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Wanderley, Germano: Handbuch der Bauconstruktionslehre. 2. Aufl. Bd. 1. Die Constructionen in Holz. Halle (Saale), 1877.

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Viertes Kapitel.
fetten *) tragen, aus zwei anderen Streben, welche am Fuße der
ersteren mit diesen durch Verzahnung und Bolzen verbunden und
an ihrem andern Ende durch Zapfen und Versatzung mit den gegen-
überliegenden Hauptstreben vereinigt sind. Die vier Streben bilden
hierdurch zwei größere Dreiecke, welche durch eine in der Mitte des
Binders angeordnete Hängesäule h noch eine weitere Befestigung
erhalten. Die durch die Streben gebildeten Dreiecke werden aber
ferner noch durch eine horizontal gelegte Doppelzange z, welche in
der Mitte der äußeren Hauptstreben eingelegt ist, unter sich verbun-
den, und es wird hierdurch auch unter dem First ein drittes größeres
Dreieck gebildet, welches die Festigkeit der Construktion hauptsächlich
mit sichern hilft. Behufs möglichster Beseitigung eines durch die
Verbindung der Streben unter sich und mit der horizontalen Doppel-
zange resp. der doppelten Hängesäule etwa noch zulässigen Schubes
und zur Errichtung eines beinahe ganz senkrechten Druckes der
Binderconstruktion auf die Umfassungsmauern sind am Fuße der
Hauptstreben noch kurze, am untern Ende auf Consolen geneigt stehende
Pfosten s unter diese gestellt, und durch Streben und Zangen mit
ihnen verbunden. Die Construktion des Binders ist hierdurch so
gesichert, daß kaum die geringste Bewegung innerhalb der einzelnen
und ganzen Verbindung, den lothrechten Stand und die Festigkeit
der Umfassungsmauern gefährden dürfte.

Fig. 393 zeigt einen Binder zu einer Reithalle im Jesuitenhof in
Wien, welchen wir einer Beschreibung von Liebold in der Holz-
mindener Zeitschrift entnehmen. Dieser Binder ist in der Hauptsache
ebenfalls nach den zuerst von Moller aufgestellten Grundsätzen über
die Construktion von Dachbindern, oder nach dem sogenannten
Mollerschen Knotensystem gebildet. Zwei nach der Dachform und
gegen einander geneigte Streben bilden dabei den oberen Abschluß
des Binders und dienen gleichzeitig dazu, um die über die Streben
gestreckten Dachfetten aufzunehmen. Die Dachfetten oder Riegel sind
mit diesen Hauptstreben überblattet und dann durch lange Nägel
befestigt. Für die Festigkeit der Dachbinder dürfte es aber vortheil-
hafter sein, wenn die Fetten durch Knaggen, wie in Fig. 392, die
nöthige Unterstützung erhalten hätten, da dann eine Schwächung

*) Solche Fetten, die als Ersatz der Sparren dienen, heißen in Oesterreich
Riegel, wonach die Dächer auch "Riegeldächer" genannt werden, im Gegensatze zu
"Sparrendächern."

Viertes Kapitel.
fetten *) tragen, aus zwei anderen Streben, welche am Fuße der
erſteren mit dieſen durch Verzahnung und Bolzen verbunden und
an ihrem andern Ende durch Zapfen und Verſatzung mit den gegen-
überliegenden Hauptſtreben vereinigt ſind. Die vier Streben bilden
hierdurch zwei größere Dreiecke, welche durch eine in der Mitte des
Binders angeordnete Hängeſäule h noch eine weitere Befeſtigung
erhalten. Die durch die Streben gebildeten Dreiecke werden aber
ferner noch durch eine horizontal gelegte Doppelzange z, welche in
der Mitte der äußeren Hauptſtreben eingelegt iſt, unter ſich verbun-
den, und es wird hierdurch auch unter dem Firſt ein drittes größeres
Dreieck gebildet, welches die Feſtigkeit der Conſtruktion hauptſächlich
mit ſichern hilft. Behufs möglichſter Beſeitigung eines durch die
Verbindung der Streben unter ſich und mit der horizontalen Doppel-
zange reſp. der doppelten Hängeſäule etwa noch zuläſſigen Schubes
und zur Errichtung eines beinahe ganz ſenkrechten Druckes der
Binderconſtruktion auf die Umfaſſungsmauern ſind am Fuße der
Hauptſtreben noch kurze, am untern Ende auf Conſolen geneigt ſtehende
Pfoſten s unter dieſe geſtellt, und durch Streben und Zangen mit
ihnen verbunden. Die Conſtruktion des Binders iſt hierdurch ſo
geſichert, daß kaum die geringſte Bewegung innerhalb der einzelnen
und ganzen Verbindung, den lothrechten Stand und die Feſtigkeit
der Umfaſſungsmauern gefährden dürfte.

Fig. 393 zeigt einen Binder zu einer Reithalle im Jeſuitenhof in
Wien, welchen wir einer Beſchreibung von Liebold in der Holz-
mindener Zeitſchrift entnehmen. Dieſer Binder iſt in der Hauptſache
ebenfalls nach den zuerſt von Moller aufgeſtellten Grundſätzen über
die Conſtruktion von Dachbindern, oder nach dem ſogenannten
Mollerſchen Knotenſyſtem gebildet. Zwei nach der Dachform und
gegen einander geneigte Streben bilden dabei den oberen Abſchluß
des Binders und dienen gleichzeitig dazu, um die über die Streben
geſtreckten Dachfetten aufzunehmen. Die Dachfetten oder Riegel ſind
mit dieſen Hauptſtreben überblattet und dann durch lange Nägel
befeſtigt. Für die Feſtigkeit der Dachbinder dürfte es aber vortheil-
hafter ſein, wenn die Fetten durch Knaggen, wie in Fig. 392, die
nöthige Unterſtützung erhalten hätten, da dann eine Schwächung

*) Solche Fetten, die als Erſatz der Sparren dienen, heißen in Oeſterreich
Riegel, wonach die Dächer auch „Riegeldächer“ genannt werden, im Gegenſatze zu
„Sparrendächern.“
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[260/0272] Viertes Kapitel. fetten *) tragen, aus zwei anderen Streben, welche am Fuße der erſteren mit dieſen durch Verzahnung und Bolzen verbunden und an ihrem andern Ende durch Zapfen und Verſatzung mit den gegen- überliegenden Hauptſtreben vereinigt ſind. Die vier Streben bilden hierdurch zwei größere Dreiecke, welche durch eine in der Mitte des Binders angeordnete Hängeſäule h noch eine weitere Befeſtigung erhalten. Die durch die Streben gebildeten Dreiecke werden aber ferner noch durch eine horizontal gelegte Doppelzange z, welche in der Mitte der äußeren Hauptſtreben eingelegt iſt, unter ſich verbun- den, und es wird hierdurch auch unter dem Firſt ein drittes größeres Dreieck gebildet, welches die Feſtigkeit der Conſtruktion hauptſächlich mit ſichern hilft. Behufs möglichſter Beſeitigung eines durch die Verbindung der Streben unter ſich und mit der horizontalen Doppel- zange reſp. der doppelten Hängeſäule etwa noch zuläſſigen Schubes und zur Errichtung eines beinahe ganz ſenkrechten Druckes der Binderconſtruktion auf die Umfaſſungsmauern ſind am Fuße der Hauptſtreben noch kurze, am untern Ende auf Conſolen geneigt ſtehende Pfoſten s unter dieſe geſtellt, und durch Streben und Zangen mit ihnen verbunden. Die Conſtruktion des Binders iſt hierdurch ſo geſichert, daß kaum die geringſte Bewegung innerhalb der einzelnen und ganzen Verbindung, den lothrechten Stand und die Feſtigkeit der Umfaſſungsmauern gefährden dürfte. Fig. 393 zeigt einen Binder zu einer Reithalle im Jeſuitenhof in Wien, welchen wir einer Beſchreibung von Liebold in der Holz- mindener Zeitſchrift entnehmen. Dieſer Binder iſt in der Hauptſache ebenfalls nach den zuerſt von Moller aufgeſtellten Grundſätzen über die Conſtruktion von Dachbindern, oder nach dem ſogenannten Mollerſchen Knotenſyſtem gebildet. Zwei nach der Dachform und gegen einander geneigte Streben bilden dabei den oberen Abſchluß des Binders und dienen gleichzeitig dazu, um die über die Streben geſtreckten Dachfetten aufzunehmen. Die Dachfetten oder Riegel ſind mit dieſen Hauptſtreben überblattet und dann durch lange Nägel befeſtigt. Für die Feſtigkeit der Dachbinder dürfte es aber vortheil- hafter ſein, wenn die Fetten durch Knaggen, wie in Fig. 392, die nöthige Unterſtützung erhalten hätten, da dann eine Schwächung *) Solche Fetten, die als Erſatz der Sparren dienen, heißen in Oeſterreich Riegel, wonach die Dächer auch „Riegeldächer“ genannt werden, im Gegenſatze zu „Sparrendächern.“

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Zitationshilfe: Wanderley, Germano: Handbuch der Bauconstruktionslehre. 2. Aufl. Bd. 1. Die Constructionen in Holz. Halle (Saale), 1877, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wanderley_bauconstructionslehre01_1877/272>, abgerufen am 24.11.2024.