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Wanderley, Germano: Handbuch der Bauconstruktionslehre. 2. Aufl. Bd. 2. Die Constructionen in Stein. Leipzig, 1878.

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Zweites Kapitel. Die Gewölbe.

Endlich zeigt Fig. 298 noch eine Anordnung, die in Oesterreich
in den mannigfachsten Variationen über Zimmern, Waarengewölben
u. f. w. häufig vorkommt. Den vorliegenden Fall sahen wir in einigen
Amtsstuben des Parterregeschosses der Statthalterei zu Brünn. Der

[Abbildung] Fig. 298.
ganze, etwa 7,5m breite Raum ist mit einem Tonnengewölbe über-
deckt, über jedem Fenster befindet sich eine Stichkappe, welche sich
gegen die Nachmauerung des Gewölbes stützt. Da die Fenster in
Abständen von circa 2m vorkommen, löst sich in Wirklichkeit der ganze
untere Theil des Gewölbes in Gurtbögen auf; hierdurch wird der
Schub auf einzelne kräftige Mauerkörper übertragen und die Anlage
der Fenster wesentlich erleichtert.

3) Allgemeine Regeln für das Tonnengewölbe, be-
sonders in Kellern
. Die Tonnen überdecken die Räume in der
ganzen Tiefe; letztere giebt auch gleichzeitig die Spannweite der
Gewölbe an, und liegen somit sehr häufig große Tonnen neben
kleinen. Im Allgemeinen ordnet man die Tonnenaxen parallel mit
den Lang- und Mittelmauern, da diese, zufolge ihrer größeren Stärke,
sich besser zu Widerlagern eignen, als die Scheidemauern. Beim
Zeichnen des Querprofils nimmt man die Scheitel sämmtlicher
Tonnen in gleicher Höhe
an, und giebt man jedem Gewölbe nach
Maßgabe der Spannweite eine solche Pfeilhöhe, daß die Wider-
lager (in Oesterreich "Anläufe" genannt) möglichst in eine Horizon-
tale zu liegen kommen. Dies gilt besonders für Segmentgewölbe,
während bei Korbbögentonnen die Anläufe verschieden hoch sein können,
sofern die Differenz 0,6m nicht überschreitet. Für die Widerlager
kragt man das Mauerwerk in der Bogenrichtung mittelst einer

Zweites Kapitel. Die Gewölbe.

Endlich zeigt Fig. 298 noch eine Anordnung, die in Oeſterreich
in den mannigfachſten Variationen über Zimmern, Waarengewölben
u. f. w. häufig vorkommt. Den vorliegenden Fall ſahen wir in einigen
Amtsſtuben des Parterregeſchoſſes der Statthalterei zu Brünn. Der

[Abbildung] Fig. 298.
ganze, etwa 7,5m breite Raum iſt mit einem Tonnengewölbe über-
deckt, über jedem Fenſter befindet ſich eine Stichkappe, welche ſich
gegen die Nachmauerung des Gewölbes ſtützt. Da die Fenſter in
Abſtänden von circa 2m vorkommen, löſt ſich in Wirklichkeit der ganze
untere Theil des Gewölbes in Gurtbögen auf; hierdurch wird der
Schub auf einzelne kräftige Mauerkörper übertragen und die Anlage
der Fenſter weſentlich erleichtert.

3) Allgemeine Regeln für das Tonnengewölbe, be-
ſonders in Kellern
. Die Tonnen überdecken die Räume in der
ganzen Tiefe; letztere giebt auch gleichzeitig die Spannweite der
Gewölbe an, und liegen ſomit ſehr häufig große Tonnen neben
kleinen. Im Allgemeinen ordnet man die Tonnenaxen parallel mit
den Lang- und Mittelmauern, da dieſe, zufolge ihrer größeren Stärke,
ſich beſſer zu Widerlagern eignen, als die Scheidemauern. Beim
Zeichnen des Querprofils nimmt man die Scheitel ſämmtlicher
Tonnen in gleicher Höhe
an, und giebt man jedem Gewölbe nach
Maßgabe der Spannweite eine ſolche Pfeilhöhe, daß die Wider-
lager (in Oeſterreich „Anläufe“ genannt) möglichſt in eine Horizon-
tale zu liegen kommen. Dies gilt beſonders für Segmentgewölbe,
während bei Korbbögentonnen die Anläufe verſchieden hoch ſein können,
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kragt man das Mauerwerk in der Bogenrichtung mittelſt einer

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[284/0300] Zweites Kapitel. Die Gewölbe. Endlich zeigt Fig. 298 noch eine Anordnung, die in Oeſterreich in den mannigfachſten Variationen über Zimmern, Waarengewölben u. f. w. häufig vorkommt. Den vorliegenden Fall ſahen wir in einigen Amtsſtuben des Parterregeſchoſſes der Statthalterei zu Brünn. Der [Abbildung Fig. 298.] ganze, etwa 7,5m breite Raum iſt mit einem Tonnengewölbe über- deckt, über jedem Fenſter befindet ſich eine Stichkappe, welche ſich gegen die Nachmauerung des Gewölbes ſtützt. Da die Fenſter in Abſtänden von circa 2m vorkommen, löſt ſich in Wirklichkeit der ganze untere Theil des Gewölbes in Gurtbögen auf; hierdurch wird der Schub auf einzelne kräftige Mauerkörper übertragen und die Anlage der Fenſter weſentlich erleichtert. 3) Allgemeine Regeln für das Tonnengewölbe, be- ſonders in Kellern. Die Tonnen überdecken die Räume in der ganzen Tiefe; letztere giebt auch gleichzeitig die Spannweite der Gewölbe an, und liegen ſomit ſehr häufig große Tonnen neben kleinen. Im Allgemeinen ordnet man die Tonnenaxen parallel mit den Lang- und Mittelmauern, da dieſe, zufolge ihrer größeren Stärke, ſich beſſer zu Widerlagern eignen, als die Scheidemauern. Beim Zeichnen des Querprofils nimmt man die Scheitel ſämmtlicher Tonnen in gleicher Höhe an, und giebt man jedem Gewölbe nach Maßgabe der Spannweite eine ſolche Pfeilhöhe, daß die Wider- lager (in Oeſterreich „Anläufe“ genannt) möglichſt in eine Horizon- tale zu liegen kommen. Dies gilt beſonders für Segmentgewölbe, während bei Korbbögentonnen die Anläufe verſchieden hoch ſein können, ſofern die Differenz 0,6m nicht überſchreitet. Für die Widerlager kragt man das Mauerwerk in der Bogenrichtung mittelſt einer

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Zitationshilfe: Wanderley, Germano: Handbuch der Bauconstruktionslehre. 2. Aufl. Bd. 2. Die Constructionen in Stein. Leipzig, 1878, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wanderley_bauconstructionslehre02_1878/300>, abgerufen am 22.11.2024.