Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 2. Leipzig, 1870.[Spaltenumbruch] 80 Es ist kein Jahr vor Regen sicher. 81 Es ist noch ein gutes Jahr, wenn man an Wachs gewinnt, was man an Honig verloren. 82 Es ist so mehr zehen Jahr abgesoffen, als zwantzig Jahr auff Krücken gegangen. - Petri, III, 6. 83 Es Johr isch a kei Stude bunge. (Solothurn.) - Schild, 63, 87. Bei einem Vertrag u. s. w. ist ein Jahr keine Ewigkeit. 84 Es vergehen viel Jahre, ehe man einen Schatz findet. Dän.: Der kommer ei hvert aar hval til lande. (Prov. dan., 319.) 85 Es wird im Jahr vil vergöntes Brots1 gessen. - Henisch, 523, 26; Petri, II, 305. 1) Das Wort "vergönt" kommt hier wol in demselben Sinn wie in "Bissen 10" vor, wo es "vergunt" lautet. Da ich dort gar keine Erklärung gegeben, sondern nur, wie Henisch gethan, für das veraltete "vergunt" das neuhochdeutsche "vergönnt" beigefügt und jedem die nicht schwierige Auffindung des richtigen Sinns überlassen habe; so kann wol von einem Misverständniss meinerseits dort nicht die Rede sein. (Vgl. Mich. Neander von Fr. Latendorf, Schwerin 1864, S. 57.) Es ist dort nur nicht gesagt, welche der vielen Bedeutungen der Vorsilbe "ver" (vgl. Campe, Wb.) zur Anwendung kommt. Richtig ist allerdings, dass vergönnen im obigen Sprichwort wie unter Bissen 10 in dem Sinne von "misgönnen" steht; aber dieser Sinn kann ebenso gut durch die Silbe "ver" ausgedrückt werden, welche in ähnlichen Fällen diesen Dienst leistet, indem sie die von dem persönlichen Object abgewandte Richtung oder ein Verderben, Vernichten des im Grundwort enthaltenen Begriffs ausdrückt, wie etwa in verspielen, verschreiben, verwünschen u. s. w. Ich wünsche jemand einen guten Tag, ich verwünsche ihm den guten Tag. Das Brot, das mir A. gönnt, ver- oder misgönnt mir B.; beides heisst im Zeitalter der Reformation "verguntes Brot". Der Sprachgebrauch der neuern Zeit hat aber in diesem Falle die eine Bedeutung der Silbe "ver" an die Silbe "mis" verloren, aber keineswegs so, dass man sie nicht noch darin finden könnte. 86 Et is 'n fett Jahr, sä de Maus; da fratt se an'r Specksien (Speckseite). - Hoefer, 777. 87 Gleiche Jahre, die besten Paare. Nicht blos verhältnissmässige Gleichheit im Alter, sondern auch in der Erziehung, im Stande und in den Ansichten werden als Bedingungen einer guten glücklichen Ehe empfohlen. Der Toscaner sagt: Wer sich gleicht, nehme sich. Der Mailänder: Wer sich gleicht, gefällt sich. Der Franzose: Wer sich gleicht, gesellt sich. Der Araber: Der Blinde liebt den Blinden. Der Venetianer sagt scherzhaft: Es hat sich der Spaten verheirathet, er hat die Hacke genommen; denn wie der Mann ist, so muss er die Frau suchen. (Reinsberg I, 126.) 88 Hundert Jahr ist ein grosses Wort, doch sind sie gar geschwinde fort. Frz.: Cent ans ne sont pas si longs qu'ils en ont la mine. (Cahier, 280.) 89 Hundert Jahr Melancholie bezahlen den Dreier Schulden nie. Frz.: Cent ans de chagrin ne payent pas un sou de dettes. (Bohn I, 10; Lendroy, 595.) 90 Hunderttausend Jahre Unrecht ist noch keine Stunde Recht. - Graf, 95, 195; Hillebrand, 9, 11; Kirchhofer, 175. 91 Ich bin zehn Jahre gebunden, sagte die Spinne, werde ich denn gerade am letzten Tage (der Haft, heute) sterben? Ich habe so viel Schweres überstanden, sollte ich denn das Leichtere nicht überstehen? 92 Ich habs vor siben Jaren gewust, das huffnägel eisen sind. - Henisch, 866, 32. 93 Ich thu's dies Jahr nicht, sagt man in Nürnberg, aufs ander Jahr kommen die Heiden. Der Spruch stand in Nürnberg angeschrieben. 94 Im ersten Jahr in den Armen liegen, im zweiten Windeln und Wiegen, im dritten kehrt man sich den Rücken, im vierten schlägt man sich in Stücken. In Bergamo: Im ersten Jahr (der Ehe) umarmt man sich, im zweiten wickelt man, im dritten keilt man sich. In Toscana: Im ersten Jahr Umarmungen, im zweiten Windeln, im dritten viel Noth und kein Brot. 95 Im ersten Jahre kann keiner Doctor sein. 96 Im ersten Jahre rügen, im zweiten strafen, im dritten gar ausweisen. - Graf, 76, 89. Zum Schutz der Besitzer zinspflichtiger Güter, um sie vor plötzlicher Ausweisung aus ihrem Besitz wegen [Spaltenumbruch] rückständiger Zinsenzahlung zu schützen, war, was das obige Sprichwort ausdrückt, dafür gesorgt, dass eine Zeit vorausging, in der sie durch Mahnung und Strafe an ihre Pflicht erinnert wurden. Mhd.: Zum ersten jahr rügen, zum zweytten jahr straffen zum drittem jahr gar aussweisen. (Grimm, Weisth., II, 283.) 97 Im guten Jahr trägt auch ein schlechtes Feld. Frz.: Mieux vaut un bon temps qu'un bon champ. (Leroux, I, 40.) 98 Im Jar laufft vil wasser den berg hinunder. - Henisch, 289, 42; Petri, II, 400. 99 In dreissig Jahren kann man keine Grenze verschweigen. - Graf, 95, 185. Behauptet, dass Grenzen, wie Staats-, Kirchen- und Gemeingut nicht verjähren können. Mhd.: Ooch mag man keine grenczen in drizig jaren vorswigen. (Daniels, 432, 29.) 100 In dürren Jahren mehrt sich das Ungeziefer. 101 In einem guten Jahr wächst Korn für zwei schlechte. Span.: Por mucho pan, nunca mal anno. ( Cahier, 3611.) 102 In einem Jahr steinreich werden, kan nicht sein ohne böse Rencke vnd sünd. - Petri, II, 303. 103 In einem Jahre kann man mehr thun als in einem Tage. Dän.: Det staar ikke i syv aar som i syv dage. (Prov. dan., 529.) 104 In hundert Jahren kommen die Heiden ins Land. In Venetien: In hundert Jahren gilt der Flachs so viel wie das Werch. (Reinsberg II, 138.) Frz.: Au bout de cent ans les rois sont vilains et les vilains sont rois. (Leroux, II, 81.) 105 In hundert Jahren thut uns kein Zahn mehr weh. 106 In'n Jar kann vel Water den Barg herdal lopen. (Holst.) - Schütze, II, 345. Binnen Jahresfrist kann sich viel ändern. 107 Ist das Jahr auch noch so lang, der Weihnachtsabend ist immer zu kurz. Dän.: Aaret er aldrig saa lang, juule-aften er jo trang. (Prov. dan., 3.) 108 Ist's in diesem Jahre trocken, gibt's im nächsten guten Roggen. (Brandenburg.) - Boebel, 121. 109 Jahr und Tag ist die rechte Gewähr. - Pistor., V, 99; Eisenhart, 241; Graf, 94, 176; Sailer, 254; Eiselein, 346; Simrock, 5183. "Rechte Gewere" ist ein gegen jede Klage gesichertes rechtliches Verhältniss zu einer Sache. Dies aus dem sächsischen Landrecht entlehnte Sprichwort handelt von der Gewährleistung verkaufter beweglicher Güter und will sagen, dass derjenige, welcher Jahr und Tag (d. h. nach dem sächsischen Recht 1 Jahr und 6 Wochen, wozu später noch 3 Tage gekommen sind) eine bewegliche Sache besessen, das Eigenthum daran erworben habe und der Verkäufer derselben, nach Abfluss dieser Zeit kein Gewähr mehr zu leisten schuldig sei, vorausgesetzt, dass jemand eine Sache auf gesetzlichem Wege besitzt. Bei unbeweglichen Gütern war ein Zeitraum von 41 Jahren 6 oder 3 Tagen erforderlich. 110 Jahr und Tag soll ewig dauern. - Graf, 94, 178; Rössler, I, 44. Der Besitz eines Gutes, das im guten Glauben nach Jahr und Tag erlangt war, soll sicher gegen jede Klage sein und für immer unangefochten bleiben. 111 Jahre bringen Verstand, aber auch graue Haare. - Simrock, 5186; Braun, II, 532. 112 Jahre drücken krumm den Rücken. 113 Jahre führen zur Bahre. 114 Jahre lehren (wissen) mehr als Bücher. - Simrock, 5184; Körte, 3129; Braun, I, 1626. Engl.: Years know more than books. (Bohn II, 24.) 115 Jahre nehmen hin das Haar, aber nicht die Bosheit gar. - Körte, 3131 u. 3913. 116 Je mehr Jahr, je zäher baar. Alte Leute sind zäh im Geldgeben. Holl.: Hoe hooger van jaren, hoe trager van baren. (Harrebomee, I, 350b.) 117 Je mehr Jahre, desto näher der Bahre. Engl.: The more thy years the nearer thy grave. (Bohn II, 24.) It.: Chi piu in vecchia, va piu presto al suo fine. 118 Jedes Jahr bringt neue Kleidung. - Sutor, 934. 119 Jedes Jahr ein ander Kleid liebt der Pole allezeit (oder: ist des Polen Herrlichkeit). Aus der zügellosen Vorliebe der (gebildeten) Polen für alles Ausländische. Das Werthvolle der Heimat [Spaltenumbruch] 80 Es ist kein Jahr vor Regen sicher. 81 Es ist noch ein gutes Jahr, wenn man an Wachs gewinnt, was man an Honig verloren. 82 Es ist so mehr zehen Jahr abgesoffen, als zwantzig Jahr auff Krücken gegangen. – Petri, III, 6. 83 Es Johr isch a kei Stude bunge. (Solothurn.) – Schild, 63, 87. Bei einem Vertrag u. s. w. ist ein Jahr keine Ewigkeit. 84 Es vergehen viel Jahre, ehe man einen Schatz findet. Dän.: Der kommer ei hvert aar hval til lande. (Prov. dan., 319.) 85 Es wird im Jahr vil vergöntes Brots1 gessen. – Henisch, 523, 26; Petri, II, 305. 1) Das Wort „vergönt“ kommt hier wol in demselben Sinn wie in „Bissen 10“ vor, wo es „vergunt“ lautet. 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80 Es ist kein Jahr vor Regen sicher.
81 Es ist noch ein gutes Jahr, wenn man an Wachs gewinnt, was man an Honig verloren.
82 Es ist so mehr zehen Jahr abgesoffen, als zwantzig Jahr auff Krücken gegangen. – Petri, III, 6.
83 Es Johr isch a kei Stude bunge. (Solothurn.) – Schild, 63, 87.
Bei einem Vertrag u. s. w. ist ein Jahr keine Ewigkeit.
84 Es vergehen viel Jahre, ehe man einen Schatz findet.
Dän.: Der kommer ei hvert aar hval til lande. (Prov. dan., 319.)
85 Es wird im Jahr vil vergöntes Brots1 gessen. – Henisch, 523, 26; Petri, II, 305.
1) Das Wort „vergönt“ kommt hier wol in demselben Sinn wie in „Bissen 10“ vor, wo es „vergunt“ lautet. Da ich dort gar keine Erklärung gegeben, sondern nur, wie Henisch gethan, für das veraltete „vergunt“ das neuhochdeutsche „vergönnt“ beigefügt und jedem die nicht schwierige Auffindung des richtigen Sinns überlassen habe; so kann wol von einem Misverständniss meinerseits dort nicht die Rede sein. (Vgl. Mich. Neander von Fr. Latendorf, Schwerin 1864, S. 57.) Es ist dort nur nicht gesagt, welche der vielen Bedeutungen der Vorsilbe „ver“ (vgl. Campe, Wb.) zur Anwendung kommt. Richtig ist allerdings, dass vergönnen im obigen Sprichwort wie unter Bissen 10 in dem Sinne von „misgönnen“ steht; aber dieser Sinn kann ebenso gut durch die Silbe „ver“ ausgedrückt werden, welche in ähnlichen Fällen diesen Dienst leistet, indem sie die von dem persönlichen Object abgewandte Richtung oder ein Verderben, Vernichten des im Grundwort enthaltenen Begriffs ausdrückt, wie etwa in verspielen, verschreiben, verwünschen u. s. w. Ich wünsche jemand einen guten Tag, ich verwünsche ihm den guten Tag. Das Brot, das mir A. gönnt, ver- oder misgönnt mir B.; beides heisst im Zeitalter der Reformation „verguntes Brot“. Der Sprachgebrauch der neuern Zeit hat aber in diesem Falle die eine Bedeutung der Silbe „ver“ an die Silbe „mis“ verloren, aber keineswegs so, dass man sie nicht noch darin finden könnte.
86 Et is 'n fett Jahr, sä de Mûs; da fratt se an'r Specksiën (Speckseite). – Hoefer, 777.
87 Gleiche Jahre, die besten Paare.
Nicht blos verhältnissmässige Gleichheit im Alter, sondern auch in der Erziehung, im Stande und in den Ansichten werden als Bedingungen einer guten glücklichen Ehe empfohlen. Der Toscaner sagt: Wer sich gleicht, nehme sich. Der Mailänder: Wer sich gleicht, gefällt sich. Der Franzose: Wer sich gleicht, gesellt sich. Der Araber: Der Blinde liebt den Blinden. Der Venetianer sagt scherzhaft: Es hat sich der Spaten verheirathet, er hat die Hacke genommen; denn wie der Mann ist, so muss er die Frau suchen. (Reinsberg I, 126.)
88 Hundert Jahr ist ein grosses Wort, doch sind sie gar geschwinde fort.
Frz.: Cent ans ne sont pas si longs qu'ils en ont la mine. (Cahier, 280.)
89 Hundert Jahr Melancholie bezahlen den Dreier Schulden nie.
Frz.: Cent ans de chagrin ne payent pas un sou de dettes. (Bohn I, 10; Lendroy, 595.)
90 Hunderttausend Jahre Unrecht ist noch keine Stunde Recht. – Graf, 95, 195; Hillebrand, 9, 11; Kirchhofer, 175.
91 Ich bin zehn Jahre gebunden, sagte die Spinne, werde ich denn gerade am letzten Tage (der Haft, heute) sterben?
Ich habe so viel Schweres überstanden, sollte ich denn das Leichtere nicht überstehen?
92 Ich habs vor siben Jaren gewust, das huffnägel eisen sind. – Henisch, 866, 32.
93 Ich thu's dies Jahr nicht, sagt man in Nürnberg, aufs ander Jahr kommen die Heiden.
Der Spruch stand in Nürnberg angeschrieben.
94 Im ersten Jahr in den Armen liegen, im zweiten Windeln und Wiegen, im dritten kehrt man sich den Rücken, im vierten schlägt man sich in Stücken.
In Bergamo: Im ersten Jahr (der Ehe) umarmt man sich, im zweiten wickelt man, im dritten keilt man sich. In Toscana: Im ersten Jahr Umarmungen, im zweiten Windeln, im dritten viel Noth und kein Brot.
95 Im ersten Jahre kann keiner Doctor sein.
96 Im ersten Jahre rügen, im zweiten strafen, im dritten gar ausweisen. – Graf, 76, 89.
Zum Schutz der Besitzer zinspflichtiger Güter, um sie vor plötzlicher Ausweisung aus ihrem Besitz wegen
rückständiger Zinsenzahlung zu schützen, war, was das obige Sprichwort ausdrückt, dafür gesorgt, dass eine Zeit vorausging, in der sie durch Mahnung und Strafe an ihre Pflicht erinnert wurden.
Mhd.: Zum ersten jahr rügen, zum zweytten jahr straffen zum drittem jahr gar aussweisen. (Grimm, Weisth., II, 283.)
97 Im guten Jahr trägt auch ein schlechtes Feld.
Frz.: Mieux vaut un bon temps qu'un bon champ. (Leroux, I, 40.)
98 Im Jar laufft vil wasser den berg hinunder. – Henisch, 289, 42; Petri, II, 400.
99 In dreissig Jahren kann man keine Grenze verschweigen. – Graf, 95, 185.
Behauptet, dass Grenzen, wie Staats-, Kirchen- und Gemeingut nicht verjähren können.
Mhd.: Ooch mag man keine grenczen in drizig jaren vorswigen. (Daniels, 432, 29.)
100 In dürren Jahren mehrt sich das Ungeziefer.
101 In einem guten Jahr wächst Korn für zwei schlechte.
Span.: Por mucho pan, nunca mal año. ( Cahier, 3611.)
102 In einem Jahr steinreich werden, kan nicht sein ohne böse Rencke vnd sünd. – Petri, II, 303.
103 In einem Jahre kann man mehr thun als in einem Tage.
Dän.: Det staar ikke i syv aar som i syv dage. (Prov. dan., 529.)
104 In hundert Jahren kommen die Heiden ins Land.
In Venetien: In hundert Jahren gilt der Flachs so viel wie das Werch. (Reinsberg II, 138.)
Frz.: Au bout de cent ans les rois sont vilains et les vilains sont rois. (Leroux, II, 81.)
105 In hundert Jahren thut uns kein Zahn mehr weh.
106 In'n Jâr kann vêl Water den Barg herdâl lôpen. (Holst.) – Schütze, II, 345.
Binnen Jahresfrist kann sich viel ändern.
107 Ist das Jahr auch noch so lang, der Weihnachtsabend ist immer zu kurz.
Dän.: Aaret er aldrig saa lang, juule-aften er jo trang. (Prov. dan., 3.)
108 Ist's in diesem Jahre trocken, gibt's im nächsten guten Roggen. (Brandenburg.) – Boebel, 121.
109 Jahr und Tag ist die rechte Gewähr. – Pistor., V, 99; Eisenhart, 241; Graf, 94, 176; Sailer, 254; Eiselein, 346; Simrock, 5183.
„Rechte Gewere“ ist ein gegen jede Klage gesichertes rechtliches Verhältniss zu einer Sache. Dies aus dem sächsischen Landrecht entlehnte Sprichwort handelt von der Gewährleistung verkaufter beweglicher Güter und will sagen, dass derjenige, welcher Jahr und Tag (d. h. nach dem sächsischen Recht 1 Jahr und 6 Wochen, wozu später noch 3 Tage gekommen sind) eine bewegliche Sache besessen, das Eigenthum daran erworben habe und der Verkäufer derselben, nach Abfluss dieser Zeit kein Gewähr mehr zu leisten schuldig sei, vorausgesetzt, dass jemand eine Sache auf gesetzlichem Wege besitzt. Bei unbeweglichen Gütern war ein Zeitraum von 41 Jahren 6 oder 3 Tagen erforderlich.
110 Jahr und Tag soll ewig dauern. – Graf, 94, 178; Rössler, I, 44.
Der Besitz eines Gutes, das im guten Glauben nach Jahr und Tag erlangt war, soll sicher gegen jede Klage sein und für immer unangefochten bleiben.
111 Jahre bringen Verstand, aber auch graue Haare. – Simrock, 5186; Braun, II, 532.
112 Jahre drücken krumm den Rücken.
113 Jahre führen zur Bahre.
114 Jahre lehren (wissen) mehr als Bücher. – Simrock, 5184; Körte, 3129; Braun, I, 1626.
Engl.: Years know more than books. (Bohn II, 24.)
115 Jahre nehmen hin das Haar, aber nicht die Bosheit gar. – Körte, 3131 u. 3913.
116 Je mehr Jahr, je zäher baar.
Alte Leute sind zäh im Geldgeben.
Holl.: Hoe hooger van jaren, hoe trager van baren. (Harrebomée, I, 350b.)
117 Je mehr Jahre, desto näher der Bahre.
Engl.: The more thy years the nearer thy grave. (Bohn II, 24.)
It.: Chi più in vecchia, và più presto al suo fine.
118 Jedes Jahr bringt neue Kleidung. – Sutor, 934.
119 Jedes Jahr ein ander Kleid liebt der Pole allezeit (oder: ist des Polen Herrlichkeit).
Aus der zügellosen Vorliebe der (gebildeten) Polen für alles Ausländische. Das Werthvolle der Heimat
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