er öffnete die Thür und stellte sich so, dass er bei ihm vorbeigehen musste. „Wohlan“, sagte der König, „wo ist dein Versprechen?“ – „Sire“, schrie der Hofnarr, der Küche mit vollen Sprüngen zueilend, „ein hungriger Bauch hat keine Ohren.“ Diese Antwort gefiel dem König, sie ward wiederholt und ging endlich in ein Sprichwort über, um zu sagen, dass ein Mensch, welcher hungert, keinen Sinn für etwas anderes habe, als was zur Stillung seines Hungers dient. Engl.: A hungry belly has no ears. Frz.: Ventre affamé n'a point d'oreilles. (Bohn, I, 63.) 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55 Der Bauch macht viel Schelme.
Der Bauch ist ein Gott, der nicht selten ganze Familien und Erbschaften verschlingt, der jedes Gefühl für wahre Grösse tödtet, der jeden Keim menschlicher Empfindungen erstickt.
Dän.: Bugen lærer ondt, gjør skjelmer og tyve.
56 Der Bauch macht zu Pfaffenhuren. – Lehmann, II, 78, 60.
57 Der Bauch regiert den Kopf.
58 Der Bauch treibt die Faulen zur Arbeit. – Lehmann, II, 78, 61.
59 Der Bauch verkocht und verzehrt, was alle Welt gewinnt und verscharrt.
60 Der Bauch vnd seine Glieder hören keine Prediger. – Lehmann, 56, 9.
61 Der Bauch will allzeit sein Recht haben. – Lehmann, II, 78, 62.
62 Der bauch wirt eim ehe voll, denn die augen. – Henisch, 152; Lehmann, II, 61, 86.
63 Dicke Bäuche und rothe Köpfe kommen nicht vom Winde.
Wohlbeleibtheit ist die Wirkung guter Mahlzeiten.
Holl.: Hij heeft om niet zulk een' dikken buik niet. (Harrebomée, I, 102.)
64 Durch den Bauch führt keine Landstrasse.
65 Ein Bauch, der zu lange schwanger ist, erstickt die Frucht und oft die Mutter dazu.
66 Ein dicker Bauch macht keinen spitzfindigen Kopf.
67 Ein fetter bauch, ein grober schlauch. – Henisch, 208.
68 Ein fetter Bauch macht mageres Gehirn.
„Was kann wol“, sagte der Römer Cato, „ein Mensch nützen, an dem der Bauch den ganzen Raum zwischen den Beinen und dem Kopfe einnimmt.“
69 Ein hungriger Bauch hat keine Ohren. – Luther, 428, 463; Lendroy, 15; Gaal, 157; Lehmann, II, 49, 5.
Wo es sich um Befriedigung des Hungers handelt, vernimmt man keine moralischen Gründe. Der Hunger verträgt keinen Widerspruch, auch ist er ein schlechter Zuhörer. Dies Sprichwort soll seine Entstehung einer Antwort verdanken, welche der Hofnarr Adderich seinem Herrn, dem Könige von Neapel, im Jahre 1400 gab. Der König war in seinem Lustgarten und ergötzte sich an dem Gesange eines Sängers, den er in ein nahes Gebüsch geschickt hatte. Adderich war auch zugegen. Der König gab ihm einen scherzhaften Auftrag, ging aus dem Garten und liess diesen verschliessen, gab auch Befehl, dass niemand in den Palast gelassen werden solle. Her Hofnarr 'kam, wurde aber von der Wache abgewiesen und musste die Nacht unter freiem Himmel zubringen. Der König war am folgenden Tage sehr begierig, seinen Adderich zurückkommen zu sehen. Er öffnete die Thür und stellte sich so, dass er bei ihm vorbeigehen musste. „Wohlan“, sagte der König, „wo ist dein Versprechen?“ – „Sire“, schrie der Hofnarr, der Küche mit vollen Sprüngen zueilend, „ein hungriger Bauch hat keine Ohren.“ Diese Antwort gefiel dem König, sie ward wiederholt und ging endlich in ein Sprichwort über, um zu sagen, dass ein Mensch, welcher hungert, keinen Sinn für etwas anderes habe, als was zur Stillung seines Hungers dient.
Engl.: A hungry belly has no ears.
Frz.: Ventre affamé n'a point d'oreilles. (Bohn, I, 63.)
Holl.: Een hongrige (ledige) buik heeft geene ooren (luistert niet). (Harrebomée, I, 102.)
It.: Il ventre non ha orecchie. (Pazzaglia, 236.) – Ventre affamato non conosce parentato. (Pazzaglia, 366.) – Ventre digiuno non ode nessuno. (Bohn, I, 131.)
Lat.: Aranearum plenus alvus. – Venter auribus caret. – Venter non habet aures. (Plutarch.) (Erasm., 578.)
Poln.: Głodnemu chleb na myśli.
Port.: O ventre em jejum nāo ouve a nenhum. (Bohn, I, 290.)
Span.: El vientre ayuno no oye á ninguno. (Bohn, I, 220.)
Ung.: Nem jó az éhező embernek sokat papolni. – Nincs a hasnak füle.
70 Ein hungriger Bauch lässt sich füttern mit Schwarzbrot besser als (aber nicht) mit Grillen.
Frz.: Tout fait ventre. (Lendroy, 1452.)
71 Ein hungriger Bauch lässt sich mit Worten nicht abspeisen.
Holl.: Er helpt geene reden voor een' hongrigen buik. (Harrebomée, I, 102.)
It.: Il ventre non si pasce di parole. (Pazzaglia, 366.)
72 Ein hungriger Bauch singt einen bösen Alt. – Simrock, 5049; Lehmann, 269, 108.
73 Ein leerer Bauch wagt mehr als ein voller Kopf. – Schulzeitung, 1835, Nr. 30; Sprichwörtergarten, 267.
74 Ein unzufriedener Bauch macht keine geraden Furchen.
75 Ein voller bauch, ein fauler gauch. – Henisch, 208; Simrock, 759.
Holl.: Buikje goed gevuld, handjes aan het werk, zei de logge meid. (Harrebomée, I, 101.)
It.: Ventre pieno vuol riposo. (Pazzaglia, 310.)
76 Ein voller Bauch ist besser als weisse Manschetten.
77 Ein voller Bauch macht bessre Witze als Flunkern an der Mütze.
78 Ein voller bauch macht, dass man betet ohn andacht. – Henisch, 208.
79 Ein voller Bauch studirt nicht gern. – Simrock, 760; Henisch, 208; Franck, I, 19; Lehmann, II, 793, 128; Gaal, 161.
Engl.: A belly ful of gluttony will never study willingly. (Bohn, 281.) – Fat paunches make lean pates.
Holl.: Een volle buik studeert niet gaarne. (Harrebomée, I, 102.)
Lat.: A studiis venter nimium distentus abhorret. – Plenus venter non studet libenter. (Wiegand, 477; Schulblatt, 491, 36; Faselius, 202.)
Ung.: A teli has nem örömest tanul.
80 Ein voller bauch vnd grober kopff richt wenig auss. – Henisch, 208.
81 Ein voller Bauch weiss nicht wie einem leeren Magen zu Muthe ist.
82 Einem hungrigen Bauche kann niemand vorlügen. – Simrock, 5100; Henisch, 208; Lehmann, II, 133, 3.
83 Einem vollen Bauch schmeckt nicht jede Suppe.
Frz.: A ventre soûl, cerises amères. (Lendroy, 284.)
84 Erst der Bauch, dann kommt das Hemde auch.
It.: Ogn' uno ama piû il suo corpo che la sua camiscia.
85 Es geschieht alles vmb dess Bauchs willen, was man thut vndt redt. – Lehmann, 55, 3.
Jedermann folgt Judas' Regel: Was wollt ihr mehr geben?
86 Es kommt alles in Einen Bauch.
Zu jemand, der beim Essen Bedenken trägt, sehr verschiedene Speisen durcheinander zu geniessen.
87 Es wirt einem der bauch allweg ehe voll, dan die augen. – Henisch, 208; Lehmann, II, 145, 212.
88 Et is beater, de Buuk bäst1 as dat de Kost verderw. (Büren.) – Eichwald, 225. Für Göttingen vgl. Schambach, 235.
1) Berstet.
Holl.: Beter buik geborsten, dan goede spijs verloren. (Harrebomée, I, 101.)
89 Fetter Bauch macht mageres Hirn.
Holl.: Een vette buik maakt geen scherp verstand. (Harrebomée, I, 102.)
90 Heisser (hungriger) Bauch – eingeschlafene Füsse. (Span.)
Bei hungrigem Magen hat man so wenig Lust zum Arbeiten wie zum Tanzen. (S. Essen.)
91 Hôl den Bûk di warm, hôl den Bûk di ope, onn lât den Doctor lope. (Königsberg.)
92 Hungriger Bauch gibt kein Gehör. – Winckler, XIX, 50.
93 Im Bauche Schmeer, im Kopfe leer.
Schwelgerei stumpft die Schärfe des Geistes ab.
94 In den Bauch geht alles.
95 In einem hungrigen Bauch kann niemand liegen.
96 In einem kleinen Bauche wohnt oft ein grosses Herz.
97 Is de Buuk vull, is de Kopp dull. (Lübeck.)
98 Ist der Bauch satt, so ist das Herz froh.
99 Ist der Bauch voll, dann ist's gleich, ob voll vom Schinken oder vom Trinken.
Man kann nicht mehr als den Bauch füllen.
Engl.: A belly-full is a belly-full, whether it be meat or drink. (Bohn, II, 281; Cahier, 4388.)
Frz.: Tout fait ventre, pourvu qu'il entre. (Bohn, I, 59.)
100 Langer Bauch und kurze Bein', grosse Bruch und nichts darein.
101 Langer Bauch und kurze Bein' stehen nicht fein.
102 Leichter Bauch und frohes Herz machen behende Füsse.
Holl.: Ik wensch je een' vrijen buik en een vrolijk hart, zei Hansje, en hij maakte twee kabriooltjes. (Harrebomée, I, 102.)
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