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Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 1. Leipzig, 1867.

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Als ich endlich nach langen Kämpfen mich hier niedergelassen hatte1, begann ich, nach Ueberwindung einer Haussuchung, die ich unten erwähnen muss, meine Arbeiten aufs neue. Nach etwa vier Jahren, in denen ich alles mir Erreichbare durchmustert und ausgezogen hatte, war der oben erwähnte Durchschuss gefüllt, und das Manuscript auf etwa 1400 Bogen angewachsen.2 Es war eine neue Abschrift für den Druck nothwendig, die wieder ein paar Jahre in Anspruch nahm. Was sich an gedruckten Sprichwörtern vorfand, glaubte ich damals erschöpft - wie sehr ich mich geirrt habe, ist mir seit dem Beginn des Drucks klar geworden -; und ich wandte mich nun vorherrschend dem Sammeln aus dem Volksmunde selbst zu, indem ich durch eine grosse Anzahl deutscher Zeitschriften an die Freunde der Sprichwörter die Bitte richtete, die in ihrer Gegend üblichen Sprichwörter zu sammeln und mir zugehen zu lassen.3

Wenn diese Anregungen auch nicht gerade den Erfolg hatten, den ich erwartete: den ganzen im Volksmunde befindlichen noch ungedruckten Sprichwörterschatz zu heben, so scheinen sie doch nicht völlig nutzlos gewesen zu sein. Die eingehenden Beiträge waren freilich nur vereinzelt und im Verhältniss zu dem, was geleistet werden konnte, sehr geringe Gaben; aber die Aufmerksamkeit selbst scheint dadurch dem Gegenstande zugewandt worden zu sein. Es begann sich zu regen auf dem Felde der Sprichwörterliteratur, wie die im Verhältniss zu früher seit der Mitte der funfziger Jahre in weit grösserer Anzahl erschienenen, diesem Gebiet angehörenden Schriften beweisen. (Vgl. das Quellenverzeichniss.)

Aus brieflichen Mittheilungen ersah ich, dass sich der Mangel an Sammeleifer auf zwei Hauptquellen zurückführen lasse; die einen behaupteten, es gebe in ihrer Gegend keine bisher ungedruckten Sprichwörter - ein Irrthum, in dem sich die überwiegende Mehrzahl noch befindet; andere meinten, ein solches Werk, wie ich es im Sinn habe, werde doch in Deutschland nie gedruckt: eine Ansicht, die beinahe das Richtige getroffen hätte, aber zur Ehre des deutschen Buchhandels und Volks noch ihre Widerlegung finden sollte.

Es galt nun, den Beweis für die Lebensfähigkeit der Arbeit zu führen: eine Aufgabe, die mir, zumal der Umfang derselben inzwischen auf ungefähr 2800 Bogen Manuscript angewachsen war, nicht allzu leicht gemacht, aber doch schliesslich gelöst worden ist, und zwar in einer Weise, welche dem Publikum ausreichende Bürgschaft für eine würdige Ausführung und Vollendung gewährt und dem obenerwähnten Unglauben die Wurzeln abschneidet. Nachdem der Druck bereits vier Jahre ohne Unterbrechung gedauert hat, die Herausgabe nicht fabrikmässig, sondern mit äusserster Sorgfalt besorgt worden ist, indem von keiner Seite Opfer an Arbeitskraft, Zeit und Kosten gescheut worden und der erste Band (in 15 Lieferungen ausgegeben) vorliegt, wird diese Behauptung erlaubt sein.

Einrichtung und Ausführung. Hätte ich die Grösse der Aufgabe damals auch nur entfernt geahnt, ich würde nicht den Muth gehabt haben, sie auf meine Schultern zu nehmen und deren Lösung zu beginnen. Die vornehme Gelehrsamkeit, welche den deutschen Sprichwörterschatz durch den ganzen neuhochdeutschen Zeitraum von Luther bis jetzt nicht zu einem einzigen, auch nur mässigen Ansprüchen genügenden Sammelwerke gefördert hat, würde dazu gelächelt haben, wie sie mehrseitig meine Ankündigung vor einigen Jahren ungläubig, wenn nicht naserümpfend belächelt hat. Ich sage, nicht zu einem einzigen, dem ausserordentlichen Reichthum des deutschen Sprichwörterschatzes entsprechenden Sammelwerke; denn die Arbeiten von Wagner, Körte und Simrock erschienen als Volksbücher, und Eiselein geht zwar auf die Quellen zurück, ist aber so unzuverlässig in der Angabe derselben wie in der Schreibung, dass mir dieselben wenigstens weit mehr Mühe und Zeitverlust verursacht als Nutzen gewährt haben, da man unter zehn Angaben auf neun unzutreffende oder unbrauchbare rechnen kann. Da steht bei irgendeinem Satze Agricola, Boner, Brant, Luther, Suchenwirth u. a., aber weder Ausgabe noch Seite; und wenn man den ganzen Schriftsteller durchsucht, hat man den Satz oft nicht gefunden.4 Ueberdies sind

1 Vgl. Die Niederlassung des Lehrers Wander in Löwenberg (Hamburg 1855).
2 Von dieser zweiten Abschrift sandte ich den ersten, die Buchstaben A-C enthaltenden Band an die Gesellschaft für deutsche Sprache in Berlin und bat um ein Gutachten derselben, das mich auf Lücken und Mängel aufmerksam machen und mir Winke für den etwaigen Druck oder fernern Ausbau geben sollte. Der von dem Stadtgerichtsdirector Oldebrecht erstattete Bericht erkannte das Bedürfniss eines solchen Werks, wie seine ganze Anlage an, vermisste aber die damals allerdings noch nicht erschöpfte Benutzung mundartlicher Quellen. Den andern unwesentlichen Ausstellungen ist seitdem, soweit ich sie für begründet erachten konnte, Rechnung getragen worden. Der Fassung des Begriffs Sprichwort aber habe ich mich, wie bereits erwähnt, weil für meine Arbeit viel zu eng, nicht anschliessen können.
3 Vgl. Augsburger Abendzeitung, 1857, Nr. 149; Budissiner Nachrichten, 1857, Nr. 71, Dauner Kreisblatt, 1857, Nr. 36; Der Feierabend (Gotha 1857), Nr. 2; Grünberger Kreisblatt, 1857, Nr. 50; Greifswalder Kreis- und Wochenblatt, 1857, Nr. 28; Hamburger Nachrichten, 1856, Nr. 302, Lausitzer Zeitung, 1857, Nr. 39; Pilot (Rudolstadt 1857), Nr. 16; Niederschlesischer Curier (Bunzlau 1857), Nr. 21; Sächsischer Postillon (Löbau 1857), Nr. 37; Zittauische Wöchentliche Nachrichten, 1857, Nr. 44, u. v. a., von denen mir keine Belagsblätter zugegangen sind.
4 Nur ein paar Proben. Das Sprichwort "Frau" 688, das in unserm Lexikon nach Gruter abgedruckt ist, hat Eiselein S. 432 in folgender Fassung: "Wer sine Fraw lobt und sin Gumpost (Compost), der wär' ihr beider gern los." Als Quelle hat er Geiler dahintergeschrieben, aber nicht angegeben, in welcher von dessen Schriften sich dasselbe findet; ebenso wenig hat er ein Wort darüber gesagt, dass "Gumpost" in "Kunst" verderbt worden sei. Mir ist es nicht gelungen, diese Fassung bei Geiler aufzufinden. Jedenfalls müsste die Verstümmelung schon vor Gruter erfolgt sein. S. XXXII seines Vorworts tadelt er Körte, dass er das Sprichwort "Glück" 899 unsers Lexikons von der Begebenheit des Bischofs Arno und der böhmischen Prinzessin hergeleitet habe und behauptet, es habe schon vorher "in aller Deutschen Munde gelebt", ohne auch nur eine einzige Quelle dafür anzugeben. In Nr. 30 der Blätter für literarische Unterhaltung für 1863 (Leipzig) belastet mich ein gelehrter Kritiker, von einer Anzahl anderer Sünden abgesehen, auch mit dem Vorwurf ungenügender Citate. Als Beispiel führt er Sp. 134 "Armer" 87 an, das mit dem Citat Wernher aus Eiselein S. 39 entlehnt ist, und fragt, welcher von den vielen Wernher gemeint sei. Ich habe daher in den spätern Lieferungen nur Eiselein citirt, und muss es jedem überlassen, wegen dessen Citaten unmittelbar bei ihm selbst Erkundigung einzuziehen.

Als ich endlich nach langen Kämpfen mich hier niedergelassen hatte1, begann ich, nach Ueberwindung einer Haussuchung, die ich unten erwähnen muss, meine Arbeiten aufs neue. Nach etwa vier Jahren, in denen ich alles mir Erreichbare durchmustert und ausgezogen hatte, war der oben erwähnte Durchschuss gefüllt, und das Manuscript auf etwa 1400 Bogen angewachsen.2 Es war eine neue Abschrift für den Druck nothwendig, die wieder ein paar Jahre in Anspruch nahm. Was sich an gedruckten Sprichwörtern vorfand, glaubte ich damals erschöpft – wie sehr ich mich geirrt habe, ist mir seit dem Beginn des Drucks klar geworden –; und ich wandte mich nun vorherrschend dem Sammeln aus dem Volksmunde selbst zu, indem ich durch eine grosse Anzahl deutscher Zeitschriften an die Freunde der Sprichwörter die Bitte richtete, die in ihrer Gegend üblichen Sprichwörter zu sammeln und mir zugehen zu lassen.3

Wenn diese Anregungen auch nicht gerade den Erfolg hatten, den ich erwartete: den ganzen im Volksmunde befindlichen noch ungedruckten Sprichwörterschatz zu heben, so scheinen sie doch nicht völlig nutzlos gewesen zu sein. Die eingehenden Beiträge waren freilich nur vereinzelt und im Verhältniss zu dem, was geleistet werden konnte, sehr geringe Gaben; aber die Aufmerksamkeit selbst scheint dadurch dem Gegenstande zugewandt worden zu sein. Es begann sich zu regen auf dem Felde der Sprichwörterliteratur, wie die im Verhältniss zu früher seit der Mitte der funfziger Jahre in weit grösserer Anzahl erschienenen, diesem Gebiet angehörenden Schriften beweisen. (Vgl. das Quellenverzeichniss.)

Aus brieflichen Mittheilungen ersah ich, dass sich der Mangel an Sammeleifer auf zwei Hauptquellen zurückführen lasse; die einen behaupteten, es gebe in ihrer Gegend keine bisher ungedruckten Sprichwörter – ein Irrthum, in dem sich die überwiegende Mehrzahl noch befindet; andere meinten, ein solches Werk, wie ich es im Sinn habe, werde doch in Deutschland nie gedruckt: eine Ansicht, die beinahe das Richtige getroffen hätte, aber zur Ehre des deutschen Buchhandels und Volks noch ihre Widerlegung finden sollte.

Es galt nun, den Beweis für die Lebensfähigkeit der Arbeit zu führen: eine Aufgabe, die mir, zumal der Umfang derselben inzwischen auf ungefähr 2800 Bogen Manuscript angewachsen war, nicht allzu leicht gemacht, aber doch schliesslich gelöst worden ist, und zwar in einer Weise, welche dem Publikum ausreichende Bürgschaft für eine würdige Ausführung und Vollendung gewährt und dem obenerwähnten Unglauben die Wurzeln abschneidet. Nachdem der Druck bereits vier Jahre ohne Unterbrechung gedauert hat, die Herausgabe nicht fabrikmässig, sondern mit äusserster Sorgfalt besorgt worden ist, indem von keiner Seite Opfer an Arbeitskraft, Zeit und Kosten gescheut worden und der erste Band (in 15 Lieferungen ausgegeben) vorliegt, wird diese Behauptung erlaubt sein.

Einrichtung und Ausführung. Hätte ich die Grösse der Aufgabe damals auch nur entfernt geahnt, ich würde nicht den Muth gehabt haben, sie auf meine Schultern zu nehmen und deren Lösung zu beginnen. Die vornehme Gelehrsamkeit, welche den deutschen Sprichwörterschatz durch den ganzen neuhochdeutschen Zeitraum von Luther bis jetzt nicht zu einem einzigen, auch nur mässigen Ansprüchen genügenden Sammelwerke gefördert hat, würde dazu gelächelt haben, wie sie mehrseitig meine Ankündigung vor einigen Jahren ungläubig, wenn nicht naserümpfend belächelt hat. Ich sage, nicht zu einem einzigen, dem ausserordentlichen Reichthum des deutschen Sprichwörterschatzes entsprechenden Sammelwerke; denn die Arbeiten von Wagner, Körte und Simrock erschienen als Volksbücher, und Eiselein geht zwar auf die Quellen zurück, ist aber so unzuverlässig in der Angabe derselben wie in der Schreibung, dass mir dieselben wenigstens weit mehr Mühe und Zeitverlust verursacht als Nutzen gewährt haben, da man unter zehn Angaben auf neun unzutreffende oder unbrauchbare rechnen kann. Da steht bei irgendeinem Satze Agricola, Boner, Brant, Luther, Suchenwirth u. a., aber weder Ausgabe noch Seite; und wenn man den ganzen Schriftsteller durchsucht, hat man den Satz oft nicht gefunden.4 Ueberdies sind

1 Vgl. Die Niederlassung des Lehrers Wander in Löwenberg (Hamburg 1855).
2 Von dieser zweiten Abschrift sandte ich den ersten, die Buchstaben A–C enthaltenden Band an die Gesellschaft für deutsche Sprache in Berlin und bat um ein Gutachten derselben, das mich auf Lücken und Mängel aufmerksam machen und mir Winke für den etwaigen Druck oder fernern Ausbau geben sollte. Der von dem Stadtgerichtsdirector Oldebrecht erstattete Bericht erkannte das Bedürfniss eines solchen Werks, wie seine ganze Anlage an, vermisste aber die damals allerdings noch nicht erschöpfte Benutzung mundartlicher Quellen. Den andern unwesentlichen Ausstellungen ist seitdem, soweit ich sie für begründet erachten konnte, Rechnung getragen worden. Der Fassung des Begriffs Sprichwort aber habe ich mich, wie bereits erwähnt, weil für meine Arbeit viel zu eng, nicht anschliessen können.
3 Vgl. Augsburger Abendzeitung, 1857, Nr. 149; Budissiner Nachrichten, 1857, Nr. 71, Dauner Kreisblatt, 1857, Nr. 36; Der Feierabend (Gotha 1857), Nr. 2; Grünberger Kreisblatt, 1857, Nr. 50; Greifswalder Kreis- und Wochenblatt, 1857, Nr. 28; Hamburger Nachrichten, 1856, Nr. 302, Lausitzer Zeitung, 1857, Nr. 39; Pilot (Rudolstadt 1857), Nr. 16; Niederschlesischer Curier (Bunzlau 1857), Nr. 21; Sächsischer Postillon (Löbau 1857), Nr. 37; Zittauische Wöchentliche Nachrichten, 1857, Nr. 44, u. v. a., von denen mir keine Belagsblätter zugegangen sind.
4 Nur ein paar Proben. Das Sprichwort „Frau“ 688, das in unserm Lexikon nach Gruter abgedruckt ist, hat Eiselein S. 432 in folgender Fassung: „Wer sine Fraw lobt und sin Gumpost (Compost), der wär' ihr beider gern los.“ Als Quelle hat er Geiler dahintergeschrieben, aber nicht angegeben, in welcher von dessen Schriften sich dasselbe findet; ebenso wenig hat er ein Wort darüber gesagt, dass „Gumpost“ in „Kunst“ verderbt worden sei. Mir ist es nicht gelungen, diese Fassung bei Geiler aufzufinden. Jedenfalls müsste die Verstümmelung schon vor Gruter erfolgt sein. S. XXXII seines Vorworts tadelt er Körte, dass er das Sprichwort „Glück“ 899 unsers Lexikons von der Begebenheit des Bischofs Arno und der böhmischen Prinzessin hergeleitet habe und behauptet, es habe schon vorher „in aller Deutschen Munde gelebt“, ohne auch nur eine einzige Quelle dafür anzugeben. In Nr. 30 der Blätter für literarische Unterhaltung für 1863 (Leipzig) belastet mich ein gelehrter Kritiker, von einer Anzahl anderer Sünden abgesehen, auch mit dem Vorwurf ungenügender Citate. Als Beispiel führt er Sp. 134 „Armer“ 87 an, das mit dem Citat Wernher aus Eiselein S. 39 entlehnt ist, und fragt, welcher von den vielen Wernher gemeint sei. Ich habe daher in den spätern Lieferungen nur Eiselein citirt, und muss es jedem überlassen, wegen dessen Citaten unmittelbar bei ihm selbst Erkundigung einzuziehen.
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[IX/0007] Als ich endlich nach langen Kämpfen mich hier niedergelassen hatte 1, begann ich, nach Ueberwindung einer Haussuchung, die ich unten erwähnen muss, meine Arbeiten aufs neue. Nach etwa vier Jahren, in denen ich alles mir Erreichbare durchmustert und ausgezogen hatte, war der oben erwähnte Durchschuss gefüllt, und das Manuscript auf etwa 1400 Bogen angewachsen. 2 Es war eine neue Abschrift für den Druck nothwendig, die wieder ein paar Jahre in Anspruch nahm. Was sich an gedruckten Sprichwörtern vorfand, glaubte ich damals erschöpft – wie sehr ich mich geirrt habe, ist mir seit dem Beginn des Drucks klar geworden –; und ich wandte mich nun vorherrschend dem Sammeln aus dem Volksmunde selbst zu, indem ich durch eine grosse Anzahl deutscher Zeitschriften an die Freunde der Sprichwörter die Bitte richtete, die in ihrer Gegend üblichen Sprichwörter zu sammeln und mir zugehen zu lassen. 3 Wenn diese Anregungen auch nicht gerade den Erfolg hatten, den ich erwartete: den ganzen im Volksmunde befindlichen noch ungedruckten Sprichwörterschatz zu heben, so scheinen sie doch nicht völlig nutzlos gewesen zu sein. Die eingehenden Beiträge waren freilich nur vereinzelt und im Verhältniss zu dem, was geleistet werden konnte, sehr geringe Gaben; aber die Aufmerksamkeit selbst scheint dadurch dem Gegenstande zugewandt worden zu sein. Es begann sich zu regen auf dem Felde der Sprichwörterliteratur, wie die im Verhältniss zu früher seit der Mitte der funfziger Jahre in weit grösserer Anzahl erschienenen, diesem Gebiet angehörenden Schriften beweisen. (Vgl. das Quellenverzeichniss.) Aus brieflichen Mittheilungen ersah ich, dass sich der Mangel an Sammeleifer auf zwei Hauptquellen zurückführen lasse; die einen behaupteten, es gebe in ihrer Gegend keine bisher ungedruckten Sprichwörter – ein Irrthum, in dem sich die überwiegende Mehrzahl noch befindet; andere meinten, ein solches Werk, wie ich es im Sinn habe, werde doch in Deutschland nie gedruckt: eine Ansicht, die beinahe das Richtige getroffen hätte, aber zur Ehre des deutschen Buchhandels und Volks noch ihre Widerlegung finden sollte. Es galt nun, den Beweis für die Lebensfähigkeit der Arbeit zu führen: eine Aufgabe, die mir, zumal der Umfang derselben inzwischen auf ungefähr 2800 Bogen Manuscript angewachsen war, nicht allzu leicht gemacht, aber doch schliesslich gelöst worden ist, und zwar in einer Weise, welche dem Publikum ausreichende Bürgschaft für eine würdige Ausführung und Vollendung gewährt und dem obenerwähnten Unglauben die Wurzeln abschneidet. Nachdem der Druck bereits vier Jahre ohne Unterbrechung gedauert hat, die Herausgabe nicht fabrikmässig, sondern mit äusserster Sorgfalt besorgt worden ist, indem von keiner Seite Opfer an Arbeitskraft, Zeit und Kosten gescheut worden und der erste Band (in 15 Lieferungen ausgegeben) vorliegt, wird diese Behauptung erlaubt sein. Einrichtung und Ausführung. Hätte ich die Grösse der Aufgabe damals auch nur entfernt geahnt, ich würde nicht den Muth gehabt haben, sie auf meine Schultern zu nehmen und deren Lösung zu beginnen. Die vornehme Gelehrsamkeit, welche den deutschen Sprichwörterschatz durch den ganzen neuhochdeutschen Zeitraum von Luther bis jetzt nicht zu einem einzigen, auch nur mässigen Ansprüchen genügenden Sammelwerke gefördert hat, würde dazu gelächelt haben, wie sie mehrseitig meine Ankündigung vor einigen Jahren ungläubig, wenn nicht naserümpfend belächelt hat. Ich sage, nicht zu einem einzigen, dem ausserordentlichen Reichthum des deutschen Sprichwörterschatzes entsprechenden Sammelwerke; denn die Arbeiten von Wagner, Körte und Simrock erschienen als Volksbücher, und Eiselein geht zwar auf die Quellen zurück, ist aber so unzuverlässig in der Angabe derselben wie in der Schreibung, dass mir dieselben wenigstens weit mehr Mühe und Zeitverlust verursacht als Nutzen gewährt haben, da man unter zehn Angaben auf neun unzutreffende oder unbrauchbare rechnen kann. Da steht bei irgendeinem Satze Agricola, Boner, Brant, Luther, Suchenwirth u. a., aber weder Ausgabe noch Seite; und wenn man den ganzen Schriftsteller durchsucht, hat man den Satz oft nicht gefunden. 4 Ueberdies sind 1 Vgl. Die Niederlassung des Lehrers Wander in Löwenberg (Hamburg 1855). 2 Von dieser zweiten Abschrift sandte ich den ersten, die Buchstaben A–C enthaltenden Band an die Gesellschaft für deutsche Sprache in Berlin und bat um ein Gutachten derselben, das mich auf Lücken und Mängel aufmerksam machen und mir Winke für den etwaigen Druck oder fernern Ausbau geben sollte. Der von dem Stadtgerichtsdirector Oldebrecht erstattete Bericht erkannte das Bedürfniss eines solchen Werks, wie seine ganze Anlage an, vermisste aber die damals allerdings noch nicht erschöpfte Benutzung mundartlicher Quellen. Den andern unwesentlichen Ausstellungen ist seitdem, soweit ich sie für begründet erachten konnte, Rechnung getragen worden. Der Fassung des Begriffs Sprichwort aber habe ich mich, wie bereits erwähnt, weil für meine Arbeit viel zu eng, nicht anschliessen können. 3 Vgl. Augsburger Abendzeitung, 1857, Nr. 149; Budissiner Nachrichten, 1857, Nr. 71, Dauner Kreisblatt, 1857, Nr. 36; Der Feierabend (Gotha 1857), Nr. 2; Grünberger Kreisblatt, 1857, Nr. 50; Greifswalder Kreis- und Wochenblatt, 1857, Nr. 28; Hamburger Nachrichten, 1856, Nr. 302, Lausitzer Zeitung, 1857, Nr. 39; Pilot (Rudolstadt 1857), Nr. 16; Niederschlesischer Curier (Bunzlau 1857), Nr. 21; Sächsischer Postillon (Löbau 1857), Nr. 37; Zittauische Wöchentliche Nachrichten, 1857, Nr. 44, u. v. a., von denen mir keine Belagsblätter zugegangen sind. 4 Nur ein paar Proben. Das Sprichwort „Frau“ 688, das in unserm Lexikon nach Gruter abgedruckt ist, hat Eiselein S. 432 in folgender Fassung: „Wer sine Fraw lobt und sin Gumpost (Compost), der wär' ihr beider gern los.“ Als Quelle hat er Geiler dahintergeschrieben, aber nicht angegeben, in welcher von dessen Schriften sich dasselbe findet; ebenso wenig hat er ein Wort darüber gesagt, dass „Gumpost“ in „Kunst“ verderbt worden sei. Mir ist es nicht gelungen, diese Fassung bei Geiler aufzufinden. Jedenfalls müsste die Verstümmelung schon vor Gruter erfolgt sein. S. XXXII seines Vorworts tadelt er Körte, dass er das Sprichwort „Glück“ 899 unsers Lexikons von der Begebenheit des Bischofs Arno und der böhmischen Prinzessin hergeleitet habe und behauptet, es habe schon vorher „in aller Deutschen Munde gelebt“, ohne auch nur eine einzige Quelle dafür anzugeben. In Nr. 30 der Blätter für literarische Unterhaltung für 1863 (Leipzig) belastet mich ein gelehrter Kritiker, von einer Anzahl anderer Sünden abgesehen, auch mit dem Vorwurf ungenügender Citate. Als Beispiel führt er Sp. 134 „Armer“ 87 an, das mit dem Citat Wernher aus Eiselein S. 39 entlehnt ist, und fragt, welcher von den vielen Wernher gemeint sei. Ich habe daher in den spätern Lieferungen nur Eiselein citirt, und muss es jedem überlassen, wegen dessen Citaten unmittelbar bei ihm selbst Erkundigung einzuziehen.

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Zitationshilfe: Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 1. Leipzig, 1867, S. IX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon01_1867/7>, abgerufen am 21.11.2024.