Weber, Mathilde: Ein Besuch in Zürich bei den weiblichen Studierenden der Medizin. Stuttgart, 1888.allein die Praxis ein endgiltiges Urteil abgeben" - das schreibt und denkt Wir Frauen haben alle Ursache, die Schweizer Männer hochzuschätzen. Es gab seiner Zeit in Zürich über die Erlaubnis zum Frauen- Wir wünschen von ganzem Herzen, daß bald eine Mehrzahl von wohl- Jn der Zeitschrift "Alma Mater 1878" wurde aus einem Brief Daß der geehrte Herr Professor seinen Vorschlag nicht zu bereuen Wie richtig ist es, daß der Herr Professor nur von einer "gewissen, allein die Praxis ein endgiltiges Urteil abgeben“ – das schreibt und denkt Wir Frauen haben alle Ursache, die Schweizer Männer hochzuschätzen. Es gab seiner Zeit in Zürich über die Erlaubnis zum Frauen- Wir wünschen von ganzem Herzen, daß bald eine Mehrzahl von wohl- Jn der Zeitschrift „Alma Mater 1878“ wurde aus einem Brief Daß der geehrte Herr Professor seinen Vorschlag nicht zu bereuen Wie richtig ist es, daß der Herr Professor nur von einer „gewissen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0009" n="9"/> allein die Praxis ein endgiltiges Urteil abgeben“ – das schreibt und denkt<lb/> eine praktische Schweizerin, die treffliche Präsidentin des Frauenvereins<lb/> Zürich, Sektion des Schweizer Frauenverbandes: Frau Boos-Jegher.</p><lb/> <p>Wir Frauen haben alle Ursache, die Schweizer Männer hochzuschätzen.<lb/> Sie gaben zuerst in Europa das Beispiel objektiver Gerechtigkeit auch für<lb/> unser Geschlecht, und handelten nach dem Satze: „Gleiche Pflichten, gleiche<lb/> Rechte.“ Sie sahen ein, daß wenn der Staat nicht selbst die arbeitslosen<lb/> Mädchen versorgen will, er ihnen auch die freie Wahl, wie dem Manne<lb/> lassen muß, die ihrer Persönlichkeit am meisten zusagende Erwerbsarbeit<lb/> ergreifen zu dürfen und die Gelegenheit zur Schulung dazu zu erhalten.<lb/> Mit ihrem praktischen Rechtsgefühl erkannten die Schweizer es zuerst als<lb/> eine staatliche Pflicht, dem durch die Maschinenarbeit immer größer<lb/> werdenden Ueberfluß an weiblicher Arbeitskraft auch wieder neue Arbeits-<lb/> gebiete zu eröffnen. Sie finden es unwürdig, immer wieder zu sagen,<lb/> die Frauen sollen haushalten, nähen und stricken, wenn faktisch Tausende<lb/> von Händen dazu entbehrlich geworden sind.</p><lb/> <p>Es gab seiner Zeit in Zürich über die Erlaubnis zum Frauen-<lb/><choice><sic>studiumleider</sic><corr>studium leider</corr></choice> einen Kampf gegen einzelne deutsche Professoren, welche<lb/> nach den vaterländischen Traditionen den Frauen dieses Recht nicht ein-<lb/> räumen wollten. 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Geben wir ihnen allen Unterricht, den sie<lb/> verlangen, dann können sie wenigstens, wenn der Versuch nicht gerät, uns<lb/> nicht sagen, wir hätten ihnen aus Brodneid den Versuch verdorben.“</p><lb/> <p>Daß der geehrte Herr Professor seinen Vorschlag nicht zu bereuen<lb/> brauchte, zeigt eine andere Stelle des vorgedachten Briefes: „ – Für die<lb/> schwebende Frage aber (ob die Frauen studieren dürfen und fähig dazu<lb/> sind) genügt es zu wissen, daß eine gewisse Anzahl von Frauen und<lb/> Fräulein sich dem Studium durchaus gewachsen zeigten, und daß davon<lb/> eine gewisse Anzahl das Studium bereits in einer solchen Weise absolviert<lb/> hat, daß jeder Studierende sich ein Beispiel daran nehmen darf.“ –</p><lb/> <p>Wie richtig ist es, daß der Herr Professor nur von einer „gewissen,<lb/> beschränkten Anzahl“ studierender Frauen spricht. Das ist es, was wir<lb/> im Jnteresse unseres Geschlechts erstreben wollen. Gewiß begehren wir<lb/> nicht, wie die Gegner spotten, als ob plötzlich die Frauen im Allgemeinen<lb/> studieren sollten.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [9/0009]
allein die Praxis ein endgiltiges Urteil abgeben“ – das schreibt und denkt
eine praktische Schweizerin, die treffliche Präsidentin des Frauenvereins
Zürich, Sektion des Schweizer Frauenverbandes: Frau Boos-Jegher.
Wir Frauen haben alle Ursache, die Schweizer Männer hochzuschätzen.
Sie gaben zuerst in Europa das Beispiel objektiver Gerechtigkeit auch für
unser Geschlecht, und handelten nach dem Satze: „Gleiche Pflichten, gleiche
Rechte.“ Sie sahen ein, daß wenn der Staat nicht selbst die arbeitslosen
Mädchen versorgen will, er ihnen auch die freie Wahl, wie dem Manne
lassen muß, die ihrer Persönlichkeit am meisten zusagende Erwerbsarbeit
ergreifen zu dürfen und die Gelegenheit zur Schulung dazu zu erhalten.
Mit ihrem praktischen Rechtsgefühl erkannten die Schweizer es zuerst als
eine staatliche Pflicht, dem durch die Maschinenarbeit immer größer
werdenden Ueberfluß an weiblicher Arbeitskraft auch wieder neue Arbeits-
gebiete zu eröffnen. Sie finden es unwürdig, immer wieder zu sagen,
die Frauen sollen haushalten, nähen und stricken, wenn faktisch Tausende
von Händen dazu entbehrlich geworden sind.
Es gab seiner Zeit in Zürich über die Erlaubnis zum Frauen-
studium leider einen Kampf gegen einzelne deutsche Professoren, welche
nach den vaterländischen Traditionen den Frauen dieses Recht nicht ein-
räumen wollten. Aber doch drang die Berechtigung durch mit der Bei-
hilfe anderer deutscher Professoren – o, wie gerne nenne ich diejenigen
deutschen Namen, die mir bekannt wurden: Geheimer Rat Dr. Böhmert,
jetzt in Dresden, Professor Dr. Rose, jetzt in Berlin, und vor Allen den
wohlgesinnten Professor Dr. von Mayer.
Wir wünschen von ganzem Herzen, daß bald eine Mehrzahl von wohl-
wollenden Professoren in Deutschland seinen Standpunkt teilen möchten,
dann könnten wir hoffen, daß in absehbarer Zeit wenigstens eine deutsche
Universität ihre Pforte denjenigen wißbegierigen, opferfreudigen Mädchen
und Frauen öffnen würde, welche seither auswärts lernen und auswärts
ihre Kräfte zu Gunsten der leidenden Frauenwelt verwenden mußten.
Jn der Zeitschrift „Alma Mater 1878“ wurde aus einem Brief
von Herrn Prof. Mayer unter Anderem veröffentlicht: „Jch habe
der betreffenden Frage gegenüber stets eine sehr einfach zu bezeichnende
Stellung eingenommen, es ist die: die Frauen wollen versuchen, ob sie
durch das Studium (vorherrschend Medizin) einen neuen Wirkungskreis
gewinnen können, so mögen sie es versuchen; an uns ist es nicht, es ihnen
zu wehren oder zu erschweren. Geben wir ihnen allen Unterricht, den sie
verlangen, dann können sie wenigstens, wenn der Versuch nicht gerät, uns
nicht sagen, wir hätten ihnen aus Brodneid den Versuch verdorben.“
Daß der geehrte Herr Professor seinen Vorschlag nicht zu bereuen
brauchte, zeigt eine andere Stelle des vorgedachten Briefes: „ – Für die
schwebende Frage aber (ob die Frauen studieren dürfen und fähig dazu
sind) genügt es zu wissen, daß eine gewisse Anzahl von Frauen und
Fräulein sich dem Studium durchaus gewachsen zeigten, und daß davon
eine gewisse Anzahl das Studium bereits in einer solchen Weise absolviert
hat, daß jeder Studierende sich ein Beispiel daran nehmen darf.“ –
Wie richtig ist es, daß der Herr Professor nur von einer „gewissen,
beschränkten Anzahl“ studierender Frauen spricht. Das ist es, was wir
im Jnteresse unseres Geschlechts erstreben wollen. Gewiß begehren wir
nicht, wie die Gegner spotten, als ob plötzlich die Frauen im Allgemeinen
studieren sollten.
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