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Weber, Max: Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik. Freiburg (Breisgau) u. a., 1895.

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sichtspunkte zu entwickeln. Die unendlich schwierige und zur
Zeit sicherlich nicht zu lösende Frage, wo die Grenze für die
Variabilität physischer und psychischer Qualitäten einer Bevölkerung
unter dem Einfluß der Lebensverhältnisse, in die sie gestellt wird,
liegt, wage ich nicht auch nur anzurühren.

Unwillkürlich fragt dagegen jeder vor allen Dingen: was
kann und soll hier geschehen?

Gestatten Sie aber, daß ich es unterlasse, bei dieser Ge-
legenheit ausführlicher darüber zu sprechen, und mich begnüge,
kurz die beiden Forderungen anzudeuten, die m. E. vom Stand-
punkt des Deutschtums zu stellen sind und thatsächlich mit wach-
sender Einmütigkeit gestellt werden. Die eine ist: Schließung
der östlichen Grenze. Sie war verwirklicht unter dem Fürsten
Bismarck und ist nach seinem Rücktritt 1890 wieder beseitigt
worden; dauernde Ansiedlung blieb den Fremdlingen versagt,
aber als Wanderarbeiter wurden sie zugelassen. Ein "klassen-
bewußter" Großgrundbesitzer an der Spitze Preußens schloß sie
aus im Jnteresse der Erhaltung unserer Nationalität - und
der verhaßte Gegner der Agrarier ließ sie zu im Jnteresse der
Großgrundbesitzer, welche allein von ihrem Zuzug Vorteil haben:
nicht immer, das zeigt sich, entscheidet der "ökonomische Klassen-
standpunkt" in Dingen der Wirtschaftspolitik, - hier war es
der Umstand, daß das Steuerruder des Staates aus einer starken
Hand in eine schwächere fiel. - Die andere Forderung ist:
systematischer Bodenankauf seitens des Staates, also Erweiterung
des Domänenbesitzes einerseits, und systematische Kolonisation
deutscher Bauern auf geeigneten Böden, namentlich auf geeigneten
Domänen, andererseits. Großbetriebe, welche nur auf Kosten des
Deutschtums zu erhalten sind, sind vom Standpunkt der Nation

ſichtspunkte zu entwickeln. Die unendlich ſchwierige und zur
Zeit ſicherlich nicht zu löſende Frage, wo die Grenze für die
Variabilität phyſiſcher und pſychiſcher Qualitäten einer Bevölkerung
unter dem Einfluß der Lebensverhältniſſe, in die ſie geſtellt wird,
liegt, wage ich nicht auch nur anzurühren.

Unwillkürlich fragt dagegen jeder vor allen Dingen: was
kann und ſoll hier geſchehen?

Geſtatten Sie aber, daß ich es unterlaſſe, bei dieſer Ge-
legenheit ausführlicher darüber zu ſprechen, und mich begnüge,
kurz die beiden Forderungen anzudeuten, die m. E. vom Stand-
punkt des Deutſchtums zu ſtellen ſind und thatſächlich mit wach-
ſender Einmütigkeit geſtellt werden. Die eine iſt: Schließung
der öſtlichen Grenze. Sie war verwirklicht unter dem Fürſten
Bismarck und iſt nach ſeinem Rücktritt 1890 wieder beſeitigt
worden; dauernde Anſiedlung blieb den Fremdlingen verſagt,
aber als Wanderarbeiter wurden ſie zugelaſſen. Ein „klaſſen-
bewußter“ Großgrundbeſitzer an der Spitze Preußens ſchloß ſie
aus im Jntereſſe der Erhaltung unſerer Nationalität – und
der verhaßte Gegner der Agrarier ließ ſie zu im Jntereſſe der
Großgrundbeſitzer, welche allein von ihrem Zuzug Vorteil haben:
nicht immer, das zeigt ſich, entſcheidet der „ökonomiſche Klaſſen-
ſtandpunkt“ in Dingen der Wirtſchaftspolitik, – hier war es
der Umſtand, daß das Steuerruder des Staates aus einer ſtarken
Hand in eine ſchwächere fiel. – Die andere Forderung iſt:
ſyſtematiſcher Bodenankauf ſeitens des Staates, alſo Erweiterung
des Domänenbeſitzes einerſeits, und ſyſtematiſche Koloniſation
deutſcher Bauern auf geeigneten Böden, namentlich auf geeigneten
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[13/0019] ſichtspunkte zu entwickeln. Die unendlich ſchwierige und zur Zeit ſicherlich nicht zu löſende Frage, wo die Grenze für die Variabilität phyſiſcher und pſychiſcher Qualitäten einer Bevölkerung unter dem Einfluß der Lebensverhältniſſe, in die ſie geſtellt wird, liegt, wage ich nicht auch nur anzurühren. Unwillkürlich fragt dagegen jeder vor allen Dingen: was kann und ſoll hier geſchehen? Geſtatten Sie aber, daß ich es unterlaſſe, bei dieſer Ge- legenheit ausführlicher darüber zu ſprechen, und mich begnüge, kurz die beiden Forderungen anzudeuten, die m. E. vom Stand- punkt des Deutſchtums zu ſtellen ſind und thatſächlich mit wach- ſender Einmütigkeit geſtellt werden. Die eine iſt: Schließung der öſtlichen Grenze. Sie war verwirklicht unter dem Fürſten Bismarck und iſt nach ſeinem Rücktritt 1890 wieder beſeitigt worden; dauernde Anſiedlung blieb den Fremdlingen verſagt, aber als Wanderarbeiter wurden ſie zugelaſſen. Ein „klaſſen- bewußter“ Großgrundbeſitzer an der Spitze Preußens ſchloß ſie aus im Jntereſſe der Erhaltung unſerer Nationalität – und der verhaßte Gegner der Agrarier ließ ſie zu im Jntereſſe der Großgrundbeſitzer, welche allein von ihrem Zuzug Vorteil haben: nicht immer, das zeigt ſich, entſcheidet der „ökonomiſche Klaſſen- ſtandpunkt“ in Dingen der Wirtſchaftspolitik, – hier war es der Umſtand, daß das Steuerruder des Staates aus einer ſtarken Hand in eine ſchwächere fiel. – Die andere Forderung iſt: ſyſtematiſcher Bodenankauf ſeitens des Staates, alſo Erweiterung des Domänenbeſitzes einerſeits, und ſyſtematiſche Koloniſation deutſcher Bauern auf geeigneten Böden, namentlich auf geeigneten Domänen, andererſeits. Großbetriebe, welche nur auf Koſten des Deutſchtums zu erhalten ſind, ſind vom Standpunkt der Nation

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Zitationshilfe: Weber, Max: Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik. Freiburg (Breisgau) u. a., 1895, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weber_nationalstaat_1895/19>, abgerufen am 21.11.2024.