Wanderley, Germano: Handbuch der Bauconstruktionslehre. 2. Aufl. Bd. 2. Die Constructionen in Stein. Leipzig, 1878.Erstes Kapitel. Das Werksteiumauerwerk. liche Schichten verschiedene Höhe und sind die Steine von ganz un-gleicher Länge. Das opus rusticum kommt besonders in fortifika- torischen Bauten vor, es wurden die Steine nur inwendig und an den Auflags- sowie an den Stoßflächen rechtwinklich und glatt bearbeitet, die Ränder ebenfalls scharfkantig hergestellt; der mittlere Theil der Außenfläche blieb aber ganz roh und erhaben stehen; das opus rusticum heißt vielfach auch "Buckelsteinmauerwerk". In der Früh- und Spät-Gothik-Periode gelangte der Werkstein- Erſtes Kapitel. Das Werkſteiumauerwerk. liche Schichten verſchiedene Höhe und ſind die Steine von ganz un-gleicher Länge. Das opus rusticum kommt beſonders in fortifika- toriſchen Bauten vor, es wurden die Steine nur inwendig und an den Auflags- ſowie an den Stoßflächen rechtwinklich und glatt bearbeitet, die Ränder ebenfalls ſcharfkantig hergeſtellt; der mittlere Theil der Außenfläche blieb aber ganz roh und erhaben ſtehen; das opus rusticum heißt vielfach auch „Buckelſteinmauerwerk“. In der Früh- und Spät-Gothik-Periode gelangte der Werkſtein- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0142" n="126"/><fw place="top" type="header">Erſtes Kapitel. Das Werkſteiumauerwerk.</fw><lb/> liche Schichten verſchiedene Höhe und ſind die Steine von ganz un-<lb/> gleicher Länge. Das <hi rendition="#aq">opus rusticum</hi> kommt beſonders in fortifika-<lb/> toriſchen Bauten vor, es wurden die Steine nur inwendig und an den<lb/> Auflags- ſowie an den Stoßflächen rechtwinklich und glatt bearbeitet,<lb/> die Ränder ebenfalls ſcharfkantig hergeſtellt; der mittlere Theil der<lb/> Außenfläche blieb aber ganz roh und erhaben ſtehen; das <hi rendition="#aq">opus<lb/> rusticum</hi> heißt vielfach auch „Buckelſteinmauerwerk“.</p><lb/> <p>In der Früh- und Spät-Gothik-Periode gelangte der Werkſtein-<lb/> bau (in Norddeutſchland ausgenommen) durch die „Bauhütten“ zur<lb/> hohen Vervollkommnung. Außer den ſorgfältig bearbeiteten Steinen<lb/> bei den Kirchen, Paläſten, Stiften, Rathhäuſern und Patrizier-<lb/> häuſern zu Andernach, Limburg, Nürnberg, Bonn, Straßburg, Köln,<lb/> Mettlach, Wien, Maulbronn u. ſ. w., kommen auch die Buckelſteine<lb/> an den Burgen und Feſtungsthürmen (z. B. Wiener Thor zu Hain-<lb/> burg, das Erenthor von Köln u. ſ. w.) vor. Auch zur Zeit der<lb/> italieniſchen Renaiſſance ſpielte der Quaderbau eine große Rolle.<lb/> Während in Rom beſonders an den Gebäudeecken liſenenartige<lb/> Boſſagen (ſtark profilirte Blöcke) angewendet wurden (wie z. B. beim<lb/> Palaſte Farneſe, der theilweiſe vom Florentiner <hi rendition="#aq">Ant. da Sangollo</hi><lb/> und im dritten Stockwerke von <hi rendition="#aq">Michel Angelo</hi> ſtammt, ferner Palaſt<lb/><hi rendition="#aq">Verospi</hi> u. ſ. w.), und häufig nur das untere Stockwerk kräftige<lb/> Quaderungen erhielt, dagegen die oberen Stockwerke entweder blos<lb/> mit Pfeilerſtellungen und glatten Mauerflächen (wie z. B. einige Pa-<lb/> läſte von Balth. Peruzzi, einem Schüler von Bramente) oder durch<lb/> Pfeilerſtellungen und ſchwache Wand-Quaderungen (Palaſt Giraud)<lb/> ausgezeichnet werden, iſt das Vorhandenſein ſehr ſtarker Quadern<lb/> in allen Stockwerken, welche oben mit einem weitausladenden Haupt-<lb/> geſims bekrönt und unter den Bogenfenſtern mit kräftigen Geſimſen<lb/> von einander getrennt ſind, das charakteriſtiſche Erkennungszeichen<lb/> der „florentiniſchen“ Bauweiſe. Drei Paläſte ſind es vornehmlich,<lb/> welche in dieſer Hinſicht am meiſten hervorragen, die Paläſte Strozzi,<lb/> Riccardi und Pitti. Die Vorderſeite des Palaſtes Riccardi beſteht in<lb/> der unteren Etage aus großen, ſtark vortretenden und faſt unbearbeiteten<lb/> Buckelſteinen; der Palaſt Strozzi dagegen hat gleichmäßigere und<lb/> weniger vortretende Quadern, welche der Fa<hi rendition="#aq">ç</hi>ade ein überaus ehrwür-<lb/> diges Anſehen verleihen. Bei den Bauten der ſpäteren florentini-<lb/> ſchen Bauweiſe wurden die Quadern ſehr ſchön ſauber und ganz<lb/> ebenflächig hergeſtellt (Fig. 140). Solche Quadern heißen „Boſſage“.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [126/0142]
Erſtes Kapitel. Das Werkſteiumauerwerk.
liche Schichten verſchiedene Höhe und ſind die Steine von ganz un-
gleicher Länge. Das opus rusticum kommt beſonders in fortifika-
toriſchen Bauten vor, es wurden die Steine nur inwendig und an den
Auflags- ſowie an den Stoßflächen rechtwinklich und glatt bearbeitet,
die Ränder ebenfalls ſcharfkantig hergeſtellt; der mittlere Theil der
Außenfläche blieb aber ganz roh und erhaben ſtehen; das opus
rusticum heißt vielfach auch „Buckelſteinmauerwerk“.
In der Früh- und Spät-Gothik-Periode gelangte der Werkſtein-
bau (in Norddeutſchland ausgenommen) durch die „Bauhütten“ zur
hohen Vervollkommnung. Außer den ſorgfältig bearbeiteten Steinen
bei den Kirchen, Paläſten, Stiften, Rathhäuſern und Patrizier-
häuſern zu Andernach, Limburg, Nürnberg, Bonn, Straßburg, Köln,
Mettlach, Wien, Maulbronn u. ſ. w., kommen auch die Buckelſteine
an den Burgen und Feſtungsthürmen (z. B. Wiener Thor zu Hain-
burg, das Erenthor von Köln u. ſ. w.) vor. Auch zur Zeit der
italieniſchen Renaiſſance ſpielte der Quaderbau eine große Rolle.
Während in Rom beſonders an den Gebäudeecken liſenenartige
Boſſagen (ſtark profilirte Blöcke) angewendet wurden (wie z. B. beim
Palaſte Farneſe, der theilweiſe vom Florentiner Ant. da Sangollo
und im dritten Stockwerke von Michel Angelo ſtammt, ferner Palaſt
Verospi u. ſ. w.), und häufig nur das untere Stockwerk kräftige
Quaderungen erhielt, dagegen die oberen Stockwerke entweder blos
mit Pfeilerſtellungen und glatten Mauerflächen (wie z. B. einige Pa-
läſte von Balth. Peruzzi, einem Schüler von Bramente) oder durch
Pfeilerſtellungen und ſchwache Wand-Quaderungen (Palaſt Giraud)
ausgezeichnet werden, iſt das Vorhandenſein ſehr ſtarker Quadern
in allen Stockwerken, welche oben mit einem weitausladenden Haupt-
geſims bekrönt und unter den Bogenfenſtern mit kräftigen Geſimſen
von einander getrennt ſind, das charakteriſtiſche Erkennungszeichen
der „florentiniſchen“ Bauweiſe. Drei Paläſte ſind es vornehmlich,
welche in dieſer Hinſicht am meiſten hervorragen, die Paläſte Strozzi,
Riccardi und Pitti. Die Vorderſeite des Palaſtes Riccardi beſteht in
der unteren Etage aus großen, ſtark vortretenden und faſt unbearbeiteten
Buckelſteinen; der Palaſt Strozzi dagegen hat gleichmäßigere und
weniger vortretende Quadern, welche der Façade ein überaus ehrwür-
diges Anſehen verleihen. Bei den Bauten der ſpäteren florentini-
ſchen Bauweiſe wurden die Quadern ſehr ſchön ſauber und ganz
ebenflächig hergeſtellt (Fig. 140). Solche Quadern heißen „Boſſage“.
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