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Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 2. Leipzig, 1870.

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Kerker.

1 Der Kerker quält, aber bezahlt nicht. - Eisenhart, 440; Estor, II, 380; Eiselein, 379; Hertius, I, 89; Hillebrand, 102; Graf, 480, 686; Pistor., V, 51; Simrock, 5557.

Unter die Mittel, böse Schuldner zur Zahlung zu zwingen, gehörte die Schuldhaft. Der Sinn des Sprichworts geht nun dahin, dass ein wegen Schulden Gefangensitzender keineswegs glauben solle, dadurch seine Schuld zu tilgen, das Gefängniss soll ihn blos zwingen, seine Zahlungsverbindlichkeiten zu erfüllen.

Böhm.: Zalar zla hospoda. (Celakovsky, 355.)

2 Je mehr Kerker, je weniger Recht.


Kerl.

1 A dummer Karl eis ni gescheut. (Kreis Militsch.)

Ein dummer Kerl ist nie gescheit.

2 Aus am tüchtigen Kerl koan a grauss Thier war'n. (Schles.)

Aus einem tüchtigen Kerl kann ein grosses Thier werden.

Span.: Debajo de ser hombre puedo venir a ser papa. (Don Quixote.)

3 De is ken dullen Keerl, de to veel nimt, aber de to veel givt. (Holst.)

Zur Beschönigung des Uebervortheilens im Handel.

4 De Kerl hett Glück as'n Faust dick; wat he anfat't, wart Gold. (Ostfries.) - Frommann, IV, 141, 320; Eichwald, 995; Goldschmidt, 157; Kern, 214.

Nicht blos, um grosses Glück überhaupt zu bezeichnen, sondern auch als Wortspiel, um zu sagen: Die Quelle seines Glücks ist seine kräftige und arbeitslustige Faust. (Kern, 462.)

5 De Kerl is dat Wicht werth, sä de Stefvaar, do gaf he dat Wicht 'n Gardner. - Kern, 250.

6 Dei Kä(r)ls, dei no allen Kermessen got, dei kruiget telest Prügel. (Sauerland.)

7 Die Kerle sind unverschämt, sie lassen einem nicht einmal ungestört den Mittagsschlaf halten, sagte der Junker, als seine Gläubiger bezahlt sein wollten.

Holl.: Het is toch wonder, dat men mij niet ongemoeid kan laten, zei de bankeroetier, en zijne crediteuren maanden huune schulden in. (Harrebomee, I, 111.)

8 Doavöer, dat ik sau e Kerel wör, woll ik leiwer, dat mi de Katte ut der Weige freaten hädde. (Büren.)

9 Ein alter Kerl, ein alter Schade.

10 Ein ehrlicher Kerl ist zu vielen Dingen nicht zu gebrauchen. - Mayer, I, 95.

11 Ein feiger Kerl wird ehe geschlagen, denn ein beherzter Held. - Petri, II, 183.

12 Ein junger Kerl, ein halber Edelmann.

13 Ein junger Kerl muss sein Glück suchen.

Holl.: Een jong karel moet zijne fortuin zoeken. (Harrebomee, I, 392b.)

14 Ein junger Kerl muss sieben ganzer Jahre ein Narr sein.

15 Ein junger Kerl ohne Herz, eine Jungfrau ohne Scherz, eine Witfrau ohne Geld taugen nicht in die Welt. - Baumgarten.

16 Ein Kerl aus Krempe, ein Mensch aus Wilster, ein Mann aus Itzehoe, ein Herr aus Glückstadt. - Hesekiel, 27.

Kurze Charakteristik der Einwohner einiger holsteinischer Ortschaften.

17 Ein Kerl ohne Geld ist ein Narr in der Welt. (Niederlausitz.)

Das Wort "Kerl" hat hier den Sinn von Bursch, junger Mann, Mensch u. s. w. Das Wort "Kerl" hat im Plattdeutschen nicht die unedle, herabsetzende Bedeutung, die es vorherrschend im Hochdeutschen besitzt. Im Polnischen und Russischen wird statt Mann fast immer Kerl gebraucht. Auch der Ehemann wird sehr häufig von seiner Frau so genannt: mein Kerl statt: mein Mann. Es kommt in Schlesien auf der rechten Oderseite z. B. in der Gegend von Wartenberg vor, dass Leute zur Frau des Lehrers mit der Frage kommen: Wo ist ihr Kerl? - Ueber das in seiner Geschichte wie seinem Gebrauche gleich merkwürdige, nicht aus der hochdeutschen, sondern aus der mitteloder niederdeutschen Sprache entsprungene Wort "Kerl" vgl. den ausführlichen Artikel Grimm, V, 570.

18 Ein starcken Kerl kann man so treiben, dass er vor Müdigkeit muss bleiben. - Sutor, 419.

Lat.: Per multos gressus homo fortis fit cito fessus. (Loci comm., 67; Sutor, 419.)

[Spaltenumbruch] 19 Einen Kerl für den Tag, einen Hund für die Woche, ein Mädchen (als Weib) für die Lebenszeit.

20 Em kan nit de Kerl häingder sich uofschnigden und ous der Wäld ous ze laufen. - Schuster, 746.

21 En driester (dreister) Kerl lätt en Fort ön de Kerch. (Danziger Niederung.)

22 En gescheiden (klok) Kerl mott kein Narre siyn. (Westf.)

Er muss sich nicht anführen lassen, er muss sich in verwickelten Sachen zu helfen wissen.

23 En Kerl is'n Kerl, awer en anner Kerl is ok en Kerl. - Eichwald, 987.

24 En old Kärel un 'ne junge Fraue, dat gift en'n Haupen Kinder. (Göttingen.) - Bremer Sonntagsbl., 1855, 4; Schambach, II, 130.

Holl.: Een jong meisje en een oude smul, dat geeft alla jaren eene wieg vol. (Harrebomee, II, 75b.)

25 Es geht nichts über einen gescheiten Kerl als die Haut. (Würtemberg.)

26 Es steckt noch ein Kerl in dem Kerl. - Lehmann, 748, 37.

Und taugen zuweilen beide nichts.

27 Gemeine Kerle und Pudelhunde kann man zu allen Künsten abrichten. - Welt und Zeit, V, 259, 735.

28 Ich bin ein feiner Kerl, sagt Merten, ich wichse meine Stiefeln selber. - Latendorf II, 18.

29 Ich bin ein gesunder Kerl, sagte der Invalid, wenn ich nicht krank bin.

Die Russen: Man kann allzeit gesund sein, so lange man nicht krank ist.

30 Ich bin ein guter Kerl, sagte Harpax, ich gebe einem Freunde den Dreck aus dem Leibe.

Holl.: Wat ben ik even wel een goed kalf, zei Harmen, ik zou den stront wel uit mijn lijf douwen, en geven ze aan mijne vrienden. (Harrebomee, I, 376b.)

31 Ich bin ein sauberer Kerl, sagte der Hahn, ich habe den Kamm immer bei mir.

32 Ist denn der Kerl närrisch, sagte Jerms, als er einen Floh springen sah.

Holl.: Het is, of de vent gek is, zei Tijs, en hij zag eene vloo kabriolen maken. (Harrebomee, I, 373b.)

33 Je jünger de Kerl im Amp is, desto gröder sin Schritt. (Rendsburg.)

34 Je schewer der Kerl, desto gröder de Nagel. (Rendsburg.)

Je schiefer, verwachsener, desto grösser der Nagel (Hasenfuss). Die Erfahrung lehrt, dass Personen, welche die Natur in körperlicher Hinsicht vernachlässigt hat, dies durch geckenhafte Kleidung und Haltung ersetzen wollen und sich dadurch lächerlich machen.

35 Je toller Kerl, je besser Glück. - Schottel, 1122a.

36 Jung Kärl, half Aeddelmann. (Seehausen.) - Firmenich, III, 123, 9.

Böhm.: Mlady chlap - pul zemana. (Celakovsky, 304.)

Wend.: Miody hole pol zemjana. (Celakovsky, 304.)

37 Klein Kärel, grot Harte. - Schambach, II, 271; für Ostpreussen: Frischbier2, 1962.

Kleiner Kerl, grosses Herz. Kleine Leute gelten nicht allein für jähzornig, sondern auch für beherzt.

Holl.: Klein man, groot hart. (Harrebomee, II, 61b.)

38 'N dunen Kärel schall man ok mit'n For Heu autwiken. - Stürenberg, 42a; Goldschmidt, 130; Bueren, 904; Hauskalender, I.

39 'N dunen (betrunkenen) Kerl un 'n nöchtern Kalf fallt sick nich dot. - Goldschmidt, 129.

Trost für Säufer, dass sie sich nicht leicht einen Schaden fallen.

40 'N Kierl as ik, segt Kasten, frät Hawern un schiet Gasten (Gerste). - Hoefer, 581.

41 'Ne vollgesovve Kähl un e nüeter Kalv kregge selden en Unglück. (Bedburg.)

42 Ole Kerels un junge Wiwen giwt väl Kinner un väl Kiwen. - Goldschmidt, 113; Bueren, 962; Hauskalender, III.

Witwer, die dem Kinderwiegen und Keifen nicht hold sind, heirathen daher lieber alte Jungfern als junge Witwen.

[Spaltenumbruch]
Kerker.

1 Der Kerker quält, aber bezahlt nicht.Eisenhart, 440; Estor, II, 380; Eiselein, 379; Hertius, I, 89; Hillebrand, 102; Graf, 480, 686; Pistor., V, 51; Simrock, 5557.

Unter die Mittel, böse Schuldner zur Zahlung zu zwingen, gehörte die Schuldhaft. Der Sinn des Sprichworts geht nun dahin, dass ein wegen Schulden Gefangensitzender keineswegs glauben solle, dadurch seine Schuld zu tilgen, das Gefängniss soll ihn blos zwingen, seine Zahlungsverbindlichkeiten zu erfüllen.

Böhm.: Žalář zla hospoda. (Čelakovsky, 355.)

2 Je mehr Kerker, je weniger Recht.


Kerl.

1 A dummer Karl eis ni gescheut. (Kreis Militsch.)

Ein dummer Kerl ist nie gescheit.

2 Aus am tüchtigen Kerl koan a grûss Thier war'n. (Schles.)

Aus einem tüchtigen Kerl kann ein grosses Thier werden.

Span.: Debajo de ser hombre puedo venir á ser papa. (Don Quixote.)

3 De is kên dullen Keerl, de to veel nimt, aber de to veel givt. (Holst.)

Zur Beschönigung des Uebervortheilens im Handel.

4 De Kêrl hett Glück as'n Fûst dick; wat he anfât't, wart Gold. (Ostfries.) – Frommann, IV, 141, 320; Eichwald, 995; Goldschmidt, 157; Kern, 214.

Nicht blos, um grosses Glück überhaupt zu bezeichnen, sondern auch als Wortspiel, um zu sagen: Die Quelle seines Glücks ist seine kräftige und arbeitslustige Faust. (Kern, 462.)

5 De Kêrl is dat Wicht werth, sä de Stêfvaar, do gaf he dat Wicht 'n Gardner.Kern, 250.

6 Dei Kä(r)ls, dei no allen Kermessen got, dei kruiget telest Prügel. (Sauerland.)

7 Die Kerle sind unverschämt, sie lassen einem nicht einmal ungestört den Mittagsschlaf halten, sagte der Junker, als seine Gläubiger bezahlt sein wollten.

Holl.: Het is toch wonder, dat men mij niet ongemoeid kan laten, zei de bankeroetier, en zijne crediteuren maanden huune schulden in. (Harrebomée, I, 111.)

8 Doavöer, dat ik sau e Kerel wör, woll ik léiwer, dat mi de Katte ut der Wéige freaten hädde. (Büren.)

9 Ein alter Kerl, ein alter Schade.

10 Ein ehrlicher Kerl ist zu vielen Dingen nicht zu gebrauchen.Mayer, I, 95.

11 Ein feiger Kerl wird ehe geschlagen, denn ein beherzter Held.Petri, II, 183.

12 Ein junger Kerl, ein halber Edelmann.

13 Ein junger Kerl muss sein Glück suchen.

Holl.: Een jong karel moet zijne fortuin zoeken. (Harrebomée, I, 392b.)

14 Ein junger Kerl muss sieben ganzer Jahre ein Narr sein.

15 Ein junger Kerl ohne Herz, eine Jungfrau ohne Scherz, eine Witfrau ohne Geld taugen nicht in die Welt.Baumgarten.

16 Ein Kerl aus Krempe, ein Mensch aus Wilster, ein Mann aus Itzehoe, ein Herr aus Glückstadt.Hesekiel, 27.

Kurze Charakteristik der Einwohner einiger holsteinischer Ortschaften.

17 Ein Kerl ohne Geld ist ein Narr in der Welt. (Niederlausitz.)

Das Wort „Kerl“ hat hier den Sinn von Bursch, junger Mann, Mensch u. s. w. Das Wort „Kerl“ hat im Plattdeutschen nicht die unedle, herabsetzende Bedeutung, die es vorherrschend im Hochdeutschen besitzt. Im Polnischen und Russischen wird statt Mann fast immer Kerl gebraucht. Auch der Ehemann wird sehr häufig von seiner Frau so genannt: mein Kerl statt: mein Mann. Es kommt in Schlesien auf der rechten Oderseite z. B. in der Gegend von Wartenberg vor, dass Leute zur Frau des Lehrers mit der Frage kommen: Wo ist ihr Kerl? – Ueber das in seiner Geschichte wie seinem Gebrauche gleich merkwürdige, nicht aus der hochdeutschen, sondern aus der mitteloder niederdeutschen Sprache entsprungene Wort „Kerl“ vgl. den ausführlichen Artikel Grimm, V, 570.

18 Ein starcken Kerl kann man so treiben, dass er vor Müdigkeit muss bleiben.Sutor, 419.

Lat.: Per multos gressus homo fortis fit cito fessus. (Loci comm., 67; Sutor, 419.)

[Spaltenumbruch] 19 Einen Kerl für den Tag, einen Hund für die Woche, ein Mädchen (als Weib) für die Lebenszeit.

20 Em kân nit de Kerl häingder sich uofschnigden und ous der Wäld ous ze lûfen.Schuster, 746.

21 En driester (dreister) Kerl lätt en Fort ön de Kerch. (Danziger Niederung.)

22 En gescheiden (klok) Kêrl mott kein Narre siyn. (Westf.)

Er muss sich nicht anführen lassen, er muss sich in verwickelten Sachen zu helfen wissen.

23 En Kerl is'n Kerl, awer en anner Kerl is ok en Kerl.Eichwald, 987.

24 En old Kärel un 'ne junge Frûe, dat gift en'n Hûpen Kinder. (Göttingen.) – Bremer Sonntagsbl., 1855, 4; Schambach, II, 130.

Holl.: Een jong meisje en een oude smul, dat geeft alla jaren eene wieg vol. (Harrebomée, II, 75b.)

25 Es geht nichts über einen gescheiten Kerl als die Haut. (Würtemberg.)

26 Es steckt noch ein Kerl in dem Kerl.Lehmann, 748, 37.

Und taugen zuweilen beide nichts.

27 Gemeine Kerle und Pudelhunde kann man zu allen Künsten abrichten.Welt und Zeit, V, 259, 735.

28 Ich bin ein feiner Kerl, sagt Merten, ich wichse meine Stiefeln selber.Latendorf II, 18.

29 Ich bin ein gesunder Kerl, sagte der Invalid, wenn ich nicht krank bin.

Die Russen: Man kann allzeit gesund sein, so lange man nicht krank ist.

30 Ich bin ein guter Kerl, sagte Harpax, ich gebe einem Freunde den Dreck aus dem Leibe.

Holl.: Wat ben ik even wel een goed kalf, zei Harmen, ik zou den stront wel uit mijn lijf douwen, en geven ze aan mijne vrienden. (Harrebomée, I, 376b.)

31 Ich bin ein sauberer Kerl, sagte der Hahn, ich habe den Kamm immer bei mir.

32 Ist denn der Kerl närrisch, sagte Jerms, als er einen Floh springen sah.

Holl.: Het is, of de vent gek is, zei Tijs, en hij zag eene vloo kabriolen maken. (Harrebomée, I, 373b.)

33 Je jünger de Kerl im Amp is, desto gröder sin Schritt. (Rendsburg.)

34 Je schêwer der Kerl, desto gröder de Nagel. (Rendsburg.)

Je schiefer, verwachsener, desto grösser der Nagel (Hasenfuss). Die Erfahrung lehrt, dass Personen, welche die Natur in körperlicher Hinsicht vernachlässigt hat, dies durch geckenhafte Kleidung und Haltung ersetzen wollen und sich dadurch lächerlich machen.

35 Je toller Kerl, je besser Glück.Schottel, 1122a.

36 Jung Kärl, half Aeddelmann. (Seehausen.) – Firmenich, III, 123, 9.

Böhm.: Mladý chlap – půl zemana. (Čelakovsky, 304.)

Wend.: Miody hole pol zemjana. (Čelakovsky, 304.)

37 Klein Kärel, grôt Harte.Schambach, II, 271; für Ostpreussen: Frischbier2, 1962.

Kleiner Kerl, grosses Herz. Kleine Leute gelten nicht allein für jähzornig, sondern auch für beherzt.

Holl.: Klein man, groot hart. (Harrebomée, II, 61b.)

38 'N dunen Kärel schall man ôk mit'n Fôr Heu ûtwiken.Stürenberg, 42a; Goldschmidt, 130; Bueren, 904; Hauskalender, I.

39 'N dunen (betrunkenen) Kêrl un 'n nöchtern Kalf fallt sick nich dot.Goldschmidt, 129.

Trost für Säufer, dass sie sich nicht leicht einen Schaden fallen.

40 'N Kierl as ik, segt Kasten, frät Hawern un schiet Gasten (Gerste).Hoefer, 581.

41 'Ne vollgesovve Kähl un e nüeter Kalv kregge selden en Unglück. (Bedburg.)

42 Ole Kerels un junge Wiwen giwt väl Kinner un väl Kiwen.Goldschmidt, 113; Bueren, 962; Hauskalender, III.

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[[623]/0629] Kerker. 1 Der Kerker quält, aber bezahlt nicht. – Eisenhart, 440; Estor, II, 380; Eiselein, 379; Hertius, I, 89; Hillebrand, 102; Graf, 480, 686; Pistor., V, 51; Simrock, 5557. Unter die Mittel, böse Schuldner zur Zahlung zu zwingen, gehörte die Schuldhaft. Der Sinn des Sprichworts geht nun dahin, dass ein wegen Schulden Gefangensitzender keineswegs glauben solle, dadurch seine Schuld zu tilgen, das Gefängniss soll ihn blos zwingen, seine Zahlungsverbindlichkeiten zu erfüllen. Böhm.: Žalář zla hospoda. (Čelakovsky, 355.) 2 Je mehr Kerker, je weniger Recht. Kerl. 1 A dummer Karl eis ni gescheut. (Kreis Militsch.) Ein dummer Kerl ist nie gescheit. 2 Aus am tüchtigen Kerl koan a grûss Thier war'n. (Schles.) Aus einem tüchtigen Kerl kann ein grosses Thier werden. Span.: Debajo de ser hombre puedo venir á ser papa. (Don Quixote.) 3 De is kên dullen Keerl, de to veel nimt, aber de to veel givt. (Holst.) Zur Beschönigung des Uebervortheilens im Handel. 4 De Kêrl hett Glück as'n Fûst dick; wat he anfât't, wart Gold. (Ostfries.) – Frommann, IV, 141, 320; Eichwald, 995; Goldschmidt, 157; Kern, 214. Nicht blos, um grosses Glück überhaupt zu bezeichnen, sondern auch als Wortspiel, um zu sagen: Die Quelle seines Glücks ist seine kräftige und arbeitslustige Faust. (Kern, 462.) 5 De Kêrl is dat Wicht werth, sä de Stêfvaar, do gaf he dat Wicht 'n Gardner. – Kern, 250. 6 Dei Kä(r)ls, dei no allen Kermessen got, dei kruiget telest Prügel. (Sauerland.) 7 Die Kerle sind unverschämt, sie lassen einem nicht einmal ungestört den Mittagsschlaf halten, sagte der Junker, als seine Gläubiger bezahlt sein wollten. Holl.: Het is toch wonder, dat men mij niet ongemoeid kan laten, zei de bankeroetier, en zijne crediteuren maanden huune schulden in. (Harrebomée, I, 111.) 8 Doavöer, dat ik sau e Kerel wör, woll ik léiwer, dat mi de Katte ut der Wéige freaten hädde. (Büren.) 9 Ein alter Kerl, ein alter Schade. 10 Ein ehrlicher Kerl ist zu vielen Dingen nicht zu gebrauchen. – Mayer, I, 95. 11 Ein feiger Kerl wird ehe geschlagen, denn ein beherzter Held. – Petri, II, 183. 12 Ein junger Kerl, ein halber Edelmann. 13 Ein junger Kerl muss sein Glück suchen. Holl.: Een jong karel moet zijne fortuin zoeken. (Harrebomée, I, 392b.) 14 Ein junger Kerl muss sieben ganzer Jahre ein Narr sein. 15 Ein junger Kerl ohne Herz, eine Jungfrau ohne Scherz, eine Witfrau ohne Geld taugen nicht in die Welt. – Baumgarten. 16 Ein Kerl aus Krempe, ein Mensch aus Wilster, ein Mann aus Itzehoe, ein Herr aus Glückstadt. – Hesekiel, 27. Kurze Charakteristik der Einwohner einiger holsteinischer Ortschaften. 17 Ein Kerl ohne Geld ist ein Narr in der Welt. (Niederlausitz.) Das Wort „Kerl“ hat hier den Sinn von Bursch, junger Mann, Mensch u. s. w. Das Wort „Kerl“ hat im Plattdeutschen nicht die unedle, herabsetzende Bedeutung, die es vorherrschend im Hochdeutschen besitzt. Im Polnischen und Russischen wird statt Mann fast immer Kerl gebraucht. Auch der Ehemann wird sehr häufig von seiner Frau so genannt: mein Kerl statt: mein Mann. Es kommt in Schlesien auf der rechten Oderseite z. B. in der Gegend von Wartenberg vor, dass Leute zur Frau des Lehrers mit der Frage kommen: Wo ist ihr Kerl? – Ueber das in seiner Geschichte wie seinem Gebrauche gleich merkwürdige, nicht aus der hochdeutschen, sondern aus der mitteloder niederdeutschen Sprache entsprungene Wort „Kerl“ vgl. den ausführlichen Artikel Grimm, V, 570. 18 Ein starcken Kerl kann man so treiben, dass er vor Müdigkeit muss bleiben. – Sutor, 419. Lat.: Per multos gressus homo fortis fit cito fessus. (Loci comm., 67; Sutor, 419.) 19 Einen Kerl für den Tag, einen Hund für die Woche, ein Mädchen (als Weib) für die Lebenszeit. 20 Em kân nit de Kerl häingder sich uofschnigden und ous der Wäld ous ze lûfen. – Schuster, 746. 21 En driester (dreister) Kerl lätt en Fort ön de Kerch. (Danziger Niederung.) 22 En gescheiden (klok) Kêrl mott kein Narre siyn. (Westf.) Er muss sich nicht anführen lassen, er muss sich in verwickelten Sachen zu helfen wissen. 23 En Kerl is'n Kerl, awer en anner Kerl is ok en Kerl. – Eichwald, 987. 24 En old Kärel un 'ne junge Frûe, dat gift en'n Hûpen Kinder. (Göttingen.) – Bremer Sonntagsbl., 1855, 4; Schambach, II, 130. Holl.: Een jong meisje en een oude smul, dat geeft alla jaren eene wieg vol. (Harrebomée, II, 75b.) 25 Es geht nichts über einen gescheiten Kerl als die Haut. (Würtemberg.) 26 Es steckt noch ein Kerl in dem Kerl. – Lehmann, 748, 37. Und taugen zuweilen beide nichts. 27 Gemeine Kerle und Pudelhunde kann man zu allen Künsten abrichten. – Welt und Zeit, V, 259, 735. 28 Ich bin ein feiner Kerl, sagt Merten, ich wichse meine Stiefeln selber. – Latendorf II, 18. 29 Ich bin ein gesunder Kerl, sagte der Invalid, wenn ich nicht krank bin. Die Russen: Man kann allzeit gesund sein, so lange man nicht krank ist. 30 Ich bin ein guter Kerl, sagte Harpax, ich gebe einem Freunde den Dreck aus dem Leibe. Holl.: Wat ben ik even wel een goed kalf, zei Harmen, ik zou den stront wel uit mijn lijf douwen, en geven ze aan mijne vrienden. (Harrebomée, I, 376b.) 31 Ich bin ein sauberer Kerl, sagte der Hahn, ich habe den Kamm immer bei mir. 32 Ist denn der Kerl närrisch, sagte Jerms, als er einen Floh springen sah. Holl.: Het is, of de vent gek is, zei Tijs, en hij zag eene vloo kabriolen maken. (Harrebomée, I, 373b.) 33 Je jünger de Kerl im Amp is, desto gröder sin Schritt. (Rendsburg.) 34 Je schêwer der Kerl, desto gröder de Nagel. (Rendsburg.) Je schiefer, verwachsener, desto grösser der Nagel (Hasenfuss). Die Erfahrung lehrt, dass Personen, welche die Natur in körperlicher Hinsicht vernachlässigt hat, dies durch geckenhafte Kleidung und Haltung ersetzen wollen und sich dadurch lächerlich machen. 35 Je toller Kerl, je besser Glück. – Schottel, 1122a. 36 Jung Kärl, half Aeddelmann. (Seehausen.) – Firmenich, III, 123, 9. Böhm.: Mladý chlap – půl zemana. (Čelakovsky, 304.) Wend.: Miody hole pol zemjana. (Čelakovsky, 304.) 37 Klein Kärel, grôt Harte. – Schambach, II, 271; für Ostpreussen: Frischbier2, 1962. Kleiner Kerl, grosses Herz. Kleine Leute gelten nicht allein für jähzornig, sondern auch für beherzt. Holl.: Klein man, groot hart. (Harrebomée, II, 61b.) 38 'N dunen Kärel schall man ôk mit'n Fôr Heu ûtwiken. – Stürenberg, 42a; Goldschmidt, 130; Bueren, 904; Hauskalender, I. 39 'N dunen (betrunkenen) Kêrl un 'n nöchtern Kalf fallt sick nich dot. – Goldschmidt, 129. Trost für Säufer, dass sie sich nicht leicht einen Schaden fallen. 40 'N Kierl as ik, segt Kasten, frät Hawern un schiet Gasten (Gerste). – Hoefer, 581. 41 'Ne vollgesovve Kähl un e nüeter Kalv kregge selden en Unglück. (Bedburg.) 42 Ole Kerels un junge Wiwen giwt väl Kinner un väl Kiwen. – Goldschmidt, 113; Bueren, 962; Hauskalender, III. Witwer, die dem Kinderwiegen und Keifen nicht hold sind, heirathen daher lieber alte Jungfern als junge Witwen.

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Zitationshilfe: Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 2. Leipzig, 1870, S. [623]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon02_1870/629>, abgerufen am 24.11.2024.