Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 1. Leipzig, 1867.[Spaltenumbruch] 48 Wer von der Gnade der Reichen (Vornehmen, Grossen) leben will, bekommt fette Worte und magere Suppen. 49 Wer von Gnade lebt, dem schwillt der Leib nicht. 50 Wo Gnade gilt als Recht, da steht es mit dem Rechte schlecht. 51 Wo Gnade wohnt, da soll man sie suchen. - Graf, 397, 610. Das Begnadigungsrecht wird nur vom Staatsoberhaupte geübt. Mhd.: Swa gnade wonet, da sal man si suochen. (Grimm, Rechtsalt., 34.) 52 Wo keyn gnad ist, da ist alles bitten (Beten) vergebens. - Franck, I, 68a; Henisch, 1671, 40; Lehmann, II, 857, 449. Dän.: Hvor ingen naade er, der bedes forgieves. (Prov. dan., 422.) Lat.: Frustra rogatur qui misereri nescit. 53 Zu viel gnad ist die höchste vngnad, denn Zucht vnd Ehr geht davon vnter. - Lehmann, 941, 12. Dän.: For megen naade er skadelig. (Prov. dan., 422.) *54 Auf die gnade Gottes sündigen. - Mathesy, 23a. *55 Auf Gnade und Ungnade. *56 Das ist (rechte, wahre) Gnade Gottes. Frz.: Cela lui vient de Dieu grace. (Lendroy, 1492.) *57 Einen zu Gnaden annehmen. *58 Er ruft um Gnade, ehe man ihn schlägt. *59 Er steht in Gnaden, wie der Weihkessel hinter der Kirchthür. - Eiselein, 245; Körte, 2288; Braun, I, 894. *60 Gnade bei Marignano suchen. Italienisches Sprichwort, durch welches das Andenken an die Riesenschlacht von Marignano (13. und 14. Sept. 1515), in welcher schweizer Miethstruppen für Maximilian Sforza gegen Franz I. von Frankreich kämpften, erhalten wird. Der Kampf wurde mit gegenseitiger Erbitterung geführt. *61 Gnade für Recht ergehen lassen. - Braun, I, 891. *62 Gnade us Gott! - Eichwald, 666. *63 Jemandes Gnade leben. Von ihm seinen Unterhalt bekommen. *64 Sie haben Gnade, sie lassen sich wohl sein darum. (Schweiz.) - Kirchhofer, 158. *65 Um Gnade flehen. Frz.: Demander pardon, ventre a terre. (Lendroy, 1519.) Gnadenbild. Hässliche Gnadenbilder haben die meisten Verehrer. - Eiselein, 245. Gnadenbrocken. * Einem einen Gnadenbrocken vorwerfen. Gnadenbrot. * Das Gnadenbrot essen. Holl.: Hij eet genadebrood. (Harrebomee, I, 229.) Gnadendienst. Gnadendienst hat Erbarmen zum Gewinst. Gnadenehre. Gnadenehr' ist eitle Ehr'. Gnadengarn. * Ins Gnadengarn springen. Sich der Gnade überlassen. "Die meisten springen aus Gottes Gnadengarn in des Teufels Reich und Verdammniss." (Luther; Salzmann, Anh. 34.) Gnadenpfennig. Es gibt mehr Gnadenpfennige als Gnadenthaler. Gnadenspritz. * A hot an Gnadenspitzrig (weg-)gekriegt. Eine Gunst, eine Gnadenbezeigung, oft aber ironisch. Wol vom Einschenken hergenommen. Gnadenstoss. * Das gibt ihm den Gnadenstoss. Holl.: Hij krijgt den genadeslag. (Harrebomee, I, 229.) Gnadensuppe. Gnadensuppe ist nicht für jeden Magen. Gnadenthür. 1 Bei der Gnadenthür macht nur das Glück Quartier. 2 Die Gnadenthür ist nimmer zu in diesem Leben. - Petri, I, 16. 3 Die Gnadenthür stehet dem, der glück hat, allezeit etlich Klaffter weit offen. - Lehmann, 941, 11. Gnadenweg. * Den Gnadenweg einschlagen. Gnädig. Gnädig, Herr Düvel, ück bin ok 'n Gespök. (Ostfries.) - Frommann, V, 428, 490; Bueren, 484; Hauskalender, II. Gnarrsack. * Er ist ein Gnarrsack. - Frischbier2, 1322. Von einem Menschen, der weinerlich klagt. (S. Quarrsack.) Gniefke. * Er ist ein rechter Gniefke. - Frischbier2, 1323. 1) Geizhals, Knauser. Gnorbacher. Die Gnorbacher kommen1. - Frischbier, 269. 1) D. h. die Schweine. - Man nennt in der Provinz Preussen die Zeit der Heimkehr der Schweine vom Felde die Schweinestunde, zu der von den Arbeitern ein Schnaps getrunken wird. Gnurren. Wo lauter Gnurren, Murren und Argwohn, da wohnt der Teufel. - Schottel, 1144b. Gnuschke. * Er ist ein Gnuschke. - Frischbier2, 1326. Gobande. Gobande, du hast zu spät aufgienet. - Eiselein, 245. Um auszudrücken: du bekommst nichts. Göbe. Wenn Koben1 theuer werden, dann wird der Salm wohlfeil. - Sutor, 155. 1) Göbe (Campe, Wb., II, 415 u. 473), Gäbe, Grundel u. s. w. = Cyprinus gobio L. Lat.: Salmo vilescit, nummo dum gobio crescit. Goderl. * Einem das Goderl (Unterkinn) kratzen. - Idiot. Austr., 75. Jemand, besonders einem Bekannten, Schmeicheleien sagen. Gof. 1 D' Gofa1 ond d' Narra (oder die: rüschiga Lüt) sägid d' Wohreht. - Tobler, 231. 1) Gof = ein niedriger, doch in der Schweiz nicht auffallender Ausdruck für das in der edlern Sprache gebräuchliche Chend (Kind). 2 Ma mos d' Gofa1 vergompa2 lo. - Tobler, 183. 1) In der Einzahl ein kleines Kind, besonders ein Mädchen, in der Mehrzahl versteht man überhaupt ein Kind darunter ohne Unterschied des Geschlechts. Göfelen = die Art der Kinder an sich haben, besonders kindisch plappern, sich kindisch betragen. (Stalder, I, 462.) 2) Auch vergumpen = sich mit Hüpfen und Springen belustigen, die Zeit vertreiben. (Tobler, 183.) Gog. Gog ist Gog, sagte der Commissar, und griff den Pädagog für den Demagog. Goggeler. 1 Chräit der Güggel vor Mitternacht, git's wüescht's, chräit er noh Mitternacht, git's schön's Wätter. - Schild, 118, 160. 2 E guete Güggel isch nit feist. (Solothurn.) - Schild, 61, 66. 3 Nehmt die Goggeler nicht mit. (Baiern.) Zur Zeit des Dreissigjährigen Krieges flohen die Bewohner des Dorfes Wiedemannsdorf (Schwaben) in die Bergschluchten, packten alles auf, was lebte und schwebte, steckten die Hennen und Hähne in Säcke. Da soll eine Dirne die Leute ermahnt haben: "Nehmet die Hahnen nicht mit, sie könnten uns mit ihrem Krähen verrathen." Daher besteht daselbst das obige Sprichwort, was nach dortiger Deutung heisst: Schaffet die Schwätzer beiseite. (A. Schöppner, Sagenbuch, München 1852, I, 41.) 4 Zwei Göckel in Einem Hofe thun nicht gut (vertragen sich nicht). Lat.: Non capit regnum duos. (Binder II, 2138.) - Semper erit paribus bellum qui viribus aequant. (Binder II, 3066.) *5 Das ist ein rechter Gockeler. (Rottenburg.) Weibliche Person, die viel und laut lacht. *6 Es steigt ihm der Gock'l. - Schöpf, 198. Der Kamm schwillt ihm. *7 Hast net g'wisst, dass der Gockeler d' Hennen küsst? Hast g'meint, er beiss? (Nürtingen.) Goj. 1 Bei Goj is kein Spod. (Königsberg.) - Frischbier2, 1327. Jüd.-deutsch: Christen bewahren kein Geheimniss.
[Spaltenumbruch] 48 Wer von der Gnade der Reichen (Vornehmen, Grossen) leben will, bekommt fette Worte und magere Suppen. 49 Wer von Gnade lebt, dem schwillt der Leib nicht. 50 Wo Gnade gilt als Recht, da steht es mit dem Rechte schlecht. 51 Wo Gnade wohnt, da soll man sie suchen. – Graf, 397, 610. Das Begnadigungsrecht wird nur vom Staatsoberhaupte geübt. Mhd.: Swa gnâde wonet, dâ sal man si suochen. (Grimm, Rechtsalt., 34.) 52 Wo keyn gnad ist, da ist alles bitten (Beten) vergebens. – Franck, I, 68a; Henisch, 1671, 40; Lehmann, II, 857, 449. Dän.: Hvor ingen naade er, der bedes forgieves. (Prov. dan., 422.) Lat.: Frustra rogatur qui misereri nescit. 53 Zu viel gnad ist die höchste vngnad, denn Zucht vnd Ehr geht davon vnter. – Lehmann, 941, 12. Dän.: For megen naade er skadelig. (Prov. dan., 422.) *54 Auf die gnade Gottes sündigen. – Mathesy, 23a. *55 Auf Gnade und Ungnade. *56 Das ist (rechte, wahre) Gnade Gottes. Frz.: Cela lui vient de Dieu grâce. 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48 Wer von der Gnade der Reichen (Vornehmen, Grossen) leben will, bekommt fette Worte und magere Suppen.
49 Wer von Gnade lebt, dem schwillt der Leib nicht.
50 Wo Gnade gilt als Recht, da steht es mit dem Rechte schlecht.
51 Wo Gnade wohnt, da soll man sie suchen. – Graf, 397, 610.
Das Begnadigungsrecht wird nur vom Staatsoberhaupte geübt.
Mhd.: Swa gnâde wonet, dâ sal man si suochen. (Grimm, Rechtsalt., 34.)
52 Wo keyn gnad ist, da ist alles bitten (Beten) vergebens. – Franck, I, 68a; Henisch, 1671, 40; Lehmann, II, 857, 449.
Dän.: Hvor ingen naade er, der bedes forgieves. (Prov. dan., 422.)
Lat.: Frustra rogatur qui misereri nescit.
53 Zu viel gnad ist die höchste vngnad, denn Zucht vnd Ehr geht davon vnter. – Lehmann, 941, 12.
Dän.: For megen naade er skadelig. (Prov. dan., 422.)
*54 Auf die gnade Gottes sündigen. – Mathesy, 23a.
*55 Auf Gnade und Ungnade.
*56 Das ist (rechte, wahre) Gnade Gottes.
Frz.: Cela lui vient de Dieu grâce. (Lendroy, 1492.)
*57 Einen zu Gnaden annehmen.
*58 Er ruft um Gnade, ehe man ihn schlägt.
*59 Er steht in Gnaden, wie der Weihkessel hinter der Kirchthür. – Eiselein, 245; Körte, 2288; Braun, I, 894.
*60 Gnade bei Marignano suchen.
Italienisches Sprichwort, durch welches das Andenken an die Riesenschlacht von Marignano (13. und 14. Sept. 1515), in welcher schweizer Miethstruppen für Maximilian Sforza gegen Franz I. von Frankreich kämpften, erhalten wird. Der Kampf wurde mit gegenseitiger Erbitterung geführt.
*61 Gnade für Recht ergehen lassen. – Braun, I, 891.
*62 Gnade us Gott! – Eichwald, 666.
*63 Jemandes Gnade leben.
Von ihm seinen Unterhalt bekommen.
*64 Sie haben Gnade, sie lassen sich wohl sein darum. (Schweiz.) – Kirchhofer, 158.
*65 Um Gnade flehen.
Frz.: Demander pardon, ventre à terre. (Lendroy, 1519.)
Gnadenbild.
Hässliche Gnadenbilder haben die meisten Verehrer. – Eiselein, 245.
Gnadenbrocken.
* Einem einen Gnadenbrocken vorwerfen.
Gnadenbrot.
* Das Gnadenbrot essen.
Holl.: Hij eet genadebrood. (Harrebomée, I, 229.)
Gnadendienst.
Gnadendienst hat Erbarmen zum Gewinst.
Gnadenehre.
Gnadenehr' ist eitle Ehr'.
Gnadengarn.
* Ins Gnadengarn springen.
Sich der Gnade überlassen. „Die meisten springen aus Gottes Gnadengarn in des Teufels Reich und Verdammniss.“ (Luther; Salzmann, Anh. 34.)
Gnadenpfennig.
Es gibt mehr Gnadenpfennige als Gnadenthaler.
Gnadenspritz.
* A hôt an Gnadenspitzrig (weg-)gekriegt.
Eine Gunst, eine Gnadenbezeigung, oft aber ironisch. Wol vom Einschenken hergenommen.
Gnadenstoss.
* Das gibt ihm den Gnadenstoss.
Holl.: Hij krijgt den genadeslag. (Harrebomée, I, 229.)
Gnadensuppe.
Gnadensuppe ist nicht für jeden Magen.
Gnadenthür.
1 Bei der Gnadenthür macht nur das Glück Quartier.
2 Die Gnadenthür ist nimmer zu in diesem Leben. – Petri, I, 16.
3 Die Gnadenthür stehet dem, der glück hat, allezeit etlich Klaffter weit offen. – Lehmann, 941, 11.
Gnadenweg.
* Den Gnadenweg einschlagen.
Gnädig.
Gnädig, Herr Düvel, ück bin ôk 'n Gespök. (Ostfries.) – Frommann, V, 428, 490; Bueren, 484; Hauskalender, II.
Gnarrsack.
* Er ist ein Gnarrsack. – Frischbier2, 1322.
Von einem Menschen, der weinerlich klagt. (S. Quarrsack.)
Gniefke.
* Er ist ein rechter Gniefke. – Frischbier2, 1323.
1) Geizhals, Knauser.
Gnorbacher.
Die Gnorbacher kommen1. – Frischbier, 269.
1) D. h. die Schweine. – Man nennt in der Provinz Preussen die Zeit der Heimkehr der Schweine vom Felde die Schweinestunde, zu der von den Arbeitern ein Schnaps getrunken wird.
Gnurren.
Wo lauter Gnurren, Murren und Argwohn, da wohnt der Teufel. – Schottel, 1144b.
Gnuschke.
* Er ist ein Gnuschke. – Frischbier2, 1326.
Gobande.
Gobande, du hast zu spät aufgienet. – Eiselein, 245.
Um auszudrücken: du bekommst nichts.
Göbe.
Wenn Koben1 theuer werden, dann wird der Salm wohlfeil. – Sutor, 155.
1) Göbe (Campe, Wb., II, 415 u. 473), Gäbe, Grundel u. s. w. = Cyprinus gobio L.
Lat.: Salmo vilescit, nummo dum gobio crescit.
Goderl.
* Einem das Goderl (Unterkinn) kratzen. – Idiot. Austr., 75.
Jemand, besonders einem Bekannten, Schmeicheleien sagen.
Gôf.
1 D' Gofa1 ond d' Narra (oder die: rüschiga Lüt) sägid d' Wohreht. – Tobler, 231.
1) Gof = ein niedriger, doch in der Schweiz nicht auffallender Ausdruck für das in der edlern Sprache gebräuchliche Chend (Kind).
2 Ma mos d' Gofa1 vergompa2 lô. – Tobler, 183.
1) In der Einzahl ein kleines Kind, besonders ein Mädchen, in der Mehrzahl versteht man überhaupt ein Kind darunter ohne Unterschied des Geschlechts. Göfelen = die Art der Kinder an sich haben, besonders kindisch plappern, sich kindisch betragen. (Stalder, I, 462.)
2) Auch vergumpen = sich mit Hüpfen und Springen belustigen, die Zeit vertreiben. (Tobler, 183.)
Gog.
Gog ist Gog, sagte der Commissar, und griff den Pädagog für den Demagog.
Goggeler.
1 Chräit der Güggel vor Mitternacht, git's wüescht's, chräit er noh Mitternacht, git's schön's Wätter. – Schild, 118, 160.
2 E guete Güggel isch nit feist. (Solothurn.) – Schild, 61, 66.
3 Nehmt die Goggeler nicht mit. (Baiern.)
Zur Zeit des Dreissigjährigen Krieges flohen die Bewohner des Dorfes Wiedemannsdorf (Schwaben) in die Bergschluchten, packten alles auf, was lebte und schwebte, steckten die Hennen und Hähne in Säcke. Da soll eine Dirne die Leute ermahnt haben: „Nehmet die Hahnen nicht mit, sie könnten uns mit ihrem Krähen verrathen.“ Daher besteht daselbst das obige Sprichwort, was nach dortiger Deutung heisst: Schaffet die Schwätzer beiseite. (A. Schöppner, Sagenbuch, München 1852, I, 41.)
4 Zwei Göckel in Einem Hofe thun nicht gut (vertragen sich nicht).
Lat.: Non capit regnum duos. (Binder II, 2138.) – Semper erit paribus bellum qui viribus aequant. (Binder II, 3066.)
*5 Das ist ein rechter Gockeler. (Rottenburg.)
Weibliche Person, die viel und laut lacht.
*6 Es steigt ihm der Gock'l. – Schöpf, 198.
Der Kamm schwillt ihm.
*7 Hast net g'wisst, dass der Gockeler d' Hennen küsst? Hast g'meint, er beiss? (Nürtingen.)
Goj.
1 Bei Goj is kein Spod. (Königsberg.) – Frischbier2, 1327.
Jüd.-deutsch: Christen bewahren kein Geheimniss.
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