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Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 4. Leipzig, 1876.

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[Spaltenumbruch] 9 Viele gehen zu'n Türken, die könnten daheim wirken. - Gubitz, Gesellschafter (Berlin 1829), S. 803.

Diesen Spruch hörte man oft im 15. Jahrhundert wiederholen. Es war unter den Edelleuten Mode geworden, nach Asien zu reisen, weil die Neigung zur Romantik dort am meisten Genüge zu finden hoffte.

10 Vor einem alten Türken und einem jungen Serben soll man sich hüten.

Besonders im Kampfe, da sie als sehr tapfer geschildert werden.

Böhm.: Hled' se stareho Turka a mladeho Srbe. (Celakovsky, 469.)

11 Wenn der Türke kommt, ist das Brot billig.

Ein walachisches Sprichwort, das im Jahre 1854 häufig in Bukarest gehört wurde, nachdem die Russen es verlassen, und die Türken, die alles baar bezahlten, das Land besetzt hatten.

12 Wenn der Türke zu Pferde steigt, dünkt er sich ein grosser Herr. - Schlechta, 178.

13 Wenn ein Türck oder Heyde sich so hoch erböhte, so möchte man seiner Bitte nicht widerstreben. - Friedborn, II, 15.

14 Wer einen Türken will la'n sinken, der lehr' ihn Branntwein trinken.

Die Serben sagen: Willst du dich rächen an dem Türken, so bitte Gott, er möge Branntwein trinken; willst du dich rächen an dem Serben, so bitte Gott, er möge ihn schicken unter die Heiducken. (Celakovsky, 469.)

15 Wo der Türke den Fuss hinsetzt, wächst kein Gras. - Schles. Zeitung, 1872, Nr. 140.

In den Sprichwörtern der Slawen isst der Türke selbst grünes Gras; sie sagen: Der Slawe (Czeche) ist ein Ochs, der Deutsche eine Säule, der Türke das grüne Gras, der Franzose eine rothe Rose, und fahren fort: Es kam der Ochs, warf die Säule um, frass das grüne Gras auf und beschiss die rothe Rose: Slovan vul Nenec kul, Turek trava zelena travu zelenou, posruzi cervenou. (Celakovsky, 439.)

Engl.: Where the Turk's horse once treads the grass never grows. (Bohn II, 138.)

16 Wohin ein Türke seinen Fuss setzt, da wird das Erdreich auf hundert Jahre unfruchtbar.

Wohl alle Länder, die unter türkischer Herrschaft stehen, liefern den Beweis dafür. Man darf nur ihren frühern vortürkischen Culturzustand mit dem jetzigen vergleichen. Roscher (Die Grundlagen der Nationalökonomie, 2. Ausg., S. 64, § 39, Anm. 8) führt ein ähnliches Sprichwort an: "Da wächst kein Gras wieder, wo ein Osmane seinen Fuss hingesetzt hat." Wahrscheinlich steht aber Osmane nur für Türke, da beide sehr häufig verwechselt werden. Auch die Araber sagen: In den Fussstapfen eines Türken wächst kein Gras. Angeblich der ursprüngliche Ausspruch eines Derwisch. Vgl. den Bericht über G. Rasch's Werk, Die Türken in Europa in Ueber Land und Meer. "Nichts kann", sagt Sam. White Baker (Erforschung der Nilquellen, übersetzt von Martin, I, 22), "den Charakter des Volks passender ausdrücken als dieser einfache Spruch. Schlechte Regierung, Monopol, Erpressung und Druck sind die sichern Begleiter der türkischen Verwaltung."

*17 Das hält kein Türke aus.

Holl.: Het is voor geen' Turk om uit te staaen. (Harrebomee, II, 349a.)

*18 Das soll der Türke nicht bekommen. - Eiselein, 606.

Lat.: Medus non observabit. (Eiselein, 606.)

*19 Das sollte man keinem Türken thun.

Holl.: Men zou dat geen' Turk doen. (Harrebomee, II, 549a.)

*20 Das versuche an einem Türken, an dem nichts zu verderbee ist.

*21 Der hat den Türken gesehen. - Klix, 108.

*22 Der ist noch über einen Türken.

D. h. er ist nach Anschauung der Serben noch schlimmer.

*23 Der Türke hält den Glauben auf den Knien.

D. h. sobald er sich aufrichtet, fällt er nach der Ansicht der Serben herunter; man kann sich nicht auf ihn verlassen. (Vgl. Celakovsky, 475.)

*24 Der Türke kommt uns noch auf den Mist. - Eiselein, 468.

*25 Ein Türck möcht sich sein (auch) erbarmen. (S. Stein 228.) - Franck, I, 55a; Tappius, 51a; Henisch, 903, 76.

*26 Er liegt wie der Türke vor Neuhäusel. - Wurzbach II, 358.

Er geht einem nicht vom Halse, er behelligt in äusserst lästiger Weise. Von der Anstrengung entlehnt, welche die Türken vor der im Jahre 1592 erbauten Festung Neuhäusel machten, die sie zehnmal vergeblich belagerten.

[Spaltenumbruch] *27 Er mag das an einem Türken versuchen. - Fischart.

Diese Redensart zeigt, dass die Christen seinerzeit dieselbe Rechtsanschauung hatten, wie sie sich bei den Türken fand oder findet, wenn sie sagen: Gott hat den Türken den Rajah verliehen, damit er ihnen diene und jede Klage des Franken mit dem Sprichwort zurückweise: Hier schlägt keine Glocke, sondern türkisch ist das Land, woraus man ersieht, dass der Beschwerdeweg in der Türkei ungefähr so viel nützt, wie in Deutschland. Rajah heisst in der Türkei jeder christliche Unterthan der Pforte, jeder Abendländer wird Frank und jeder Christ "Gjaur" genannt. (Reinsberg VI, 91.)

Lat.: In care periculum. (Eiselein, 606.)

*28 Es ist ein rechter Türke.

D. h. ein ungebildeter, roher, grausamer Mensch. Doch gelten die übergetretenen für noch schlimmer als die geborenen Türken, wie das bei allen Völkern gefunden wird. Das Uebertreten von einem Glauben oder einem Volksthum (Nationalität) zu einem andern wird für eine schändliche und dem Teufel gefällige Sache gehalten. So sagen die Polen: Wenn der Pole welsch (italienisch), der Masur ein Höfling und der Russe ein Pole wird, so weicht er dem Teufel nicht. Aehnlich sagen die Serben: Es gäbe keinen schlimmen Türken, ohne den Vertürkten, d. h. zum Türken Gewordenen; ein solcher ist, wie die Illyrer behaupten, schlimmer als hundert Türken.

Holl.: Het is een regte (booze, zo rede) Turk. (Harrebomee, II, 149a.)

Ill.: Jedan poturica gorji od stotine Turakah. (Celakovsky, 475.)

*29 Hä ment, ä hät der Türk geschlagen. (Bedburg.)

*30 Haben Sie keinen Türken gesehen? (Dresden.)

Auf einem dresdener Maskenballe erschien auch ein Türke in Begleitung eines Sklaven, den er an der Kette führte. Dieser, dem Arbeiterstande angehörig, war zu seiner Rolle besonders gemiethet worden und hatte sich zuvor ein abführendes Getränk, ohne dessen Zweck zu kennen, wohlschmecken lassen. Auf dem Balle band ihn der Türke unter dem Versprechen, bald wieder zu kommen, an einen Pfeiler. Als das Getränk zu wirken begann, rief er jede vorbeigehende Maske mit den Worten an: "Haben Sie kein Türk gesehen?" Diese Redensart ist nun für gefährliche und komische Situationen sprichwörtlich geworden. Nach einer andern Mittheilung sollen die beiden Personen Gläubiger und Schuldner gewesen sein.

*31 Hast kan Türken gesehen? (Wien.)

So fragen die Wiener, wenn ihnen jemand einen Bären aufbinden will. Die Entstehung dieser Redensart wird dort so erzählt: In Schwender's Colosseum, einem allbekannten Belustigungsorte der Wiener, ward vor Jahren ein grosser Maskenball abgehalten, auf dem auch ein Türke in Gold und Silber durchwirkten Kleidern erschien, der sammt seinen Frauen, die ihn begleiteten, allgemeines Aufsehen erregte. An einer grossen Tafel nahm die orientalische Familie Platz. Der Wein floss in Strömen; der Tisch bog sich unter der Schwere der vielen auserlesenen Gerichte, die darauf gestellt waren. Der Türke war ausserordentlich gastfreundlich und freigebig. Wer mit lüsternen Augen auf die Tafel schaute, der wurde eingeladen, sich hinzuzusetzen und mitzutrinken. Der Kreis der Neugierigen und Schmarotzer wurde immer grösser. Man stand zur Abwechslung auf, machte einen Rundgang durch die riesigen Tanzlocale; man kam wieder zur Tafel, trank dem Türken zu und war lustig und guter Dinge, als hinge der Himmel voller Geigen. Den Türken gemahnte aber ein menschliches Bedürfniss, sich zu entfernen. Er legte seinen reichgeschmückten Turban ab, liess seinen silberbeschlagenen Stock auf dem Tische zurück und entfernte sich, wie er angab, auf einige Minuten, soll aber noch wiederkommen. Als das lange Ausbleiben des Türken auffiel, begann man, ihn in den weiten Räumlichkeiten zu suchen, und einer fragte den andern, ob er keinen Türken gesehen habe. Aber er blieb verschwunden; er hatte seinen Begleitern blos das Vergnügen hinterlassen die Rechnung zu bezahlen. Hügel (168b) bemerkt zur Erklärung der obigen dresdener sich nähernd: "Die Redensart stammt aus der Maskenredoute, wo ein Spassvogel als Türke gekleidet mehrere Jungen als Sklaven mit sich schleppte, sie an eine Säule kettete, ihnen Bonbons mit Abführmitteln gab und sich entfernte. Die drängenden Schmerzen veranlassten die Armen, jeden Vorbeigehenden zu fragen, ob er keinen Türken gesehen habe."

*32 Hier Türken und dort Wölfe.

Die Serben, um auszudrücken, dass es überall schlimm ist und man oft aus dem Rauch ins Feuer kommt. Bei den Serben sind Wölfe und Türken nebengeordnet. (Celakovsky, 475.)

*33 Mit einem Türken Process führen.

Das heisst bei den Christen, die in der Türkei leben, etwas völlig Nutz- und Zweckloses thun, weil ein Christ nicht Richter sein kann und bei einem türkischen Richter für einen Christen kein Recht zu erlangen ist.

Böhm.: Sud' se s Turkem an Turek ti soudce. (Celakovsky, 475.)


[Spaltenumbruch] 9 Viele gehen zu'n Türken, die könnten daheim wirken.Gubitz, Gesellschafter (Berlin 1829), S. 803.

Diesen Spruch hörte man oft im 15. Jahrhundert wiederholen. Es war unter den Edelleuten Mode geworden, nach Asien zu reisen, weil die Neigung zur Romantik dort am meisten Genüge zu finden hoffte.

10 Vor einem alten Türken und einem jungen Serben soll man sich hüten.

Besonders im Kampfe, da sie als sehr tapfer geschildert werden.

Böhm.: Hled' se starého Turka a mladého Srbe. (Čelakovsky, 469.)

11 Wenn der Türke kommt, ist das Brot billig.

Ein walachisches Sprichwort, das im Jahre 1854 häufig in Bukarest gehört wurde, nachdem die Russen es verlassen, und die Türken, die alles baar bezahlten, das Land besetzt hatten.

12 Wenn der Türke zu Pferde steigt, dünkt er sich ein grosser Herr.Schlechta, 178.

13 Wenn ein Türck oder Heyde sich so hoch erböhte, so möchte man seiner Bitte nicht widerstreben.Friedborn, II, 15.

14 Wer einen Türken will la'n sinken, der lehr' ihn Branntwein trinken.

Die Serben sagen: Willst du dich rächen an dem Türken, so bitte Gott, er möge Branntwein trinken; willst du dich rächen an dem Serben, so bitte Gott, er möge ihn schicken unter die Heiducken. (Čelakovsky, 469.)

15 Wo der Türke den Fuss hinsetzt, wächst kein Gras.Schles. Zeitung, 1872, Nr. 140.

In den Sprichwörtern der Slawen isst der Türke selbst grünes Gras; sie sagen: Der Slawe (Czeche) ist ein Ochs, der Deutsche eine Säule, der Türke das grüne Gras, der Franzose eine rothe Rose, und fahren fort: Es kam der Ochs, warf die Säule um, frass das grüne Gras auf und beschiss die rothe Rose: Slovan vůl Nĕnec kůl, Turek tráva zelena trávu zelenou, posrůži červenou. (Čelakovsky, 439.)

Engl.: Where the Turk's horse once treads the grass never grows. (Bohn II, 138.)

16 Wohin ein Türke seinen Fuss setzt, da wird das Erdreich auf hundert Jahre unfruchtbar.

Wohl alle Länder, die unter türkischer Herrschaft stehen, liefern den Beweis dafür. Man darf nur ihren frühern vortürkischen Culturzustand mit dem jetzigen vergleichen. Roscher (Die Grundlagen der Nationalökonomie, 2. Ausg., S. 64, § 39, Anm. 8) führt ein ähnliches Sprichwort an: „Da wächst kein Gras wieder, wo ein Osmane seinen Fuss hingesetzt hat.“ Wahrscheinlich steht aber Osmane nur für Türke, da beide sehr häufig verwechselt werden. Auch die Araber sagen: In den Fussstapfen eines Türken wächst kein Gras. Angeblich der ursprüngliche Ausspruch eines Derwisch. Vgl. den Bericht über G. Rasch's Werk, Die Türken in Europa in Ueber Land und Meer. „Nichts kann“, sagt Sam. White Baker (Erforschung der Nilquellen, übersetzt von Martin, I, 22), „den Charakter des Volks passender ausdrücken als dieser einfache Spruch. Schlechte Regierung, Monopol, Erpressung und Druck sind die sichern Begleiter der türkischen Verwaltung.“

*17 Das hält kein Türke aus.

Holl.: Het is voor geen' Turk om uit te staaen. (Harrebomée, II, 349a.)

*18 Das soll der Türke nicht bekommen.Eiselein, 606.

Lat.: Medus non observabit. (Eiselein, 606.)

*19 Das sollte man keinem Türken thun.

Holl.: Men zou dat geen' Turk doen. (Harrebomée, II, 549a.)

*20 Das versuche an einem Türken, an dem nichts zu verderbee ist.

*21 Der hat den Türken gesehen.Klix, 108.

*22 Der ist noch über einen Türken.

D. h. er ist nach Anschauung der Serben noch schlimmer.

*23 Der Türke hält den Glauben auf den Knien.

D. h. sobald er sich aufrichtet, fällt er nach der Ansicht der Serben herunter; man kann sich nicht auf ihn verlassen. (Vgl. Čelakovsky, 475.)

*24 Der Türke kommt uns noch auf den Mist.Eiselein, 468.

*25 Ein Türck möcht sich sein (auch) erbarmen. (S. Stein 228.) – Franck, I, 55a; Tappius, 51a; Henisch, 903, 76.

*26 Er liegt wie der Türke vor Neuhäusel.Wurzbach II, 358.

Er geht einem nicht vom Halse, er behelligt in äusserst lästiger Weise. Von der Anstrengung entlehnt, welche die Türken vor der im Jahre 1592 erbauten Festung Neuhäusel machten, die sie zehnmal vergeblich belagerten.

[Spaltenumbruch] *27 Er mag das an einem Türken versuchen.Fischart.

Diese Redensart zeigt, dass die Christen seinerzeit dieselbe Rechtsanschauung hatten, wie sie sich bei den Türken fand oder findet, wenn sie sagen: Gott hat den Türken den Rajah verliehen, damit er ihnen diene und jede Klage des Franken mit dem Sprichwort zurückweise: Hier schlägt keine Glocke, sondern türkisch ist das Land, woraus man ersieht, dass der Beschwerdeweg in der Türkei ungefähr so viel nützt, wie in Deutschland. Rajah heisst in der Türkei jeder christliche Unterthan der Pforte, jeder Abendländer wird Frank und jeder Christ „Gjaur“ genannt. (Reinsberg VI, 91.)

Lat.: In care periculum. (Eiselein, 606.)

*28 Es ist ein rechter Türke.

D. h. ein ungebildeter, roher, grausamer Mensch. Doch gelten die übergetretenen für noch schlimmer als die geborenen Türken, wie das bei allen Völkern gefunden wird. Das Uebertreten von einem Glauben oder einem Volksthum (Nationalität) zu einem andern wird für eine schändliche und dem Teufel gefällige Sache gehalten. So sagen die Polen: Wenn der Pole welsch (italienisch), der Masur ein Höfling und der Russe ein Pole wird, so weicht er dem Teufel nicht. Aehnlich sagen die Serben: Es gäbe keinen schlimmen Türken, ohne den Vertürkten, d. h. zum Türken Gewordenen; ein solcher ist, wie die Illyrer behaupten, schlimmer als hundert Türken.

Holl.: Het is een regte (booze, zo rede) Turk. (Harrebomée, II, 149a.)

Ill.: Jedan poturica gorji od stotine Turakah. (Čelakovsky, 475.)

*29 Hä mênt, ä hät der Türk geschlagen. (Bedburg.)

*30 Haben Sie keinen Türken gesehen? (Dresden.)

Auf einem dresdener Maskenballe erschien auch ein Türke in Begleitung eines Sklaven, den er an der Kette führte. Dieser, dem Arbeiterstande angehörig, war zu seiner Rolle besonders gemiethet worden und hatte sich zuvor ein abführendes Getränk, ohne dessen Zweck zu kennen, wohlschmecken lassen. Auf dem Balle band ihn der Türke unter dem Versprechen, bald wieder zu kommen, an einen Pfeiler. Als das Getränk zu wirken begann, rief er jede vorbeigehende Maske mit den Worten an: „Haben Sie kein Türk gesehen?“ Diese Redensart ist nun für gefährliche und komische Situationen sprichwörtlich geworden. Nach einer andern Mittheilung sollen die beiden Personen Gläubiger und Schuldner gewesen sein.

*31 Hast kan Türken gesehen? (Wien.)

So fragen die Wiener, wenn ihnen jemand einen Bären aufbinden will. Die Entstehung dieser Redensart wird dort so erzählt: In Schwender's Colosseum, einem allbekannten Belustigungsorte der Wiener, ward vor Jahren ein grosser Maskenball abgehalten, auf dem auch ein Türke in Gold und Silber durchwirkten Kleidern erschien, der sammt seinen Frauen, die ihn begleiteten, allgemeines Aufsehen erregte. An einer grossen Tafel nahm die orientalische Familie Platz. Der Wein floss in Strömen; der Tisch bog sich unter der Schwere der vielen auserlesenen Gerichte, die darauf gestellt waren. Der Türke war ausserordentlich gastfreundlich und freigebig. Wer mit lüsternen Augen auf die Tafel schaute, der wurde eingeladen, sich hinzuzusetzen und mitzutrinken. Der Kreis der Neugierigen und Schmarotzer wurde immer grösser. Man stand zur Abwechslung auf, machte einen Rundgang durch die riesigen Tanzlocale; man kam wieder zur Tafel, trank dem Türken zu und war lustig und guter Dinge, als hinge der Himmel voller Geigen. Den Türken gemahnte aber ein menschliches Bedürfniss, sich zu entfernen. Er legte seinen reichgeschmückten Turban ab, liess seinen silberbeschlagenen Stock auf dem Tische zurück und entfernte sich, wie er angab, auf einige Minuten, soll aber noch wiederkommen. Als das lange Ausbleiben des Türken auffiel, begann man, ihn in den weiten Räumlichkeiten zu suchen, und einer fragte den andern, ob er keinen Türken gesehen habe. Aber er blieb verschwunden; er hatte seinen Begleitern blos das Vergnügen hinterlassen die Rechnung zu bezahlen. Hügel (168b) bemerkt zur Erklärung der obigen dresdener sich nähernd: „Die Redensart stammt aus der Maskenredoute, wo ein Spassvogel als Türke gekleidet mehrere Jungen als Sklaven mit sich schleppte, sie an eine Säule kettete, ihnen Bonbons mit Abführmitteln gab und sich entfernte. Die drängenden Schmerzen veranlassten die Armen, jeden Vorbeigehenden zu fragen, ob er keinen Türken gesehen habe.“

*32 Hier Türken und dort Wölfe.

Die Serben, um auszudrücken, dass es überall schlimm ist und man oft aus dem Rauch ins Feuer kommt. Bei den Serben sind Wölfe und Türken nebengeordnet. (Čelakovsky, 475.)

*33 Mit einem Türken Process führen.

Das heisst bei den Christen, die in der Türkei leben, etwas völlig Nutz- und Zweckloses thun, weil ein Christ nicht Richter sein kann und bei einem türkischen Richter für einen Christen kein Recht zu erlangen ist.

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[[689]/0695] 9 Viele gehen zu'n Türken, die könnten daheim wirken. – Gubitz, Gesellschafter (Berlin 1829), S. 803. Diesen Spruch hörte man oft im 15. Jahrhundert wiederholen. Es war unter den Edelleuten Mode geworden, nach Asien zu reisen, weil die Neigung zur Romantik dort am meisten Genüge zu finden hoffte. 10 Vor einem alten Türken und einem jungen Serben soll man sich hüten. Besonders im Kampfe, da sie als sehr tapfer geschildert werden. Böhm.: Hled' se starého Turka a mladého Srbe. (Čelakovsky, 469.) 11 Wenn der Türke kommt, ist das Brot billig. Ein walachisches Sprichwort, das im Jahre 1854 häufig in Bukarest gehört wurde, nachdem die Russen es verlassen, und die Türken, die alles baar bezahlten, das Land besetzt hatten. 12 Wenn der Türke zu Pferde steigt, dünkt er sich ein grosser Herr. – Schlechta, 178. 13 Wenn ein Türck oder Heyde sich so hoch erböhte, so möchte man seiner Bitte nicht widerstreben. – Friedborn, II, 15. 14 Wer einen Türken will la'n sinken, der lehr' ihn Branntwein trinken. Die Serben sagen: Willst du dich rächen an dem Türken, so bitte Gott, er möge Branntwein trinken; willst du dich rächen an dem Serben, so bitte Gott, er möge ihn schicken unter die Heiducken. (Čelakovsky, 469.) 15 Wo der Türke den Fuss hinsetzt, wächst kein Gras. – Schles. Zeitung, 1872, Nr. 140. In den Sprichwörtern der Slawen isst der Türke selbst grünes Gras; sie sagen: Der Slawe (Czeche) ist ein Ochs, der Deutsche eine Säule, der Türke das grüne Gras, der Franzose eine rothe Rose, und fahren fort: Es kam der Ochs, warf die Säule um, frass das grüne Gras auf und beschiss die rothe Rose: Slovan vůl Nĕnec kůl, Turek tráva zelena trávu zelenou, posrůži červenou. (Čelakovsky, 439.) Engl.: Where the Turk's horse once treads the grass never grows. (Bohn II, 138.) 16 Wohin ein Türke seinen Fuss setzt, da wird das Erdreich auf hundert Jahre unfruchtbar. Wohl alle Länder, die unter türkischer Herrschaft stehen, liefern den Beweis dafür. Man darf nur ihren frühern vortürkischen Culturzustand mit dem jetzigen vergleichen. Roscher (Die Grundlagen der Nationalökonomie, 2. Ausg., S. 64, § 39, Anm. 8) führt ein ähnliches Sprichwort an: „Da wächst kein Gras wieder, wo ein Osmane seinen Fuss hingesetzt hat.“ Wahrscheinlich steht aber Osmane nur für Türke, da beide sehr häufig verwechselt werden. Auch die Araber sagen: In den Fussstapfen eines Türken wächst kein Gras. Angeblich der ursprüngliche Ausspruch eines Derwisch. Vgl. den Bericht über G. Rasch's Werk, Die Türken in Europa in Ueber Land und Meer. „Nichts kann“, sagt Sam. White Baker (Erforschung der Nilquellen, übersetzt von Martin, I, 22), „den Charakter des Volks passender ausdrücken als dieser einfache Spruch. Schlechte Regierung, Monopol, Erpressung und Druck sind die sichern Begleiter der türkischen Verwaltung.“ *17 Das hält kein Türke aus. Holl.: Het is voor geen' Turk om uit te staaen. (Harrebomée, II, 349a.) *18 Das soll der Türke nicht bekommen. – Eiselein, 606. Lat.: Medus non observabit. (Eiselein, 606.) *19 Das sollte man keinem Türken thun. Holl.: Men zou dat geen' Turk doen. (Harrebomée, II, 549a.) *20 Das versuche an einem Türken, an dem nichts zu verderbee ist. *21 Der hat den Türken gesehen. – Klix, 108. *22 Der ist noch über einen Türken. D. h. er ist nach Anschauung der Serben noch schlimmer. *23 Der Türke hält den Glauben auf den Knien. D. h. sobald er sich aufrichtet, fällt er nach der Ansicht der Serben herunter; man kann sich nicht auf ihn verlassen. (Vgl. Čelakovsky, 475.) *24 Der Türke kommt uns noch auf den Mist. – Eiselein, 468. *25 Ein Türck möcht sich sein (auch) erbarmen. (S. Stein 228.) – Franck, I, 55a; Tappius, 51a; Henisch, 903, 76. *26 Er liegt wie der Türke vor Neuhäusel. – Wurzbach II, 358. Er geht einem nicht vom Halse, er behelligt in äusserst lästiger Weise. Von der Anstrengung entlehnt, welche die Türken vor der im Jahre 1592 erbauten Festung Neuhäusel machten, die sie zehnmal vergeblich belagerten. *27 Er mag das an einem Türken versuchen. – Fischart. Diese Redensart zeigt, dass die Christen seinerzeit dieselbe Rechtsanschauung hatten, wie sie sich bei den Türken fand oder findet, wenn sie sagen: Gott hat den Türken den Rajah verliehen, damit er ihnen diene und jede Klage des Franken mit dem Sprichwort zurückweise: Hier schlägt keine Glocke, sondern türkisch ist das Land, woraus man ersieht, dass der Beschwerdeweg in der Türkei ungefähr so viel nützt, wie in Deutschland. Rajah heisst in der Türkei jeder christliche Unterthan der Pforte, jeder Abendländer wird Frank und jeder Christ „Gjaur“ genannt. (Reinsberg VI, 91.) Lat.: In care periculum. (Eiselein, 606.) *28 Es ist ein rechter Türke. D. h. ein ungebildeter, roher, grausamer Mensch. Doch gelten die übergetretenen für noch schlimmer als die geborenen Türken, wie das bei allen Völkern gefunden wird. Das Uebertreten von einem Glauben oder einem Volksthum (Nationalität) zu einem andern wird für eine schändliche und dem Teufel gefällige Sache gehalten. So sagen die Polen: Wenn der Pole welsch (italienisch), der Masur ein Höfling und der Russe ein Pole wird, so weicht er dem Teufel nicht. Aehnlich sagen die Serben: Es gäbe keinen schlimmen Türken, ohne den Vertürkten, d. h. zum Türken Gewordenen; ein solcher ist, wie die Illyrer behaupten, schlimmer als hundert Türken. Holl.: Het is een regte (booze, zo rede) Turk. (Harrebomée, II, 149a.) Ill.: Jedan poturica gorji od stotine Turakah. (Čelakovsky, 475.) *29 Hä mênt, ä hät der Türk geschlagen. (Bedburg.) *30 Haben Sie keinen Türken gesehen? (Dresden.) Auf einem dresdener Maskenballe erschien auch ein Türke in Begleitung eines Sklaven, den er an der Kette führte. Dieser, dem Arbeiterstande angehörig, war zu seiner Rolle besonders gemiethet worden und hatte sich zuvor ein abführendes Getränk, ohne dessen Zweck zu kennen, wohlschmecken lassen. Auf dem Balle band ihn der Türke unter dem Versprechen, bald wieder zu kommen, an einen Pfeiler. Als das Getränk zu wirken begann, rief er jede vorbeigehende Maske mit den Worten an: „Haben Sie kein Türk gesehen?“ Diese Redensart ist nun für gefährliche und komische Situationen sprichwörtlich geworden. Nach einer andern Mittheilung sollen die beiden Personen Gläubiger und Schuldner gewesen sein. *31 Hast kan Türken gesehen? (Wien.) So fragen die Wiener, wenn ihnen jemand einen Bären aufbinden will. Die Entstehung dieser Redensart wird dort so erzählt: In Schwender's Colosseum, einem allbekannten Belustigungsorte der Wiener, ward vor Jahren ein grosser Maskenball abgehalten, auf dem auch ein Türke in Gold und Silber durchwirkten Kleidern erschien, der sammt seinen Frauen, die ihn begleiteten, allgemeines Aufsehen erregte. An einer grossen Tafel nahm die orientalische Familie Platz. Der Wein floss in Strömen; der Tisch bog sich unter der Schwere der vielen auserlesenen Gerichte, die darauf gestellt waren. Der Türke war ausserordentlich gastfreundlich und freigebig. Wer mit lüsternen Augen auf die Tafel schaute, der wurde eingeladen, sich hinzuzusetzen und mitzutrinken. Der Kreis der Neugierigen und Schmarotzer wurde immer grösser. Man stand zur Abwechslung auf, machte einen Rundgang durch die riesigen Tanzlocale; man kam wieder zur Tafel, trank dem Türken zu und war lustig und guter Dinge, als hinge der Himmel voller Geigen. Den Türken gemahnte aber ein menschliches Bedürfniss, sich zu entfernen. Er legte seinen reichgeschmückten Turban ab, liess seinen silberbeschlagenen Stock auf dem Tische zurück und entfernte sich, wie er angab, auf einige Minuten, soll aber noch wiederkommen. Als das lange Ausbleiben des Türken auffiel, begann man, ihn in den weiten Räumlichkeiten zu suchen, und einer fragte den andern, ob er keinen Türken gesehen habe. Aber er blieb verschwunden; er hatte seinen Begleitern blos das Vergnügen hinterlassen die Rechnung zu bezahlen. Hügel (168b) bemerkt zur Erklärung der obigen dresdener sich nähernd: „Die Redensart stammt aus der Maskenredoute, wo ein Spassvogel als Türke gekleidet mehrere Jungen als Sklaven mit sich schleppte, sie an eine Säule kettete, ihnen Bonbons mit Abführmitteln gab und sich entfernte. Die drängenden Schmerzen veranlassten die Armen, jeden Vorbeigehenden zu fragen, ob er keinen Türken gesehen habe.“ *32 Hier Türken und dort Wölfe. Die Serben, um auszudrücken, dass es überall schlimm ist und man oft aus dem Rauch ins Feuer kommt. Bei den Serben sind Wölfe und Türken nebengeordnet. (Čelakovsky, 475.) *33 Mit einem Türken Process führen. Das heisst bei den Christen, die in der Türkei leben, etwas völlig Nutz- und Zweckloses thun, weil ein Christ nicht Richter sein kann und bei einem türkischen Richter für einen Christen kein Recht zu erlangen ist. Böhm.: Sud' se s Turkem an Turek ti soudce. (Čelakovsky, 475.)

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Zitationshilfe: Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 4. Leipzig, 1876, S. [689]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon04_1876/695>, abgerufen am 22.11.2024.