Weber, Max: Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik. Freiburg (Breisgau) u. a., 1895.misten unter uns meinen, die Auslese im freien Spiel der Kräfte Blicken wir zurück auf die erörterten Thatsachen, so bin und Weismanns auch auf dem Boden der ökonomischen Forschung
zu verbreitern, dauernder Wert zukommt. Trotzdem verdienen z. B. die Schriften von Otto Ammon ("Die natürliche Auslese beim Menschen". "Die Gesellschaftsordnung und ihre natürlichen Grund- lagen") jedenfalls mehr Aufmerksamkeit als ihnen zu Teil wird, - unbeschadet aller zu machender Vorbehalte. Ein Fehler der meisten von naturwissenschaftlicher Seite gelieferten Beiträge zur Beleuch- tung der Fragen unserer Wissenschaft liegt in dem verfehlten Ehr- geiz, vor allen Dingen den Sozialismus "widerlegen" zu wollen. Jm Eifer dieses Zweckes wird aus der vermeintlichen "naturwissen- schaftlichen Theorie" der Gesellschaftsordnung unwillkürlich eine Apo- logie derselben. miſten unter uns meinen, die Ausleſe im freien Spiel der Kräfte Blicken wir zurück auf die erörterten Thatſachen, ſo bin und Weismanns auch auf dem Boden der ökonomiſchen Forſchung
zu verbreitern, dauernder Wert zukommt. Trotzdem verdienen z. B. die Schriften von Otto Ammon („Die natürliche Ausleſe beim Menſchen“. „Die Geſellſchaftsordnung und ihre natürlichen Grund- lagen“) jedenfalls mehr Aufmerkſamkeit als ihnen zu Teil wird, – unbeſchadet aller zu machender Vorbehalte. Ein Fehler der meiſten von naturwiſſenſchaftlicher Seite gelieferten Beiträge zur Beleuch- tung der Fragen unſerer Wiſſenſchaft liegt in dem verfehlten Ehr- geiz, vor allen Dingen den Sozialismus „widerlegen“ zu wollen. Jm Eifer dieſes Zweckes wird aus der vermeintlichen „naturwiſſen- ſchaftlichen Theorie“ der Geſellſchaftsordnung unwillkürlich eine Apo- logie derſelben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0018" n="12"/> miſten unter uns meinen, die Ausleſe im freien Spiel der Kräfte<lb/> zugunſten der ökonomiſch höher entwickelten oder veranlagten<lb/> Nationalität aus. Die Menſchengeſchichte kennt den Sieg von<lb/> niedriger entwickelten Typen der Menſchlichkeit und das Abſterben<lb/> hoher Blüthen des Geiſtes- und Gemütslebens, wenn die menſch-<lb/> liche Gemeinſchaft, welche deren Träger war, die Anpaſſungs-<lb/> fähigkeit an ihre Lebensbedingungen verlor, es ſei ihrer ſozialen<lb/> Organiſation oder ihrer Raſſenqualitäten wegen. Jn unſrem<lb/> Fall iſt es die Umgeſtaltung der landwirtſchaftlichen Betriebs-<lb/> formen und die gewaltige Kriſis der Landwirtſchaft, welche der<lb/> in ihrer ökonomiſchen Entwicklung tiefer ſtehenden Nationalität<lb/> zum Siege verhilft. Parallel mit einander wirken der empor-<lb/> gezüchtete Rübenanbau und die Unrentabilität der Abſatzproduktion<lb/> von Cerealien nach der gleichen Richtung: der erſtere züchtet die<lb/> polniſchen Saiſonarbeiter, die letztere die polniſchen Kleinbauern. –</p><lb/> <p>Blicken wir zurück auf die erörterten Thatſachen, ſo bin<lb/> ich, wie ich gern bekenne, völlig außer ſtande, theoretiſch die<lb/> Tragweite der etwa daraus zu entnehmenden allgemeinen Ge-<lb/><note xml:id="note-0018" prev="#note-0017" place="foot" n="1)">und Weismanns auch auf dem Boden der ökonomiſchen Forſchung<lb/> zu verbreitern, dauernder Wert zukommt. Trotzdem verdienen z. B.<lb/> die Schriften von <hi rendition="#g">Otto Ammon</hi> („Die natürliche Ausleſe beim<lb/> Menſchen“. „Die Geſellſchaftsordnung und ihre natürlichen Grund-<lb/> lagen“) jedenfalls mehr Aufmerkſamkeit als ihnen zu Teil wird, –<lb/> unbeſchadet aller zu machender Vorbehalte. Ein Fehler der meiſten<lb/> von naturwiſſenſchaftlicher Seite gelieferten Beiträge zur Beleuch-<lb/> tung der Fragen unſerer Wiſſenſchaft liegt in dem verfehlten Ehr-<lb/> geiz, vor allen Dingen den Sozialismus „widerlegen“ zu wollen<choice><sic> </sic><corr>.</corr></choice><lb/> Jm Eifer dieſes Zweckes wird aus der vermeintlichen „naturwiſſen-<lb/> ſchaftlichen Theorie“ der Geſellſchaftsordnung unwillkürlich eine Apo-<lb/> logie derſelben.</note><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [12/0018]
miſten unter uns meinen, die Ausleſe im freien Spiel der Kräfte
zugunſten der ökonomiſch höher entwickelten oder veranlagten
Nationalität aus. Die Menſchengeſchichte kennt den Sieg von
niedriger entwickelten Typen der Menſchlichkeit und das Abſterben
hoher Blüthen des Geiſtes- und Gemütslebens, wenn die menſch-
liche Gemeinſchaft, welche deren Träger war, die Anpaſſungs-
fähigkeit an ihre Lebensbedingungen verlor, es ſei ihrer ſozialen
Organiſation oder ihrer Raſſenqualitäten wegen. Jn unſrem
Fall iſt es die Umgeſtaltung der landwirtſchaftlichen Betriebs-
formen und die gewaltige Kriſis der Landwirtſchaft, welche der
in ihrer ökonomiſchen Entwicklung tiefer ſtehenden Nationalität
zum Siege verhilft. Parallel mit einander wirken der empor-
gezüchtete Rübenanbau und die Unrentabilität der Abſatzproduktion
von Cerealien nach der gleichen Richtung: der erſtere züchtet die
polniſchen Saiſonarbeiter, die letztere die polniſchen Kleinbauern. –
Blicken wir zurück auf die erörterten Thatſachen, ſo bin
ich, wie ich gern bekenne, völlig außer ſtande, theoretiſch die
Tragweite der etwa daraus zu entnehmenden allgemeinen Ge-
1)
1) und Weismanns auch auf dem Boden der ökonomiſchen Forſchung
zu verbreitern, dauernder Wert zukommt. Trotzdem verdienen z. B.
die Schriften von Otto Ammon („Die natürliche Ausleſe beim
Menſchen“. „Die Geſellſchaftsordnung und ihre natürlichen Grund-
lagen“) jedenfalls mehr Aufmerkſamkeit als ihnen zu Teil wird, –
unbeſchadet aller zu machender Vorbehalte. Ein Fehler der meiſten
von naturwiſſenſchaftlicher Seite gelieferten Beiträge zur Beleuch-
tung der Fragen unſerer Wiſſenſchaft liegt in dem verfehlten Ehr-
geiz, vor allen Dingen den Sozialismus „widerlegen“ zu wollen.
Jm Eifer dieſes Zweckes wird aus der vermeintlichen „naturwiſſen-
ſchaftlichen Theorie“ der Geſellſchaftsordnung unwillkürlich eine Apo-
logie derſelben.
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